Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Heinrich Mühlpfort
(1639-1681)



An Favonien als er Sie zum ersten mahl küste

Diß ist mein erster Kuß / den ich Favonie!
Du schönes Menschen-Kind / auf deine Lippen setze.
Du biß mein Paradieß / in dem ich mich ergötze /
Nun bin ich wohl vergnügt / weil ich so feste steh /

Und dencke weiter nicht / ob jene Angst und Weh /
Durch Unglück meine Lieb / und ihren Lauff verletze.
Wie hoch ich deinen Kuß O Allerliebste! schätze /
Das weiß ein jeder Stern / es weiß es Erd und See.

Das Herze konte sich nicht eh zu frieden geben /
Biß es von deinem Mund / ein Zeichen wahrer Gunst /
Empfangen wie es wolt / nun hat es auch sein Leben /

Zugleicher Gegen-Pflicht entzündt in Liebes-Brunst.
Drum wundre dich ja nicht / wann ich es mehr begehre /
Daß mir dein rother Mund ein Liebes-Pfand gewähre.
(aus: Poetischer Gedichte Ander Theil S. 113-114)
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Ein Kuß

Viel fragen was daß sey: Schatz gieb mir einen Kuß /
Und was ich doch für Lust von Küssen könne haben /
Viel lachen / wann ich will nach einem Kusse traben /
Und sagen / dieser Kuß / der war mir ein Verdruß.

Ich spreche wiederum / diß ist ein Uberfluß /
Voll süsser lieblichkeit / an dem ich mich kan laben /
Was acht ich viel Geschenck / und grosser Schönheit Gabe
Wann ich bey meiner Lieb ein Bettler bleiben muß.

Das Reden und daß Spiel macht einen zwar bekant /
Doch / soll in Gegen-Gunst das Herze seyn entbrandt /
So muß zuvor ein Kuß die Bahn zur Liebe machen.

Ein Kuß hat so viel Krafft / wann er von Herzen geht /
Als bey den Schiffenden der nordliche Magnet /
Ein Kuß kan bald ein Paar verliebt zusammen machen.
(aus: Poetischer Gedichte Ander Theil S. 113)
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Auf die Anmuth der schönen Cyndaris

Ach schönste Cyndaris! ich fühle deinen Brand /
Den deiner Augen Licht mir heimlich zugesandt /
Ich weiß nicht wie mir war / als ich den Blitz empfand /
Der aus dem Diamant der Sternen kam gerannt.

Vergieb mir schönstes Kind / ich küsse deine Hand /
Den Silber reinen Schnee / das Wollenweiche Pfand /
Das mir die Liebe hat gewogen zugewandt /
Als ich zum ersten mal dein Angesicht erkannt.

Du Seele keuscher Zucht / nicht nur in unsern Land /
Es weiß die ganze Welt der Nord und Ostenstrand /
Des Ursprungs Göttligkeit / und deinen Tugendstand /

Der Haare lichtes Gold / wird meiner Seelen Band /
Gibst du mir einen Kuß / so ist es Alekant /
Der mir das Leben bringt / so ohne dich verschwand.
(aus: Poetischer Gedichte Ander Theil S. 112-113)
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An Megalinden

Ich habe mich verliebt in eine solche Zier /
Die Gegenliebe gibt / doch wann ich sie gesehen /
So werd ich halb erblast / mein Singen und mein Flehen /
Wie groß es sonsten ist / das kommt gar nicht zu ihr /

Doch ihre Lieblichkeit / kommt meinen Augen für /
Und läst mich fort für fort / in den Gedancken stehen /
Daß ich Sie lieben soll: wohlan! es sey geschehen /
Ich bleibe dir verpflicht / der Schluß beliebet mir.

Komm Megalinde komm / ist schon dein Angesichte
In Zorn und Haß verkehrt / so weiß ich daß dein Herz
In wahren Flammen glüht / und treibet einen Scherz /

Der vieler Leute Wahn / und Hoffnung / macht zu nichte.
Schwebt deine Gunst und Brunst / nicht eben auf der Stirne /
So sitzt die Liebe doch im Herzen / und Gehirne.
(aus: Poetischer Gedichte Ander Theil S. 114-115)
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Er liebet noch

Ich solte nun einmahl die Liebe lassen stehn /
Und mich nach rothem Gold / und grossem Gut umschauen /
So will und mag ich nicht den leichten Wellen trauen /
Doch aber soll mein Wunsch nach hohen Ehren gehn

Und tieffer Wissenschafft: ich will ein neu Athen,
In meinem engen Kopff / durch kluge Kunst aufbauen /
Der Schluß der sey gemacht: bald fängt mir an zu grauen /
Die Liebe kommt und spricht: diß wird dich nicht erhöhn /

Was denn? weg eitle Lieb! es bleibt mein fester Schluß /
Ach aber nur umsonst: Sie kommt mit Flammen wieder /
Und fahret wie ein Blitz / durch mein Gebein und Glieder /

So daß ich wie zuvor / inbrünstig lieben muß.
Es hilfft mich weiter nichts / als wenn dein rother Mund /
O schönste Flavie! dem meinen ist vergunt.
(aus: Poetischer Gedichte Ander Theil S. 115)
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Aus: Heinrich Mühlpfort: Teutsche Gedichte Poetischer Gedichte Ander Theil.
Neudruck der Ausgabe Breslau und Frankfurt am Main 1686/87.
Herausgegeben und eingeleitet von Heinz Entner. Keip
Verlag Frankfurt am Main 1991
(Texte der Frühen Neuzeit. Neudrucke nach Beständen
und in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Wroclaw / Breslau)



 

 

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