Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Karl Gottfried Ritter von Leitner
(1800-1890)



Beruf zum Minnesang

Mit Rosen am Barett, gleich einem Freyer,
Entstieg ein Harfner jüngst dem dunklen Blauen,
Der Ulrich war's von Lichtenstein, der Frauen
Berühmter Sänger, noch der Nachtwelt theuer.

"Wie du daheim im schönen Lande Steyer,
Sang freudig in der Vorzeit fernsten Grauen
Der Frauen Lob ich schon in diesen Gauen;
So sing' auch du zu deiner Holden Feyer."

Er sprach's, und reichte freundlich im Entschweben
Die eig'ne Harfe mir. Ich wagte lange
Zu rühren nicht der edlen Saiten Gitter;

Da riß es jäh mich mächtig hin zum Sange.
Der hohe Meister möge nun vergeben,
Wenn Lehrlingshand entweiht die heil'ge Zither.
(S. 145)
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In der Alpenhütte

Noch seh' ich dich, von stiller Huld umfangen,
Im engen Hüttchen an der Alpe Rain,
Der Senninn Kind vor dir im Wiegenschrein
Mit rosigen, vom Schlaf gemahlten Wangen.

Du hobst es auf, und deine Arme schlangen
Entzückt es an die Brust, du kos'test sein,
Und sangest leis', und küßtest, - lieb und klein,
Die Händchen ihm, die spielend mit dir rangen.

Ich wußte nicht, wie selig mir geschehen,
Es war, als sey in armer Hirten Hütte
Zum zweyten Mahl ein Wunder uns erschienen.

So schönes, Heil'ges hatt' ich nie gesehen!
Jungfräulichkeit in jedes Reitzes Blüthe,
Und Mutterzärtlichkeit in Aug' und Mienen.
(S. 158)
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Nachtwache

Still geht der Mond, und Schlaf und Frieden gleiten
Aus silberlichten Wolken tröstend nieder,
Nur ich, - ich wache, sinne, klage wieder,
Und meiner Hand erzittern leis die Saiten.

Ach! sie, nach der's mich zieht in ferne Weiten,
Sie schloß wohl, auch die ros'gen Augenlieder.
O ruhe sanft! mit weichem Goldgefieder
Mög' zaub'risch dich ein schöner Traum umbreiten.

Ein liebes Bild soll kosend dich umwehen,
Ein Jünglingsbild; - doch meines nicht, zu sehen
Sollst du den schon vielleicht Erwählten meinen.

Dann wird sich süß dein banges Sehnen stillen,
Ein selig Lächeln wird die Lippen füllen,
Und lächelst du nur, will ich gerne weinen.
(S. 159)
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Die Blumen am Fenster

1.
Seit grauer Zeit klang mancher Harfe Gold
Vom Mayenmond in fröhlichen Ergüssen,
Und seinen Blumen, wie der Traub', den Küssen,
War stets das heit're Volk der Sänger hold.

Doch euch, die ihr in böser Elfen Sold
So üppig sproßt am Fenster meiner Süßen,
Euch kann ich nicht mit Freundesworten grüßen
Nach altem Brauch, - wie gern' ich auch gewollt.

Was berget ihr, voll neidischem Bemühen,
Mit dichtem Laubgehäg' und hohen Ranken,
Was sehnend sucht mein liebendwirrer Blick?

Er späht umsonst! Ach! - Fort, ihr mögt verblühen!
Entraffe sie, o Nord! - ich will dir's danken.
Was raubt ihr mir mein still-unschuldig Glück!
(S. 169)


2.
Wie öd ist mir, seit dort die Blumen prangen!
Süßtrunken irrte sonst, - wie eine Bien'
Um Rosen, wie die Lerch' um das Karmin
Des Frühgewölks, - mein Blick um ihre Wangen.

Ach! Alles, selbst das selige Erbangen
Im Wechselspiel mit ihrem Aug' ist hin! -
Fürwahr! ich tilge selbst dieß freche Grün,
Will nicht der Sturm nach seiner Beute langen.

