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  Neroccio de'Landi (1445-1500)
 Porträt einer Dame (1480)
 
 
 
 
 
 
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 Karl 
      Immermann
 (1796-1840)
 
 
 
 Die Federn
 
 Ihr Federn, so ich hier der Liebsten schneide,
 Hört zu, ich will euch jetzo unterrichten
 Von euren Rechten und von euren Pflichten,
 Kommt ihr in Dienst bei meiner Augen Weide:
 
 Wofern sie Andern schreibet, mir zum Leide,
 Erweiset ja euch dann behend mit nichten,
 Nein, schleichet, haftet, stockt gleich trägen Wichten,
 Durch Ungeschick dient dem verliebten Neide!
 
 Ja, ich erlaub' euch, Schalkheit auszuüben,
 Wird sie zu warm, so dürft ihr schrammen, kritzeln
 Und euren Mund im Bodensatze trüben.
 
 Soll aber mir ein Wort von theurer Stelle
 Zufliegen auf den postpapiernen Schnitzeln,
 Dann, Federn, eilt, rennt, jagt Gedankenschnelle! 
      (S. 113)
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 Kurzes Glück
 
 Die Liebe ruht, ein zarter Flügelstaub,
 Auf unsres Lebens ausgespannten Schwingen,
 Wir schlüpfen jauchzend durch der Ranke Schlingen,
 Wir ruhen selig aus auf Blüth' und Laub.
 
 Ihr Götter, wäret ihr nicht kalt und taub,
 Mitleiden wär' euch Harten abzuringen,
 Vor der Dämonen Schleichen, Nahen, Dringen
 Beschütztet ihr den schwachen, süßen Raub.
 
 Auch ich flog jüngst mit jenem Wunderflügel,
 Mich badend in dem Strom des reinen Lichts!
 Was hatt' ich? Und was blieb mir? Nichts!
 
 Warum bedeckt denn nun ein Grabeshügel
 Mein Glück von einem Augenblick? - Warum?
 Ist nicht die Lieb' ein Flügelstaub? Darum! 
      (S. 137)
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 Aus: Karl Immermann's 
      Schriften
 Erster Band Gedichte
 Düsseldorf Verlag von J. E. Schaub 1835
 
 
 
 
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