Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Martin Opitz
(1597-1639)


Auff einen Kuß
Auch zum theil aus dem Holländischen

AVff alle meine Noth / auff so viel Angst vnd Klagen /
Auff Seufftzen / Ach vnd Weh / auff höchste Trawrigkeit /
Auff das wodurch mein Hertz' empfandt sein tieffes Leid /
Wird doch mein Lieb bewegt mir eins nicht abzuschlagen.

Ich mag gewißlich wol von gutem Glücke sagen;
Sie kam ja endlich noch die sehr gewüntschte Zeit;
Vnd hat mir Hertz vnd Sinn durch einen Kuß erfrewt;
Ich habe diese Gunst doch endlich weg getragen.

Der Thaw / der süsse Thaw / der auff den Lippen schwebt/
Der Marck vnd Bein erquickt/ dadurch mein Geist noch lebt/
Kan alle meine Furcht' vnd Trawren von mir scheiden.

Ihr Götter die jhr schawt hier zu vns Menschen her /
Kehrt ja mir diese Frewd' vnd Trost in kein Beschwer:
Der Kuß ist wol verkaufft vmb solche Noth vnd Leiden.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 697)
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Sonnet von der Liebsten Augen

DIß wunderliche Werck / das Gott hat auffgericht /
Die Erde / Lufft / vnd See / des Himmels hohe Thronen /
Das alles / was man kan / vnd auch nicht kan bewohnen/
Hett es kein / oder auch zwo Sonnen / stünd es nicht.

Ich arm betrübtes Thier muß zweyer Sonnen liecht
Vertragen / die mir arg für meine Liebe lohnen /
Ja die bey Tag vnd Nacht auch meiner nicht verschonen /
Doch ärger ist die Pein / wann mir der Glantz gebricht /

Was wunder ist es dann / daß jhr mich sehet sterben
Mehr als zehn tausentmal / eh' kaum hingeht ein Tag ?
Vnd jmmer widerumb belebt zur newen Plag?

Ist sie mir allzunah / muß ich durch sie verderben:
Ist sie denn gantz hinweg / so hab ich lauter Nacht /
Doch wehl' ich mir den Todt / den mir die Hitze macht.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 187)
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Sonnet auß dem Latein Adeodati Sebae

HEint als der Monde war in seinen Craiß gezogen /
Vnd mich der süsse Schlaf vmbfangen durch die Nacht /
Ward mir mein Augentrost im Traume fürgebracht /
Als lege sie bey mir an meine Brust gebogen /

Ihr Hertze war in mich / mein Hertz' in sie geflogen /
Fand aber gäntzlich nichts / wie ich deß Morgens wacht /
Vnd hielt die Lacken in den Armen / drumb ich lacht /
Als ich recht jnnen ward daß ich so sehr betrogen.

Verräther / loser Trawm / warumb denn fleuchstu bald /
Laß mich doch länger sehn die liebliche Gestalt /
Laß sich doch mehr bey mir diß schöne Vorbild säumen.

Betrieger / krieg ich nichts als Hohn vnd Spott von jhr /
Vnd jhrer Schönheit roß' / ach bitt ich / laß doch mir
Drey tausent jahr so süß / ohn alles Wachen / träumen.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 196-197)
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WAnn ich mit frieden kan in deinen Armen liegen /
So hab' ich schon genung: mehr ehre wüntsch' ich nicht
Auff dieser weiten Welt/ als dir/ mein Trost vnd Liecht/
In deiner weissen Schoß zu ruhen nach genügen.

Diß ist mein bester zweck: es mag ein andrer kriegen
Dem Mars im Hertzen steckt das aus jhm selber bricht /
Nach Helm' vnd Waffen greifft/ den kühnen Feind bespricht
Vnd wanckt nicht vmb ein Haar/ wil sterben oder siegen.

So wilde bin ich nicht: Dorinde/ wann du dich
Vmb meine Schuldern wirffst das ist ein krieg für mich;
Hiervon soll meinen Sinn kein Ruhm vnd Gut bewegen.

