Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Sibylle Schwarz
(1621-1638)



Ach / Amor / nimb dein schwäres Joch von mir /
kans müglich seyn / nimb wegk die Liebes Plagen /
dein Joch ist schwer / drümb kan ichs nicht mehr tragen /
du bist zu süß / drümb klag ich über dir.

Nimb wegk die Last / sie unterdruckt mich schier:
was sol ich doch vohn deinen Pillen sagen /
die bitter sind / und doch mir wohl behagen?
Ich steh und geh im Zweiffel für und für:

wo sol ich hin? Im fall ich bin allein
so denck ich nuhr: Ach möcht ich bey Ihr seyn!

bin ich bey Ihr / so steht mir vohr das Scheiden;
liebt sie mich dan / das ich so sehr begehr /
so ist mir doch die Süßigkeit zu schwär;
Ich will den Tod wohl für die Liebe leiden.
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Cloris / deine rohte Wangen /
deiner Augen helles Licht /
und dein Purpurangesicht
hält mich nuhn nicht mehr gefangen.

Ich kan nicht mehr an dir hangen /
weil du dich erbarmest nicht /
ob mir schon mein Hertze bricht;
deiner schnöden Hoffart Prangen /

und dein hönisches Gemüht
krencket mir mein jung Geblüht /

daß ich dich wil gerne meiden /
wan mich meine Galate /
die mir macht dis süße Weh /
wil in ihren Diensten leiden.
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Die Lieb' ist billich ja in allem keusch zu schätzen /
sie ist das Guhte selbst; wer ihr sich gantz ergiebt /
der wird geliebt / und liebt / der liebt und wird geliebt /
er kan sich ewiglich mit süßer Lust ergetzen /

zu letzt entkompt er auch des Todes grimmen Netzen /
und lebt noch einst so lang / er wird gahr nicht betrübt /
weil er die Frewde hat; im fall er Lieben übt /
kan ihn das Unglück auch zu keiner Zeit verletzen /

er lebt in wahrer Ruh / in stehter Einigkeit /
darff nicht zu Felde ziehn / er führt den süßen Streit.

Wem wil dan nicht dis Tuhn / diß süße Tuhn gefallen /
das uns wie Brodt ernehrt? der muß ein Unmensch seyn /
der stirbet / weil er lebt / er ist ein Klotz und Stein /
er ist ein höltzern Bild / sein Hertz ist vohn Metallen.
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Die Lieb ist blind / und gleichwohl kan sie sehen /
hat ein Gesicht / und ist doch stahrenblind /
sie nennt sich groß / und ist ein kleines Kind /
ist wohl zu Fuß / und kan dannoch nicht gehen.

Doch diss muß man auff ander' art verstehen:
sie kan nicht sehn / weil ihr Verstand zerrint /
und weil das Aug des Herzens ihr verschwindt /
so siht sie selbst nicht / was ihr ist geschehen.

Das / was sie liebt / hat keinen Mangel nicht /
wie wohl ihm mehr / als andern / offt gebricht.

Das / was sie liebt / kan ohn Gebrechen leben;
doch weil man hier ohn Fehler nichtes find /
so schließ ich fort: Die Lieb ist sehend blind:
sie siht selbst nicht / und kans Gesichte geben.
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Sonnet
(Daphne aus der Schäfererzählung: Faunus)

Hier hab ich nun mein sehnliches Verlangen:
hier liegt mein Lieb / hier ligt mein ander ich:
hier giebt das Glück sich selbst gefangen mich:
hier mag ich nun mein Lieb vielmahl umfangen:
hier mag ich nun auch küssen seine Wangen:
Cupido hört mein Klagen inniglich /
und wil nun auch so hülffreich zeigen sich;
Nun mag ich wohl mit meinem Glücke prangen;
die Venus zeigt mir iezt ein guhtes Ziel /
ich wil nur selbst / nicht was ich gerne wil;
O Blödigkeit / du must nur von mir weichen!
weil du hir bist / wärt meine grosse Pein;
Wer lieben wil /mus nicht so blöde seyn /
sonst kan er nicht der Liebe Lohn erreichen.

