Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Ferdinand Sauter
(1804-1854)



Süße Ahnung

Ich trug im Herzen längst ein stilles Träumen,
Zu finden eine gleichgestimmte Seele,
Die liebend mit der meinen sich vermähle:
Ich fand sie nicht in dieser Erde Räumen!

Da sah ich dich - du kamst nach langem Säumen -
Und fühlte - ob's mir fromme, ob's dich quäle,
Unmöglich scheint es, daß ich dir's verhehle, -
Der Liebe Rosenflor im Busen keimen.

Du weißt es gut, du bist die Frühlingssonne,
Die solchen Keim zur Blüte kann entfalten;
Sei nur so freundlich, mild ihn zu bescheinen.

O schon die Ahnung füllt mein Herz mit Wonne,
Und wie mir Lust und Qual die Seele spalten,
Muß ich der Freude süße Thränen weinen!
(S. 154)
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Liebe

Auch ich empfand in wonniglichen Stunden
Der Liebe tiefgefühlte Seelenfreude;
Die ganze Welt erglänzt' im Frühlingskleide,
Und Tage wurden flüchtige Secunden.

Von süßen Banden fühlt' ich mich gebunden,
Verschloß mein Ohr der Menschen Haß und Neide,
Und wähnte, daß mein Lieb und ich, wir beide
Des Lebens Glück alleinig nur empfunden.

Da streute Groll und Zwietracht bösen Samen,
Und mächtig lösten sich die festen Schlingen,
Die uns so selig froh verbunden hatten.

Wir löschten aus im Herzen unsre Namen,
Die Pfänder tauschend, die wir einst empfingen,
Und wurden Feinde statt beglückte Gatten.
(S. 155)
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Henriette

1.
Als jüngst mein Aug' erblickte Henrietten,
Da wurden locker der Besinnung Quadern,
Glutströme quollen rings durch meine Adern,
So wie sie qualmen in des Aetna Betten.

Wer schmachten dürft' in ihren Blumenketten,
Er sollte nimmer mit dem Leben hadern;
Von solcher Reize stürmenden Geschwadern
Kann dich, o Freund, nur schnelle Flucht erretten.

Mairosenbeete blüh'n auf ihren Wangen,
Aus deren Grübchen Amoretten scherzen,
Und Nelken glühen auf den frischen Lippen.

O selig, wer von solchem Reiz umfangen,
Vergessend aller Qualen, aller Schmerzen,
Darf weltentrückt der Liebe Nektar nippen!


2.
Du bist von jedem Zauberreiz umflossen,
Sowie vom Maienhauch der duft'ge Flieder,
Der Schönheit Wellen fließen auf und nieder,
Von meiner Sehnsucht Flammenblick umschlossen.

Da liegst du, auf das Sopha hingegossen,
Die Lilienkeime sprengen schier dein Mieder;
Die Demantpfeile deiner Augenlider,
Sie haben meiner Ruhe Rest erschossen.

Hinweg aus diesem märchenhaften Kreise,
Wo tausend Qualen durch die Glieder wühlen,
Hinaus ins Freie, wo die Sterne leuchten.

Durchirrend ferner Fluren Furchengleise,
Will ich in Feld und Wald, den nebelfeuchten,
Der Sinne wilde Lavagluten kühlen.
(S. 159-160)
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Aus: Gedichte von Ferdinand Sauter
Mit des Dichters Lebensskizze
aus dem Nachlasse herausgegeben
von Julius von der Traun
Wien Verlag von Tendler und Comp. 1855



 

 

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