Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Karl Reinhard
(1769-1840)



An die Ilse
Sonett

Dahin, wo deine reinen Silberwellen,
O Ilsebach, mit süssem Sprudelklang
Das Thal, worin Elisa wohnt, entlang
In holden Zauber-Melodieen quellen;

Da, wo zuerst an deinen Wasserfällen
Der Schönsten Blick allmächtig mich durchdrang,
Wo ich zuerst dir meine Hoffnung sang
Und meinen Schmerz an ihren Lieblingsstellen:

Dahin, o heil'ges Angedenken! trägt
Noch stündlich mich der Phantasieen Flügel.
Dann seh' ich noch, wie deiner Welle Spiegel

Von meinen stillen Thränen sich bewegt,
Und wie sie froher an den Blumenhügel
Bei deinem Nahmen, o Elisa, schlägt.
(S. 69)
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Der offene Himmel
An Elisa
Sonett

O selig, wann mein Herz, von Lieb' erglühet,
Mit heisser Inbrunst an das deine fliegt,
Und, deine Brust an meine Brust geschmiegt
Mich rund und fest dein Lilienarm umziehet;

Wann hoch entzückt mein trunknes Auge siehet,
Wie sich dein Busen auf und nieder wiegt,
Wie vor mir da der Rosengarten liegt,
Der weiss und roth auf deinen Wangen blühet:

Dann schwindet Alles rund um mich in Nacht;
Ich fühle, wie die Sinne mir vergehen,
Und glaube schon den schönen Tod zu sehen.

Schon fühl' ich mich zum neuen Seyn erwacht,
Und schaue hell den Himmel offen stehen,
Den Himmel, der in deinen Augen lacht!
(S. 71)
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Die Eine
Sonett

In welcher Phantasie, in welchem Götterhain
Erschien das Ideal, von welchem Form und Leben
Die Meisterinn Natur an Laura's Bild vergeben,
Um hier Beweis, was sie dort oben kann, zu seyn?

Wo liessen je im Waldgebüsch, am Wiesenrain
Ein Haar so golden und so zart die Nymphen schweben?
Wo wallt die Brust, die so viel Tugenden erheben? -
Und Alles, Alles das zu meiner Todespein!

Der ist noch nicht zum Reitz der Götterwelt verwöhnet,
Der sie nicht sah, der Augen holde Liebespracht,
Und wie ihr Lebensstrahl der Sonne Licht verhöhnet.

Er weiss nicht, wie die Liebe heilt und elend macht,
Der es nicht weiss, wie süss ihr stiller Seufzer tönet,
Wie süss sie koset, und wie süss die Eine lacht!
(S. 79)
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Trennung
Sonett

Stunden dehnen sich zu Ewigkeiten,
Die mir sonst im Nu mit ihr entflohn.
Und die Sehnsucht und der Schmerz begleiten
Mich durch tausend Ewigkeiten schon!

O, wann kehren jene goldnen Zeiten,
Die mir wieder auf der Liebe Thron
Alle Opfer reicher Huld bereiten,
Und des treuen Dienstes neuen Lohn?

Süsse Hoffnung, neu den Lohn zu finden,
Lass mich fest um deinen Arm mich winden,
Und mit dir Minuten glücklich seyn!

Wiege du das Herz zum Frieden ein.
Lass das Bild der Gegenwart verschwinden,
Und die Zukunft bleibe mir allein!
(S. 84)
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Wiedersehen
Sonett

O süsser Wonnetraum vom Wiedersehen,
Verlass der Freude schönes Feenland,
Umschmeichle meine Stirn, wie Frühlingswehen,
Und führe mich an jenes Baches Rand,

Wo meiner Liebe erstes, leises Flehen
Sich aus dem hochgeschwellten Busen wand,
Und ich zuerst es wagte, zu gestehen,
Was lang' und still für sie mein Herz empfand.

Dort lass mich ihr nach bittern Trennungstagen
Der Liebe thränenwerthes Missgeschick,
Und meiner Seele heisse Schmerzen klagen.

Ich weiss, Elisa lässt mich nicht verzagen.
Ein Druck der Hand, ein himmelvoller Blick
Gibt mir den Muth, den sie mir nahm, zurück.
(S. 85)
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An Karla
Sonett

Ich liebe dich! Wie soll diess Herz es hehlen?
Es lebt nur noch in deinem Sonnenlicht!
Ich würde länger noch mich sprachlos quälen,
Und doch verschwieg' ich das Verbrechen nicht.

Vermöcht' ich auch, mit Worten nicht zu fehlen,
Sind denn diess Ach, die Thrän' im Angesicht,
Die Seufzer, die sich meiner Brust entstehlen,
Nicht auch ein Hochverrath an deiner Pflicht?

Du wirst sie selbst an dem Verräther rächen!
Sieh, er gesteht die Sünde knieend ein.
Er büsst verdient; doch kann er nichts bereun!

Dein Blick wird ihm das Todesurtheil sprechen.
Und darfst du Gnade nicht für Recht verleihn,
So fleht er nur, ihm bald den Stab zu brechen!
(S. 128)
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Entschluss
Sonett

Ich will sie fliehn; mit Sinnen und Gedanken
Will ich aus ihrem Zauberkreise fliehn!
Ich darf nicht mehr in ihren Fesseln knien;
Hinweg, hinweg aus diesen Sclavenschranken!

Wie werd' ich los von ihren Buhlerranken,
Die fester mich und fester mich umziehn?
Soll ich zu Asche von dem Kelche glühn,
Den Tausend schon mit ihrem Gifte tranken?

Wer spricht mich von des Weibes Zauber ab?
Wer mag, wer kann mich von dem Banne lösen?
Wer hat, wer hat der Kräfte Meisterstab?

Ihr Geister all, ihr guten und ihr bösen,
Wer lehrt mich einen Spruch aus eurer Welt,
Vor dem die Kunst der Gauklerinn zerfällt?
(S. 129)
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Aus: Gedichte von Karl Reinhard
Neue Ausgabe Altona
Bei Johann Friedrich Hammerich 1819



 

 

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