Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Gertrud Pfander
(1874-1898)



Drei Sonette

1. Schicksal
Ich weiß, es war vom Schicksal mir beschieden,
Daß einst zu dir mein Aug ich sollte kehren,
Und ich Unselige, wie konnt ich wehren,
Daß du mir raubtest kaum errungnen Frieden?

Tiefschmerzlich Glück ward seither mir hienieden,
Traumselig Elend will mein Hirn betören.
Ich muß dich suchen, muß die Sehnsucht mehren,
Wünscht auch die Welt, daß wir uns streng vermieden.

Könnt ich dich hassen nur, könnt ich dir grollen,
Daß du mich wider Willen hast entflammt . . .!
So aber muß ich wilde Glut dir zollen.

Muß fühlen, was mein Mädchenstolz verdammt,
Muß lieben, wo ich hätte hassen sollen, -
Maßloses Weh, das solchem Streit entstammt!


2. Liebesmacht
Und türmt sich himmelhoch die Bitterkeit,
Und ob mich alle, alle mißverstehn,
Dir nach, mein Lieb, will unentwegt ich gehn,
Dein zaubermächtiger Blick hat mich gefeit.

Hohn auf die Mädchenwelt, die nicht verzeiht,
Hohn dieser Art, mit der sie nach mir sehn!
In dir, mein Lieb, will unentwegt ich stehn,
Ob auch der Sturm mich faßt, ich bin gefeit.

Und flöss' der Becher voll des Gifts, des herben,
Und droht mir Untergang und jäh Verderben,
Wie selig wär's, um deinetwillen sterben!

Dir an die Brust, dem ich mich gab zu eigen,
Wollt mein ermüdet Haupt ich wortlos neigen,
Bis uns umschläng' barmherzigen Todes Schweigen.


3. Licht
Wir zaudern, wo ein Gott uns Rettung fand
So glückumwoben und so glanzumlichtet?
Nun hat mein bangend Herz sich aufgerichtet.
Den Vorhang heb ich auf mit zager Hand.

Und würd uns hier im düstern Abendland
Jedwedes Glück durch Vorurteil vernichtet:
O weißt du noch, wie du mir oft berichtet
Von jenem fernen, zauberischen Strand?

Wo ungekühlt glutfarbne Sonne loht,
Wo nimmermehr uns bittre Trennung droht,
Wo friedevoll die heiligen Palmen winken,

Dorthin, Geliebter, lass' uns gläubig ziehn,
Dort will ich glückdurchschüttert auf den Knien
Maßlose Wonn' aus deinem Antlitz trinken.



Aus: Helldunkel Gedichte und Bekenntnisse
von Gertrud Pfander
Mit einer biographischen Einleitung
herausgegeben von Karl Henckell
Der "Passifloren" zweite vermehrte Auflage
Bern Verlag von A. Francke 1908 (S. 110-112)

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