Das Glücke deiner Gunst hat bey mir grössern schein
Als etwan Cesar selbst vnd Alexander seyn/
Vnd diese gantze Welt zun Füssen können legen.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band IV 2. Teil (1990) (S. 468-469)
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Sonnet
Als jhm seine Asterie geschrieben

WEr solte dieses wol in sein Gemüthe bringen /
Daß vnder weiß vnd schwartz verborgen solche Freudt?
Daß nur ein einig Brieff nemm' alle Traurigkeit?
Kan auch der Augen lust so weit ins Hertze dringen?

Ich weiß die Sinne fast nicht höher mehr zuschwingen /
Vnd habe wol mit fleiß gelesen jederzeit /
Was von der Liebe nur gefunden weit vnd breit /
Es hat mich aber nichts vermocht so sehr zuzwingen /

Der Grich Anacreon / der Sappho schön Gedicht /
Vnd auch Ovidius sind jhm zugleichen nicht /
Der künstlich Amadis ist nie so hoch gegangen.

Glückseelig ist die Hand / die diesen Brieff gemacht /
Glückseelig ich die Dint vnd auch die Feder acht /
Und mehr glückseelig mich / der ich jhn hab empfangen.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 199)
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Sonnet

DIe Liebe kränckt mein Hertz / der Krieg das Vatterland /
Der Krieg mit Haß vnd Zorn / die Liebe mit dem Bogen /
Die Liebe saugt mich auß / der Krieg hat ausgesogen
Vns vnd die Nachbarschafft mit Anstoß allerhand /

Die Liebe steckt mich an / der Krieg steckt Stätt in Brandt/
Die Lieb ist listiglich in mein Gemüth geflogen /
Mars hat durch falschen Schein das Vatterland betrogen /
Die Lieb ist blind / im Krieg ist offte nit Verstandt.

Es ist vnglücklich Volck die solche Herren ehren /
Die Liebe lohnt mit Leyd / der Krieg mit viel verhören /
Es pfleget beyderseits nit köstlich zuzugehn /

Begeb ich mich ins Feldt / Durst / Hunger mich begleitet /
Folg ich der Liebe nach / die Liebste mich bestreitet /
Es ist der beste Rath / ich lasse beydes stehn.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979)
(S. 197)
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An die Augen seiner Jungfrawen
Fast aus dem Holländischen

LEitsternen meines Haupts / vnd meiner jungen Zeit /
Die als Planeten sind gesetzet meinem Leben /
Ihr Augen / wann ich euch so freundlich sehe schweben
So bin ich als entzückt / vnd kenne gantz kein Leid:

Dann jhr beschliest in euch ein' hohe Liebligkeit /
Vnd lieblich' Hoheit; jhr / jhr könnt alleine geben
Genüge / rechte Lust: wornach wir Männer streben
Das habt jhr / O mein Liecht / vor allem weit vnd breit.

Natura selber liegt im Tunckeln fast begraben /
Vnd mangelt jhres Liechts / von wegen jhrer Gaben /
Die gantz versamlet sind in solcher engen statt;

Doch ist sie enge nicht / vnd kan sich weit ergiessen
Ja were groß genung fast alles einzuschliessen /
Weil sich mein' arme Seel' in jhr verirret hat.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 696)
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Einer Jungfrawen Klage vber nahendes Alter

ACh wo ist nun die Zeit / in der man pflag zu gleichen
Der Rosen schöner Zier mein' edele Gestalt?
Ja freylich bin ich so / nun ich bin graw vnd alt.
Eh' als der Sonnen Glantz die Rose kan erreichen

So muß sie durch die Lufft der Nacht zuvor verbleichen /
Vnd hat nur von dem Thaw ein wenig Vnterhalt:
So netzen mich jetzt auch die Threnen mannigfalt /
Weil ich die junge Zeit nun habe lassen schleichen.

Geht dann der Morgen an / so wird die Rose roth;
Ich werde Schamroth auch / gedenck ich an die Noth.
Doch hab' ich diesen Trost / daß gleich wie von den Winden

Die Rose / wann der Tag sich neigt / wird abgemeit /
So werd' auch ich / weil nun mein Abend nicht ist weit /
Kan ja es hier nicht seyn / doch Ruh' im Grabe finden.


Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 698)
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DV schöne Tyndaris / wer findet deines gleichen /
Vnd wolt' er hin vnd her das gantze Land durchziehn?
Dein' Augen trutzen wol den edelsten Rubin /
Vnd für den Lippen muß ein Türckis auch verbleichen /

Die Zähne kan kein Gold an hoher Farb' erreichen /
Der Mund ist Himmelweit / der Hals sticht Atstein hin:
Wo ich mein Vrtheil nur zu fellen würdig bin /
Alecto wird dir selbst des Haares halben weichen /

Der Venus Ehemann geht so gerade nicht /
Vnd auch der Venus Sohn hat kein solch scharff' Gesicht';
In summa / nichts mag dir vergliechen werden können:

Weil man dann denen auch die vns gleich nicht sind wol /
Geht es schon sawer ein / doch gutes gönnen soll /
So wüntsch' ich daß mein Feind dich möge lieb gewinnen.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 699)
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An seine Threnen
Aus dem Lateinischen Hugonis Grotij

IHr meiner Augen Bäch' / jhr angenehme Zehren /
Die jhr in Trawrigkeit mir alle Frewde bringt /
Glüchselig weret jhr / wann die so euch erzwingt /
Wie ich zu jhr mich / sie zu euch sich wolte kehren.

Nun aber / ob auch gleich der Regen wol kan wehren
Der höchsten Härtigkeit / vnd durch die Steine dringt /
Euch dennoch jhren Sinn zu beugen nicht gelingt /
Ob jhr ohn Vnterlaß gleich fliesset mit Beschweren /

So lasset mich doch nicht / so bleibet doch bei mir /
O jhr mein bester Trost / jhr heissen Liebes-threnen /
Vnd wann mein Hertz' vnd ich nach euch sich werden sehnen /

Laßt ewre Brünnelein ja fliessen für vnd für /
Biß mein Lieb sieht daß jhr mehr quellen könnet nicht /
Vnd mir die Seel' aus fehrt vor jhrem Angesicht.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 699-700)
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Auch aus jhm

MEin Lieb / so offte mir mein' arme krancke Sinnen
Dein himlisches vnd mein betrübtes Angesicht'
Entwerffen / wundert mich daß deiner Augen Liecht
Sich nicht erweichen leßt durch meiner Augen Rinnen.

Kan aber ich ja nicht dein' Huld vnd Gunst gewinnen /
Warumb ergeussest du den grossen Zorn doch nicht /
Daß ich durch seine Macht werd' endlich hingericht /
Auff daß mein' Augen dich auch nicht mehr sehen können?

Doch gleichwol / ob du schon sie gäntzlich würdest blenden /
Ob mein Gesichte gleich vertunckelt ganz vnd gar
Durch deiner Sonnen Glantz / so weis ich doch fürwar

Daß du je dennoch dich nicht gantz kanst von mir wenden /
Dieweil mein trewes Hertz' / ist schon das Antlitz blindt /
Dich allezeit in sich fest' einvorleibet findt.


Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 701)
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Zum theil aus dem Niederländischen

CVpido / so du bist nichts anders als ein Kind /
Wie kömpts daß ich von dir so vielmal sagen hören /
Daß Herrn vnd Könige dich Tag vnd Nacht hoch ehren?
Wie kömpts daß deine Hand so sehr viel vberwindt?

Cupido / bist du auch / wie man dich mahlet blindt /
Vnd die Poeten selbst / dein' eigne Diener / lehren /
Wie kanst du dann dein Reich so mächtiglich vermehren?
Wie daß dein Pfeil so recht mir in mein Hertze findt?

Nein / glaub' es wer da wil; du kanst mit deinen Händen
Der Menschen Stärck' vnd Krafft nach deinem Willen lenden:
Nein / nein / du bist ein Gott dem alles ist bekandt.

