Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Betty Paoli
(1814-1894)



Rest

Als uns'rer Seelen Aeolsharfensaiten
Vom Gotteshauch der Liebe laut erklangen,
Als uns're Geister glühend sich durchdrangen,
Nicht wahr, mein Freund! Das waren schöne Zeiten?

Das ist vorbei, und jene Seligkeiten,
Zu süß in ird'schem Gefild' zu prangen,
Sie sind in Nacht und Tod dahingegangen
Als ich dein schwankend Herz sah von mir gleiten.

Doch, ob auch liebeleer nun deine Brust;
Ein starkes Band wird ewig uns vermählen,
Im Innersten ist's trostvoll mir bewußt:

Denn ewig werden uns're düstern Seelen,
Gefall'nen Engeln ähnlich, von der Lust
Verlornen Edens trauernd sich erzählen.

Aus: Betty Paoli Neue Gedichte. 2. vermehrte Auflage
Pest Verlag von Gustav Heckenast 1856 (S. 148-149)
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Die beste Spende

Im kühnen Drang', den Himmel zu erzwingen,
Schwingt sich mein Herz zu dir, dem einzig Einen!
Heiß dürstet es nach ewigem Vereinen
Und weiß doch: nimmer wird es dich erringen.

O, selbst wenn deine Arme mich umschlingen,
Und uns're Augen Freudenthränen weinen,
Seh' plötzlich ich die Flammenschrift erscheinen:
»Den Tod nur wird dir diese Liebe bringen!« -

Den Tod? den Tod? o selige Verheißung!
So wird der tiefe Liebesbund nur enden
Mit dieses Daseins fröhlicher Zerreißung? -

Den Tod, den Tod von meiner Liebe Händen!
Was hat das Leben Schön'res zu erwerben,
Als solch ein herrlich und verklärend Sterben! -

Aus: Betty Paoli Neue Gedichte. 2. vermehrte Auflage
Pest Verlag von Gustav Heckenast 1856 (S. 104-105)
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Gedächtniß

Mit rauhem Wort hast du mein Herz versehrt,
Der gläub'gen Seele schlugst du Zweifelwunden,
Bis ich dem trüben Bündniß mich entwunden,
Das sich von Gram und Bitterkeit genährt.

Jetzt hat die Trennung Sanftmuth mich gelehrt,
Der früh're Groll ist nun von mir geschwunden,
Ich denke nur der ewig lichten Stunden,
Die uns zum Himmel diese Welt verklärt.

Vergessen hab' ich, daß du dem Gemüthe,
Deß liebvoll Streben war, sich dir zu einen,
Zerstört der Freude und der Hoffnung Blüthe:

Ich weiß nur mehr, wie ich voreinst an deinen
Entflammten Lippen wonneselig glühte -
Und wieder muß ich schmerzlich um dich weinen!

Aus: Nach dem Gewitter
Gedichte von Betty Paoli
Zweite um die Hälfte vermehrte Auflage
Pesth 1850 (S. 134)
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Zuflucht

Sie suchen rauh, mit feindlichen Gewalten,
Den frommen Geist der Liebe zu bezwingen;
Doch was sie wünschen, werden sie's vollbringen?
Nur brechen kann mein Herz, doch nicht erkalten!

Des Trennungsabgrunds schauerliche Spalten
Weiß der Gedanke rasch zu überspringen;
Es eilt mein Lied zu dir auf mächt'gen Schwingen,
Die sich im Sturm noch kräftiger entfalten.

O laß sie Müh' und Arbeit d'ran verschwenden,
Uns zu entreissen was der Herr uns gab!
Er kann ihr finst'res Werk zum Heile wenden.

Und bricht dereinst der letzte Hoffnungsstab
Auf rauhem Dornenpfad in unsern Händen:
So bleibt uns noch die Liebe und - das Grab!

Aus: Nach dem Gewitter
Gedichte von Betty Paoli
Zweite um die Hälfte vermehrte Auflage
Pesth 1850 (S. 130)
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Beruf

So hast du wieder dich, mein Herz, betrogen,
Andichtend kälterm Herzen dein Empfinden,
Und siehst nun trauernd und verzagend schwinden
Die schöne Hoffnung, die du groß gezogen.

Wie Noah's Taube warst du ausgeflogen,
Dich mit der Erde wieder zu verbinden;
Doch ach! da war kein Oelzweig aufzufinden,
Und finster braus'ten noch die kalten Wogen.

O gib es endlich auf, mit Gramgeberden
Nach dem zu streben, was nicht zu erlangen,
Weil es das Glück der Sel'gen wär' auf Erden!

Dein Loos, so lang die Welt dich hält gefangen,
Ist mehr zu lieben, als geliebt zu werden,
Und auszuspenden mehr, als zu empfangen!

Aus: Nach dem Gewitter
Gedichte von Betty Paoli
Zweite um die Hälfte vermehrte Auflage
Pesth 1850 (S. 135)
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Requiescat!

Was willst du mich mit frommem Trug bethören?
Was hältst du mich mit sanftem Arm umfangen?
Die Zeit der Liebe ist ja doch vergangen -
Was willst du ihr Gespenst heraufbeschwören?

Wir können uns nicht fürder angehören!
Mag glühend auch mein Herz nach dir verlangen,
Der Kuß, den Mitleid haucht auf meine Wangen,
NIcht trösten kann er mich, nein! nur empören.

Laß uns so kindisch, thöricht nicht verfahren
Wie jenes Volk, das kalten starren Leichen
Des Lebens Anschein suchte zu bewahren.

Wenn Liebe starb, was soll der Liebe Zeichen?
Ihr Herrlichstes, wir haben es erfahren,
Jetzt laß mich dir die Hand zum Abschied reichen.

Aus: Nach dem Gewitter
Gedichte von Betty Paoli
Zweite um die Hälfte vermehrte Auflage
Pesth 1850 (S. 137)
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