Ich tödten euch, ihr Blumen? - Nie, o nie!
Blüht lustig fort! - Du Nacht bethaue sie,
Und halte mild den rauhen Hauch zurück.

Wie könnt' ich doch den Engelblick ertragen,
Wenn sie betrübt, doch sanft mich würde fragen:
Was raubst du mir mein still-unschuldig Glück? -
(S. 170)
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Die schlummernde Entzweyte

Sie schläft; - der zarte Mund, die lieben, blassen,
Gegrübten Wangen lächeln süßen Frieden.
Nicht hätt' ich einst den frommen Scherz gemieden,
Erweckend sie, und küssend zu umfassen.

Doch ach! - seit ihre Huld mich strenge hat verlassen,
Blüht nimmermehr mir solches Glück hiernieden,
Mit ihr entzweyt, und von mir selbst geschieden,
Bekämpfe ohne Sieg' ich Lieb' und Hassen.

Wohl leidet sie mit mir, die gute Seele! -
Und blickt, daß nicht zu grausam sie mich quäle,
Noch oft nach mir gar lieb und freundlich hold.

Und wenn auch flüchtig, - solcher Schmach zu dienen, -
Den alten Stolz empört, - ach! Aug' und Mienen
Erbetteln doch den kleinen Gnadensold.
(S. 178)
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Wiedersehen

Vom Scheiden hab' ich manches Lied gesungen,
Auf Trauerklängen mich voll Wehmuth wiegend;
Doch ist, der Worte Sprödigkeit besiegend,
Noch keines mir vom Wiederseh'n gelungen.

Wenn sie voll Jubel kommt einher gesprungen,
Die Wangen hoch entglüht, die Locken fliegend,
Und ach! dem wilden Wonnesturm erliegend,
Stumm weinend, hält den Weinenden umschlungen;

O wer vermag die Seligkeit zu nennen,
Zu der zwey treue Herzen dann entbrennen?
Nur Engellippen sängen solch Entzücken.

Dem Menschen ist nur Schmerz und Sehnsucht eigen,
Und wenn sich ihm die Himmel offen zeigen,
Darf er's verrathen nur mit stummen Blicken.
(S. 184)
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Weltansicht

Bin ich mit dir, du Fraue mein, entzweyet,
Und däucht getrübt mir deines Bildes Reine;
Den Besten wähn', - ob ich darob auch weine, -
Ich dann von argen Mängeln nicht befreyet.

Doch schwebst du licht, von Zweifeln nicht entweihet,
Auf Fittichen vor mir im Heil'gen-Scheine,
Dann blüht um mich ein Paradies, ich meine
Im Lasterkreis von Engeln mich umreihet.

So, wenn Gewölk der Sonne Glanz verdunkelt,
Verwelkt auch des Rubines Feuerrose,
Und selbst des Diamanten Blitz verblühet;

Doch, wenn ihr heilig Licht entschleyert funkelt,
Dann strahlt es rings, und als Juwele sprühet
Und flammt der staubgetrübte Thau im Moose.
(S. 202)
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An ihre verklärten Geschwister
über deren Tod sie sich sehr grämte

Dort sitzt sie träumerisch im Sternenlichte
In Thränen einsam, mit erblich'nen Wangen,
Die Haare läßt sie los hernieder hangen,
Zu matt, daß sie die schön Verworr'nen schlichte.

Sie lächelt still', als ob sie im Gesichte
Die Lieben säh', die ihr voraus gegangen,
Und dieses Lächeln macht mich tief erbangen,
Daß jenen zu sie sternen-aufwärts flüchte.

O winket, winket nicht, ihr Glanzgestalten!
Nicht könnte sie mein schwacher Arm erhalten,
Wollt' ihrer Sehnsucht Flug empor sie heben.

Um Gott! - winkt nicht! - Der Engel viel umschweben
Ihr Sel'gen, euch in heil'gen Palmenhainen,
O gönnt auf rauher Erde mir - den Einen.
(S. 205)
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Aus: Gedichte von Carl Gottfried Ritter von Leitner
Wien gedruckt bey J. P. Sollinger 1825



 

 

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