Triff auch der Liebsten Hertz' / vnd halt es für mich inne /
Daß sie mich / wie ich sie / auch wieder lieb gewinne /
So sag' ich / du brauchst recht dein Vrtheil vnd Verstandt.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 702)
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Francisci Petrarchae

ISt Liebe lauter nichts / wie daß sie mich entzündet?
Ist sie dann gleichwol was / wem ist jhr Thun bewust?
Ist sie auch gut vnd recht / wie bringt sie böse Lust?
Ist sie nicht gut / wie daß man Frewd' aus jhr empfindet?

Lieb' ich ohn allen Zwang / wie kan ich Schmertzen tragen?
Muß ich es thun / was hilfft's daß ich solch Trawren führ'?
Heb' ich es vngern an / wer dann befihlt es mir?
Thue ich es aber gern' / vmb was hab' ich zu klagen?

Ich wancke wie das Graß so von den kühlen Winden
Vmb Vesperzeit bald hin geneiget wird / bald her:
Ich walle wie ein Schiff das durch das wilde Meer

Von Wellen vmbgejagt nicht kan zu Rande finden.
Ich weis nicht was ich wil / ich wil nicht was ich weis:
Im Sommer ist mir kalt / im Winter ist mir heiß.


Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 703)
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Fast aus dem Griechischen

DV Biene / welche du zunechst den kühlen Flüssen
Den wolgeschmacken Klee vnnd güldner Rosen Zier
Hinweg zu rauben pflegst / vnd bringest so herfür
Das Honig dessen dann wir Menschen sehr geniessen:

Fleug hin zur Vandala / die ich sehr lasse grüssen /
Vnd sag' jhr in ein Ohr: derjene welche dir
Nun gantz ergeben ist / der wartet mit begiehr /
Vnd hoffet diese Nacht noch seine Lust zu büssen;

Du aber schläffest schon / vnd denckest nicht daran.
Zieh' hin vnd melde diß. doch schaw' auch daß jhr Mann
Nicht etwan werd' erwackt wann du es jhr wirst sagen.

Bringst du sie zu mir her / so soll des Löwen Haut
Den Hercules erschlug dir werden anvertrawt /
Ja seine Käule selbst die solst du künfftig tragen.


Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 711)
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ALs Momus gantz nicht kundt' an Venus etwas sehen
Das eines Tadels werth / weil jhre Zierligkeit
Weit vber alle war / vnd vber seinen Neid /
So hub er jhre Schue doch endlich an zu schmähen.

Wie wann sie barfuß gieng'? als damals soll geschehen
Nicht weit von Cypern seyn / da sie vor langer Zeit
Gewachsen aus der See. diß pflag man weit vnd breit
Von Momus vnd von jhr vorweilen zu verjähen.

Du weissest bessern Rath / gehst ausser aller List
Wie die Natur dich ziehrt / vnd wie du selber bist /
Hast vmb vnd an an dir nichts von der Kunst erbeten.

Ihr zarten Waden jhr / jhr Füß' als Helffenbein,
Ihr Schenckel weis vor Schnee / wie glückhafft kan ich seyn
Wann ich euch küssen mag; mehr wann jhr mich wolt treten.

Ita fere Epistola Philostratis amatoria.


Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 711-712)
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Aus dem Frantzösischen

IHr kalten Wasserbäch' / jhr Hölen vnd jhr Steine /
Ihr grünen Eichenbäum' / jhr schönsten in dem Wald' /
Ach höret / höret doch / wie seufftz' ich mannigfalt;
Schreibt auff mein Testament jhr vnbewohnten Haine;

Seyd Secretarien / wie hefftiglich ich weine /
Grabt's in die Rinden ein / auff daß es dergestalt
Wachs' jmmer fort wie jhr: ich aber sterbe bald /
Beraubet meiner selbst / vnnd ähnlich einem Scheine.

Ich sterb' aus Tyranney der schönen Grawsamkeit
Der Liebe die ohn sich vnd mich ist jederzeit /
Die als ein Tigerthier mein Blut hat saugen können.

Ihr Wälder / gute Nacht / vnd du / du grüne Lust /
Ihr / denen Venus Sohn vnd sie nicht ist bewust /
Die auch die Weisesten berauben jhrer Sinnen.


Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 712-713)
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AV weh! ich bin in tausend tausend Schmertzen
Vnd tausend noch! die Seufftzer sind vmbsunst
Herauff geholt; kein Anschlag / List noch Kunst
Verfengt bey jhr. wie wann im kühlen Mertzen

Der Schnee zugeht durch Krafft der Himmel-kertzen /
Vnd netzt das Feld; so feuchtet meine Brunst
Der Zehren Bach / die noch die minste Gunst
Nicht ausgebracht. mein' Augen sind dem Hertzen

Ein schädlich Gifft: das Dencken an mein Liecht
Macht daß ich jrr' / vnd weis mich selber nicht /
Macht daß ich bin gleich einem blossen Scheine /

Das kein Gelenck' vnd Gliedmaß weder Krafft
Noch Stärcke hat / die adern keinen Safft
Noch Blut nicht mehr / kein Marck nicht die Gebeine.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 713-714)
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Ich muß bekennen nur / wol tausend wündschen mir /
Vnnd tausend noch darzu / ich möchte die doch meiden
Die mein' Ergetzung ist / mein Trost / mein Weh vnd Leiden.
Doch macht mein starckes Hertz' / vnd jhre grosse Zier /

An welcher ich sie selbst dir / Venus / setze für /
Daß ich / so lang' ein Hirsch wird lieben Püsch' vnd Heiden /
So lange sich dein Sohn mit Threnen wird beweiden /
Wil ohne Wancken stehn / vnd halten vber jhr.

Kein menschlich weib hat nit solch gehn / solch stehn solch lachen /
Solch Reden / solche Tracht / solch Schlaffen vnd solch Wachen;
Kein Waldt / kein heller Fluß / kein hoher Berg / kein Grund/

Beherbrigt eine Nymph' an welcher solche Gaben
Zu schawen mögen seyn; die so schön Haar kan haben /
Solch' Augen als ein Stern / so einen roten Mund.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 714)
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Ihr / Himmel / Lufft vnd Wind / jhr Hügel voll von  Schatten /
Ihr Hainen / jhr Gepüsch' / vnd du / du edler Wein /
Ihr frischen Brunnen jhr so reich am Wasser seyn /
Ihr Wüsten die jhr stets müßt an der Sonnen braten /

Ihr durch den weissen Thaw bereifften schönen Saaten /
Ihr Hölen voller Moß / jhr auffgeritzten Stein' /
Ihr Felder welche ziert der zarten Blumen Schein /
Ihr Felsen wo die Reim' am besten mir gerathen /

Weil ich ja Flavien / das ich noch nie thun können /
Muß geben gute Nacht / vnd gleichwol Muth vnd Sinnen
Sich förchten allezeit / vnd weichen hinter sich /

So bitt' ich Himmel / Lüfft / Wind / Hügel / Hainen / Wälder /
Wein / Brunnen / Wüsteney / Saat / Hölen / Steine / Felder
Vnd Felsen sagt es jhr / sagt / sagt es jhr vor mich.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 715)
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Ich wil diß halbe mich / was wir den Cörper nennen /
Diß mein geringstes Theil / verzehren durch die Glut /
Wil wie Alcmenen Sohn mit vnverwandtem Muth'
Hier diese meine Last / den schnöden Leib / verbrennen /

Den Himmel auff zu gehn: mein Geist beginnt zu rennen
Auff etwas bessers zu. diß Fleisch / die Hand voll Blut /
Muß ausgetauschet seyn vor ein viel besser Gut /
Das sterbliche Vernunfft vnd Fleisch vnd Blut nicht kennen.

