Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Edmund Hoefer
(1819-1882)



So laß, mein Herz, den Zauber dich bewegen
Und laß ihn gänzlich dich so süß verwirren,
Den klaren Geist soll er mir nie beirren,
Der bleibet wach und sicher allerwegen.

Und geht zu End' dereinst der heitre Segen,
Und wollen böse Stunden dich umschwirren, -
Dann sprech' ich kalt: genug mit all dem Girren,
Die Zeit ist da, es geht zu neuen Wegen.

So sprach ich einst so klar und stolz besonnen,
Und schau' mich selig jezt im Zauberreigen,
Und schau' den Stolz, die Kälte eingesponnen

Und weilen will ich ewig hier und schweigen.
O Liebesglück, du hast mich ganz gewonnen,
O Liebesqual, dir bin ich ganz zu eigen!
(S. 29-30)
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Im Winter hofft sich's auf den Sommer gut,
Und hoffend freust du dich voraus der Tage;
Wie stürmisch Schnee und Wetter dich umjage,
Dein Herz bleibt freudig und erfrischt dein Muth.

Doch kam der Sommer dann mit Duft und Glut,
Da weißt du kaum, wie solch ein Glück sich trage!
Genießend bangt dein Herz mit jedem Schlage
Vor finsterm Unheil, das im Winter ruht.

Und also ward es mir in diesen Tagen:
Da ich ihr nah bin, will das Herz verzagen,
Von Glück und Angst im Wirbel hingetragen.

Doch wenn ich schied und wieder einsam bin,
Wenn mir die Trauer bedrohet Herz und Sinn,
Läßt mir die Hoffnung Glück der Zukunft tagen.
(S. 35)
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O du! Dein Name bleibe stets verschwiegen,
Und selbst den Lüftchen will ich ihn nicht sagen!
Das Lüftchen würd' ihn schmeichelnd weiter tragen
Bis Blumen ihn in ihren Kelchen wiegen.

Da saugt das Bienchen ihn mit durst'gen Zügen
Und summt ihn trunken in die grünen Schragen,
Die Vögel lauschen, und in wenig Tagen
Hört' ich der Menschen Stimmen ihn umschmiegen.

Laß mir zum Talisman den theuern, lieben
Auf meines Lebens rastlos wilden Zügen,
Vom Schicksal segnend in mein Herz geschrieben!

Fremd sei er stets den Lippen, die da lügen,
Fremd allen schwachen sünd'gen Erdentrieben! -
O du! Dein Name bleibe stets verschwiegen!
(S. 39-40)
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Die Nacht hält Hof. Heut wird das Fest begangen,
Wie's nie so reich, so prächtig nie entglommen,
Nie kam der Mond so stolz daher geschwommen,
Nie mochten also je die Sterne prangen;

Die Blumen alle stehn mit süßem Bangen,
Die Nachtigallen schlagen lustbeklommen, -
Und allen Gästen spricht ihr froh Willkommen
Die milde Nacht, die Herrin huldumfangen.

Da steh' ich nun und schaue mit Entzücken
In dies allmächt'ge ewig gleiche Regen,
Das sich so neu erschlossen meinen Blicken.

Denn jezt erst glaub' und fühl' ich's allerwegen,
Wie tausend Siegel auf die Sinne drücken,
Bis unser Herz erweckt der Liebe Segen.
(S. 41-42)
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Aus: Gedichte von Edmund Hoefer
Zweite Auflage
Stuttgart Verlag von Adolph Krabbe 1861



 

 

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