Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Adolf Böttger
(1815-1870)



Sonette

2.

Im Nonnenschleier liegen Hain und Pfade,
Wie eine Schaar von weißvermummten Frauen
Starrt geisterhaft der Wald auf Thal und Auen,
Als Silberberg verkappt sich die Kaskade.

Geharnischt schmiegt der Strom sich ans Gestade,
Den Wolkenmädchen möcht' er sich vertrauen,
Die thränenschwer zu ihm herniederschauen -
Kurz, Erd' und Himmel spielen Maskerade.

Da seh ich Dich, mich ganz Dir zu verbünden, -
Wie auch zu lieben dieses Herz verhehle,
Dein schöner Blick vermag es zu entzünden.

Du bist die zauberstrahlende Juwele,
Die bunt sich spiegelnd auf den starren Gründen
Den Frühling ruft in meine trunk'ne Seele.
(S. 40)
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3.

Ob Alles todt - Du lebst ja noch mein Leben,
Die schönsten Rosen blühn Dir auf den Wangen,
Die, wenn sie auch ein Nebel hielt umfangen,
Doch blendend noch als weiße würden beben.

Die blonden Locken ranken sich wie Reben,
Daran so manche Blicke schon gehangen,
Und manche Herzen schon ins Netz gegangen,
Die nur zu rasch sich ganz Dir hingegeben.

Mich aber hat der Augen Glanz getroffen,
Die blauen Flammen, die aus ihnen schießen,
Sie lassen nur sich todtzuschauen hoffen.

Ja müßten selbst die Augen einst sich schließen,
Ich säh' sie dann noch lebensfrisch und offen
Als blaue Veilchen aus dem Grabe sprießen.
(S. 41)
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4.

Nicht bitt' ich Dich, mich wiederum zu lieben,
Nur Dich zu lieben, sollst Du mir gewähren! -
Doch was der Geist noch eben mochte nähren,
Das seh' ich jetzt als nichtig schon zerstieben.

Fast möcht' ich's auf's Aprilenwetter schieben,
Wo launenhaft die Wolken Stürme gähren,
Die dann minutenlang den Himmel klären,
Bis sie als Regenbogen sich vertrieben.

Ich lauf' im Wald, als könnt ich Dich erjagen,
Ich balle Schnee, als wollt' ich mit Dir spielen,
Schneeglöckchen pflück' ich, Dir sie heimzutragen.

Doch riß ich all' die Blumen von den Stielen,
Wollt ich vor Liebe jauchzen oder klagen -
Was würd' ich, armer Narr, damit erzielen!
(S. 42)
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6.

Der Flieder klopft mit duftig weißen Trauben
Des niedern Kirchenfensters blanke Scheiben,
Als wollte seine grünen Händchen schreiben
Ins fromme Glas auch frommen Glauben.

Und an der Thüre flattern weiße Tauben,
Als liebten sie ein gottesfürchtig Treiben,
Und möchten treu auch beim Gebete bleiben
Den Dorfbewohnern in den Sonntagshauben.

Die Orgel rauscht in mächtigen Accorden,
Andacht verklärt sich brünstig im Gesange,
Des Gottes voll ist jede Brust geworden:

An Dich, Du Holde, denk' ich seligbange,
Und betend fluten in des Herzens Borden
Der Liebe Melodien im hellsten Klange.
(S. 44)
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8.

Du machst dem tollsten Schwarm die Tage golden,
Mich aber soll die Eifersucht berücken,
Denn Hand und Nacken gönnst Du schnöden Mücken,
So vampyrart'gen kleinen Trunkenbolden.

Sternblumen auch und zartgeformte Dolden
Willst täglich Du mit Deiner Huld beglücken,
Und reißt Dein loses Spiel sie auch in Stücken,
Ist süß der Tod doch von der Hand der Holden.

Ach! scheuch' hinweg das tückische Gelichter -
Ein Heer von Küssen Deines Vielgetreuen
Nimm lieber für den Schwarm der Bösewichter.

Ach! laß die Blumen sich des Lichtes freuen -
Und nimm die Liederchen von einem Dichter,
Du kannst sie ja wie Blätter auch verstreuen!
(S. 46)
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9.

Ein klarer Stern erglänzt am Himmelsbogen -
Im Kahn mich schaukelnd saug' ich seine Strahlen,
Ich blick' auf ihn mit wonnetrunknen Qualen,
Von seinen Reizen magisch angezogen.

Es malt der Stern sich in den blauen Wogen
Und spiegelt sich darin zu tausendmalen!
Wie kannst Du Herz mit dem Genusse prahlen,
Das Bild der Schönheit hast Du eingesogen. -

Und Du, Geliebte, spielst im heitern Wahne
Vielleicht daheim mit heiligen Gefühlen,
Ganz unbekümmert um den Mann im Kahne.

Du läßt Dir in den goldnen Locken wühlen,
Labst glühend Dich im Liebesoceane -
Indeß mich Wellen feucht und kalt umspülen.
(S. 47)
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11.

Es flammen hell im Saal die Girandolen,
Musik durchströmt den Raum mit süßen Tönen;
Begeistert lauscht die Reihe junger Schönen,
Ein bunter Flor von Tulpen und Violen.

Der Blick des Jünglings schweift indeß verstohlen
Auf diesen Blumen, die das Leben krönen,
Sein Innres möchte mit der Flöte stöhnen,
Verhaucht ihr Ton in leisen Lebewohlen.

Wohl mag ich gern den holden Klängen lauschen,
Die sich gestalten in so schöner Runde,
Doch mit noch süßern wüßt' ich sie zu tauschen:

Ach! nur ein Wort aus Deinem lieben Munde,
Und all' die Töne müßten hier verrauschen,
Das ist Musik, von der ich ganz gesunde.
(S. 49)
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13.

Mich treibt es ruhlos, Dich, nur Dich zu schauen,
In Deiner Näh' empfind' ich volles Leben,
Anmutge Bilder seh' ich um mich schweben,
Die mir der Dichtung Himmel auferbauen.

Wenn Deine Blicke sonnenmächtig thauen
Die Kälte, welche lang dies Herz umgeben,
So mag ich kaum dem Drange widerstreben,
Dir Alles, ja das Liebste, zu vertrauen.

Und dennoch faßt allstündlich mich ein Bangen,
Mein tiefstes Wesen frei Dir zu entfalten
Mit allen seinen Plänen und Verlangen:

Denn vor der Schönheit fesselnden Gewalten
Verstummt der Mund, die Seele stockt befangen
Und wähnt die Glut im Worte zu erkalten.
(S. 51)
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16.

O laß den Blick auf Deinem Antlitz weilen,
Wo Geist und Anmut lieblich sich umschlingen,
Wo von des Lebens tiefsten Räthseldingen
Die Liebe redet in lebendgen Zeilen.

O laß nicht allzuhastig niedereilen
Die seidnen Wimpern, die gleich Schmetterlingen
Sich kosend über blauen Blumen schwingen,
Des Himmels Glanz auf Erden auszutheilen.

Schon manches schöne Kind war mir gewogen,
Das hoch ich pries im hellsten Liedertone -
Doch fand ich stets, daß ich mich selbst betrogen.

Und Du, von der ich Rosen bat zum Lohne,
Du Einzge, die ich Allen vorgezogen,
Reichst kalt mir des Poeten Martyrkrone.
(S. 54)
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Aus: Gedichte von Adolf Böttger
Leipzig Otto Klemm 1846



 

 

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