Mein Liecht entzünde mich mit deiner Augen Brunst /
Auff daß ich dieser Haut / des finstern Leibes Dunst /
Des Kerckers voller Wust vnd Grawens / werd' entnommen /

Vnd ledig / frey vnd loß / der Schwachheit abgethan /
Weit vber alle Lufft vnd Himmel fliegen kan
Die Schönheit an zu sehn von der die deine kommen.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 716)
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Inmitten Weh vnd Angst / in solchen schweren Zügen /
Dergleichen nie gehört / in einer solchen Zeit
Da Trew vnd Glauben stirbt / da Zwietracht / Grimm vnd Neidt
Voll blutiger Begiehr gehäufft zu Felde liegen

Da vnverfänglich ist Gericht' vnd Recht zu biegen /
Da Laster Tugend sind / wie bin ich doch so weit
In Thorheit eingesenckt? der Liebsten Freundligkeit /
Ihr blüendes Gesicht' / jhr angenehmes Kriegen /

Ihr Wesen / Thun vnnd Art / das ist es was ich mir
Bloß eingebildet hab' / vnd rühme für vnd für.
Solch Leid / solch Jammer sehn / vnd dennoch nichts als lieben?

Noch klügere dann ich schleußt man in Clausen ein.
Ihr Musen laßt mich gehn: es muß doch endlich seyn
Was anders oder ja gar nichts nicht mehr geschrieben.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 716-717)
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Ich gleiche nicht mit dir des weissen Mondens Liecht:
Der Monde fellt vnd steigt; du bleibst in einem Scheine:
Ja nicht die Sonne selbst: die Sonn' ist gantz gemeine /
Gemeien' auch ist jhr Glantz; du bist gemeine nicht.

Du zwingst durch Zucht den Neid / wie sehr er auff dich  sticht.
Ich mag kein Heuchler seyn / der bey mir selbst verneine
Das was ich jetzt gesagt: es gleichet sich dir keine /
Du bist dir ähnlich selbst; ein ander Bild gebricht

Das dir dich zeigen kan; du bist dein eigen Glücke /
Dein eigenes Gestirn / der Schönheit Meisterstücke.
Du hettest sollen seyn wie noch die Tugend war

Geehret als ein Gott / in der Welt ersten Jugend /
So were wol gewiß gewesen deine Tugend
Dir Kirch' vnd Opfferung / der Weyrauch vnd Altar.


Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 717)
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DV güldne Freyheit du / mein wündschen vnd begehren /
Wie wol doch were mir / im fall ich jederzeit'
Mein selber möchte seyn / vnd were gantz befreyt
Der Liebe die noch nie sich wollen von mir kehren /

Wiewol ich offte mich bedacht bin zu erwehren.
Doch / lieb' ich gleichwol nicht / so bin ich wie ein Scheit /
Ein Stock / vnd rawes Bley. die freye Dienstbarkeit /
Die sichere Gefahr / das tröstliche Beschweren /

Ermuntert meinen Geist / daß er sich höher schwingt
Als wo der Pöfel kreucht / vnd durch die Wolcken dringt /
Geflügelt mit Vernunfft vnd muthigen Gedancken.

Drumb geh' es wie es wil / vnd muß ich gleich darvon
So vberschreit' ich doch des Lebens enge Schrancken:
Der Name der mir folgt ist meiner Sorgen Lohn.


Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 718)
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EIn jeder spricht zu mir / dein Lieb ist nicht dergleichen
Wie du sie zwar beschreibst: ich weis es warlich nicht /
Ich bin fast nicht mehr klug; der scharffen Sinnen Liecht
Vermag gar kaum was weiß vnnd schwartz ist zu erreichen.

Der so im lieben noch was weis heraus zu streichen /
Durch vrtheil vnd verstandt / vnd kennt auch was gebricht /
Der liebet noch nicht recht. Wo war ist was man spricht /
So hat der welcher liebt der sinnen gar kein zeichen /

Vnd ist ein lauter Kind. Wer schönheit wehlen kan /
Vnd redet recht darvon / der ist ein weiser Mann.
Ich weis nicht wie ich doch die Fantasie gelose /

Vnd was die süsse sucht noch endlich aus mir macht:
Mein wissen ist dahin / der Tag der ist mir Nacht /
Vnd eine Distelblüt' ist eine schöne Rose.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 718-719)
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Sirenus im I. Buche der Verliebten Diane

ISt vnser Amor gleich an beiden Augen blindt /
So trifft er dennoch wol das mittel in dem Hertzen /
Vnnd fügt vns Wunden zu die mehr als Fewer schmertzen /
Vnd nichts nicht heilen kan. er ist zwar nur ein Kindt/

Doch daß der strenge Marß vnd seine Mutter sind
Gerhaten in die Pein kömpt bloß von seinem schertzen:
Er hat mir mein Gemüt' entzünd mit seiner Kertzen;
Er herrschet vber Erd' vnd vber Meer vnd Wind.

