Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Johann Christian Günther
(1695-1723)



AN SEINE MAGDALIS

NICHTS anders leget sich die Blumengöttin an,
Wenn ihr der nahe Lenz die Wiederkunft erlaubet,
Als meine Magdalis, von der man heute glaubet,
Sie habe der Natur es weit zuvor gethan.

Der Neid, so nichts an ihr als dieses tadeln kan,
Daß sie die Schönheit auch mit ihrer Schönheit schraubet,
Wird von der Majestät selbst des Gesichts beraubet
Und findet nichts um sie vor seinen Lästerzahn.

Ach, wohlgestaltes Kind, dein Halstuch tröstet mich,
Weil es die Lieberey der grünen Hofnung träget,
Mein Wüntschen sey erfüllt, mein Bitten habe dich,
Mein Seufzen deine Brust zur Gegengunst beweget.

Da nun dein zarter Flor mir dieses wißend macht,
So ist mein Kuß bereits aufs Botenlohn bedacht.
(S. 54)
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ALS SIE AN SEINER TREU ZWEIFELTE

MEIN Kind, was zweifelstu an meiner Redligkeit,
Die ihres gleichen doch in deiner Brust verspüret?
Wo meiner Adern Blut nur einen Tropfen führet,
Der sich nicht tausendmahl vor dich zu sterben freut,

So wüntsch ich ihm den Fluch, den Ebals Felsen dräut
Und Cains Fuß erfährt; der Stern, so mich regieret,
Und deßen Trieb in mir die reine Glut gebiehret,
Folgt nicht wie ein Planet dem Wechsel dieser Zeit.

Mein Sinnbild ist ein Ring, der Denckspruch: Sonder Ende;
Denn wer nicht ewig liebt, der liebet nimmermehr.
Mein Engel, giebstu nun dem Argwohn kein Gehör,
So lege mir dein Herz in die getreuen Hände.

Ich sichre, diesen Schaz wird deinem Saladin
Kein Räuber, kein Verlust, auch nicht der Tod entziehn.
(S. 56)
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AN SEINE MAGDALIS

DAS Glücke muß vorwahr mich als sein Schooskind lieben
Und das Verhängnüß mich zu quälen müde seyn,
Weil du, getreues Kind, mir nach so mancher Pein
Dein unverfälschtes Herz zum Eigenthum verschrieben.

Mein Schif, das Wind und Meer an manchen Fels getrieben,
Lauft den Vergnügungsport mit vollen Seegeln ein,
Und meine Hofnung kan sich schon im Geiste freun,
Nachdem dein freyes Ja den Zweifel aufgerieben.

Versiegle nun den Bund durch einen feuchten Kuß,
Bis dich des Priesters Hand mir völlig überreiche,
Und glaube, daß mich selbst der Himmel strafen muß,
Wofern mein Wanckelmuth dein Bild in mir verstreiche.

Drum liebe nur getrost; denn die Beständigkeit
Würckt mir den Hochzeitrock und auch das Leichenkleid.
(S. 58)
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Aus: Johann Christian Günthers Sämtliche Werke.
Erster Band: Liebesgedichte und Studentenlieder in zeitlicher Folge
Sechs Bände historisch-kritische Gesamtausgabe herausgegeben von Wilhelm Krämer
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1964




 

 

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