[Blödigkeit bedeutet Schüchternheit]
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Ist Lieb ein Feur / und kan das Eisen schmiegen /
bin ich voll Feur / und voller Liebes Pein /
wohrvohn mag doch der Liebsten Hertze seyn?
wans eisern wär / so würd eß mir erliegen /

wans gülden wär / so würd ichs können biegen
durch meine Gluht; solls aber fleischern seyn /
so schließ ich fort: Eß ist ein fleischern Stein:
doch kan mich nicht ein Stein / wie sie / betriegen.

Ists dan wie Frost / wie kalter Schnee und Eiß /
wie presst sie dann auß mir den Liebesschweiß?

Mich deucht: Ihr Herz ist wie die Loorberblätter /
die nicht berührt ein starcker Donnerkeil /
sie / sie verlacht / Cupido / deine Pfeil;
und ist befreyt für deinem Donnerwetter.
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Ist Lieben keusch? wo kompt denn Ehbruch her?
Ist Lieben guht / nichts böses drinn zu finden /
wie kann sein Feur dan so gahr viel entzünden?
Ist Lieben Lust / wer bringt dan das Beschwär?

Wer Lieben liebt / fährt auff der Wollust Meer /
und lässet sich ins Todes Netze binden /
das nicht zerreist / er lebet nuhr den Sünden /
liebt Eitelkeit / und ist der Tugend leer.

Das ewig lebt / dem stirbt er gäntzlich ab /
sieht seine Noht erst / wan er siht sein Grab.

Wer dan nuhn wird in Liebes Brunst gefunden /
der fliehe bald / und hasse / die er liebt;
ist Lieb ihm süß? so werd er drümb betrübt;
ist sie sein Brodt? so geb er sie den Hunden.
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Itzt will ich in den Wald / und mit Dianen jagen!
Ich lieb' / und das ich lieb / gefält mir selber nicht;
dann Lieb' ist solch ein Tuhn / das alles guhte bricht /
mein Elend ist zu groß; Ich muß mich damit plagen /

das mein Gewissen krenckt / und stets Verlangen tragen
nach dem / das mir nicht wird: die böse Liebes Gicht /
die grimme Tobessucht / hat mich so zugericht /
daß ich nicht ich mehr bin; Itzt will ich ihr entsagen /

so viel ich immer kan / dan ungegründte Trew
läst nimmer friedsam seyn / und bringt zu späte Rew;

Sie ist ein fressend Fewr / und frisst sich nimmer satt /
ist blind / ist Wind / und brent / ist ein Verderb der Jugend /
sie ist ein guhtes Bös' und lasterhaffte Tugend;
doch sey sie / wie sie wol / mich macht sie faul und matt.
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Liebe schont der Götter nicht /
sie kan alles überwinden /
sie kan alle Herzen binden /
durch der Augen klahres Licht.

Selbst des Phebus Hertze bricht /
seine Klahrheit muß verschwinden /
er kan keine Ruhe finden /
weil der Pfeil noch in ihm sticht.

Jupiter ist selbst gebunden /
Hercules ist überwunden
durch die bittersüsse Pein;

wie dan können doch die Herzen
bloßer Menschen dieser Schmerzen
gantz und gahr entübrigt seyn?
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 Lieben ist nicht müßig stehen /
Lieben lauffet Tag und Nacht;
ein verliebet Herze kracht /
und wil fast vohr Müh vergehen.

Liebe wird nicht faul gesehen /
Lieb' ist / wen sie schläfft und wacht /
auff der Liebsten Gunst bedacht /
sie läst alle Winde wehen /

nichts mag ihr beschwärlich seyn
als die schwäre Liebespein;

Lieben kan man Mühe nennen /
Amor ist ein feurig Joch /
und zu weilen laulecht doch /
sonsten würd eß viel verbrennen.
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Mein Alles ist dahin / mein Trost in Lust und Leiden /
mein ander Ich ist fort / mein Leben / meine Zier /
mein liebstes auff der Welt ist wegk / ist schon vohn hier.
(die Lieb' ist bitter zwahr / viel bittrer ist das Scheiden)

Ich kan nicht vohn dir seyn / ich kan dich gantz nicht meiden /
O liebste Dorile! Ich bin nicht mehr bey mir /
Ich bin nicht der ich bin / nuhn ich nicht bin bey dir.
Ihr Stunden lauft doch fort / wolt ihr mich auch noch neiden?