Wann wir den schwartzen Todt gleich sehn vor Augen  stehen/
Vnd sollen in den Wust des ärgsten Kerckers gehen/
Bringt doch die gegenwart der Lieb' vns fröligkeit:

Wann sie vns Menschen wohnt in vnsrer Seel' vnd Sinnen /
So schafft sie daß wir Noth vnd Pein verachten können /
Vnd ganz sind vber jhr vnd ihrer macht erfrewt.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band IV 2. Teil (1990) (S. 469)
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Aurelius eben daselbst

ICh selber bin stock blindt/ ich bin es / nicht die Liebe /
Der ich mich stürtz' in Pein ohn vrtheil vnnd verstandt:
Ich bin ein Kindt / nicht er; der ich diß harte bandt
Voll weinens / lachens / furcht' vnnd hoffnung' auff mich  schiebe.

Wir selbst entzünden vns / das sonst dem kleinen Diebe
Cupido allezeit von vns wird zuerkandt.
Solt' er geflügelt seyn? das billich vnser tandt
Vnd hochgefaßter Wahn selbselbsten von sich schriebe.

Kein Waffen hat die Lieb' vnd keine Pfeile nicht /
Als diese welche der dem Witz vnd Sinn gebricht
Ihm selber macht vnd giebt. ein Trawm der bald vergehet /

Vnd von Poeten kömpt die voller Windes sind;
Ein schein der eilends wird / vnd eilends auch zerrinnt.
Schaw' hier worinnen doch des Gottes thun bestehet?

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band IV 2. Teil (1990) (S. 469-470)
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Der Schäffer Herbanius daselbst

WEr recht Vernünfftig ist soll allzeit standthafft bleiben /
Soll haben vnverwandt ein Hertz' vnnd einen Sinn:
In einem Augenblick' ist alle Freyheit hin.
Die Tugendt / wo sie gantz ohn anstoß soll bekleiben /

Muß nimmer lassen sich vom mittelwege treiben:
Man sieht die Flamme stets nach hohen Spitzen ziehn /
Vnd vnsrer Amor ist der art von anbegin
Daß er an Hoffart sich pflegt allermeist zu reiben.

Ohn jhn lebt niemand nicht: er hatt mir weggerafft
Die Freyheit so ich hatt' vnd meines Lebens Krafft.
Geh' / Amor / wieder hin / geh' hin nur wie du kömpst:

Thue weg die heisse Glut durch die du mich entzündest /
Thue weg das harte Band mit welchem du mich bindest /
Den Bogen auch damit du mir das Leben nimpst.

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band IV 2. Teil (1990) (S. 470)
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Ein anderer Schäffer daselbst

WIe köndten mir doch mehr der Amor vnd das Glücke
Entzünden meinen Sinn? kein Mensch ist weit vnd breit
Der minder trawt als ich / vnd mehr in noth sich frewt;
Das macht nur bloß die Lieb' / vnd jhre weise tücke.

Ich sterb' vnd lebe doch: es sind jhr' alte stücke /
Bald giebet sie mir Trost / bald Angst vnd Hertzenleidt.
Ihr Augen / könnet jhr so eine lange Zeit
Noch tawren in der quall? geht kein mal dann zurücke

Die marter / oder leßt mich noch das Leben nicht?
O schmertzen / ist es dann / O Alcide / mein Liecht /
Dir viel zu wenig noch? mein lieben vnd mein hassen

Wie lange helt es mich in dieser grimmen pein?
Wann du mich hast von dir befreyet wollen seyn /
Warumb dann wilt du mich der Bande nicht erlassen?

Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band IV 2. Teil (1990) (S. 471)
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