Ey Phoebus halte doch die schnelle Hengste nicht!
fort / fort / ihr Tage fort / komb bald du Monden Licht!

Ein Tag ist mir ein Jahr / in dem ich nicht kan sehen
mein ander Sonnenlicht! fort / fort / du faule Zeit /
spann doch die Segel auff / und bring mein Lieb noch heut /
und wan sie hier dan ist / so magstu langsam gehen.
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O möcht ich itzt doch schön vohn deiner Schönheit singen!
O Edle halb Göttin! dann deine hohe Zier
scheint wie der Sonnen Licht / und nimpt mich selber mir.
Ich wil dein hohes Lob ans Dach des Himmels bringen /

da soltu durch den Neid und alle Missgunst dringen.
Dein schöner Augenglantz bricht wie die Sonn herfür /
dein Purpur Angesicht / und was noch sonst bey dir /
ist Göttlich üm und an / du kanst die Hertzen zwingen.

Dein Mund ist Rosenroht / die Brust Albasterstein /
du magst / O Galate / die andre Venus seyn /

das zeuget deine Zier / dein lieblich Sehn / dein Lachen /
du bist der Nimphen Zier; ein Weib / das einen Mann
so bald er sie anschawt / mit Liebe tödten kan /
ist deiner Schönheit Licht noch nicht einst gleich zu machen.
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Wan alle Buhler doch nuhr hetten einen Fluht /
so würde Venus nicht so ungleich ihnen schencken
der süssen Liebe Lohn; sie würde noch gedencken /
was hertzlich lieben sey. Weil nuhn der dieses thut /

der ander aber das / der eine wagt sein Bluht /
der ander tuht es nicht / der eine wil sich lencken
zuhr Hoffnung und Gedult / und jener wil sich hencken /
so lohnt sie nach Verdienst: den trewen ist sie guht /

den falschen ist sie falsch / wie kan sieß anderst machen?
weil dieser klagt und weint / und jener pflegt zu lachen.

Ich bin vohm Lieben kalt / und brenn doch als ein Licht /
dan dis ist mein Gebrauch: Ich halte meine Schmertzen
nuhr still / und sage nicht fort alles auß dem Hertzen /
was wohl dahrinnen ist; Ich lieb und lieb auch nicht.
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Wans fragen gelten solt / so möcht ich billich fragen:
wer bringet mir mein Leid? wo rührt mein Lieben her?
mein Lieben / das mir ist ein liebliches Beschwär:
Cupido / bringest du mein Herz in solche Plagen?

so wil ich über dich und deinen Bogen klagen;
kompt aber dis mein Feur mir etwan ungefehr /
hat derer Tugend schuld / die da ist mein begehr /
wie kan ich doch alsdan vohn Venus Rencken sagen?

Ist Amor nicht so starck / daß er mein Hertze rührt /
so hat die Charitas mich an dis Joch geführt.

Mein Lieben hat die Art der Buhler angenommen /
drümb bringt eß Amor auch; doch das wil mir nicht ein /
weil ich und du / mein Lieb / nuhr guhte Freunde seyn /
wo doch sey immermehr die Freundschafft hergekommen?
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Wie kan der Liebe Joch doch süß und lieblich seyn /
weil manches Herze pflegt vohn ihren Schmertzen sagen /
und über ihre Last / und tieffe Wunden klagen?
wie ist dan süße das / das allen bringet Pein /

das wie ein starckes Gifft die Hertzen nimmet ein /
das manchen Helden würgt / ihr vihl auch heist verzagen?
wie kan uns das alsdan doch Frewd und Lust erjagen?
Nein / nein / der Liebe Tranck ist bitter Wermuhtwein.

Doch gleichwohl ist sie süß / weil vielen wird gegeben /
durch ihre Süßigkeit / ein angenehmes Leben.

Drüm / schließ ich / ist die Lieb ein angenehmes Leid;
(wiewohl eß selten kompt / daß wiedrig' Eigenschafften
an einem Dinge nuhr zu gleiche können hafften)
die Liebe heisst und ist die süße Bitterkeit.
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Aus: Sibylle Schwarz: Deutsche Poëtische Gedichte.
Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1650.
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Helmut W. Ziefle.
Bern/ Frankfurt a. M./ Las Vegas: Lang 1980 [ohne Seitennumerierung]


 

 

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