"Im wunderschönen Monat Mai . . ."


Mai - Liebesgedichte


deutscher Dichter und Dichterinnen

(Autoren P-Z)





 





Robert Prutz
(1816-1872)


Mai

I.
Ja wohl, nun wird's noch einmal Mai,
Die Vögel singen wieder,
Und aus der Seele, kühn und frei,
Erblühen neue Lieder;
Die sollen sich vor deinen Fuß
Wie junge Blumen breiten,
Und sollen leise wie ein Kuß
In deine Seele gleiten.

Wohl war es eine schwere Zeit,
Die Du und ich erduldet,
Viel Unrecht hab' ich, vieles Leid
Ertragen und verschuldet.
Nun aber, da, ein Stern bei Nacht,
Dein Auge neu mir lächelt,
Nun fühl' ich, wie mit Jugendmacht
Genesung mich umfächelt.

Bedenk' es wohl: du bist das Licht,
Zu dem mein Blick sich wendet,
Es ist dein liebes Angesicht,
Das Trost und Kraft mir spendet;
In deinen Adern schäumt das Blut,
Von welchem ich mich nähre,
Aus deinem Busen quillt die Glut,
In der ich mich verzehre.

So zieh' noch einmal, kühn und frei,
Mich an dein Herz, das treue,
Daß unsers Lebens Wonnemai
Noch einmal sich erneue!
Schon fühl' ich, wie die Seele mir
Von neuen Liedern sprühet,
Und seh', wie Mund und Wange dir
Von neuen Küssen glühet!


II.
O Frühlingsluft, o Maienwinde,
O Sommerhimmel licht und klar,
Wie sprengt ihr endlich nun die Rinde,
Von der mein Herz umschlossen war!
Und wie der Erde junge Säfte
Aus tausend Quellen schäumend sprühn,
So schäumen meines Geistes Kräfte
Und wollen frisch in Thaten blühn.

Wohl war's im Winter öd' und strenge,
Die liebe Sonne war verbannt;
Inmitten einer kalten Menge,
Wie stand ich einsam, unerkannt!
Nach offnen Seelen, warmen Herzen
Verlangend sucht' ich rings im Kreis,
Doch alles steinern, alles erzen –
Da ward auch meines starr wie Eis.

Nun aber, da mit stolzem Prangen,
Geführt von milder Götter Gunst,
Ein neuer Lenz mir aufgegangen,
Der Lenz der Liebe und der Kunst;
Nun kenn' ich fürder kein Ermatten,
Nicht ängstigt mich der Tage Flucht,
Denn sieh, schon reift in Blätterschatten
Die köstliche, die Lebensfrucht!

Aus: Robert Prutz Buch der Liebe
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1869 (S. 271-273)
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Alberta von Puttkamer
(1849-1923)


Begegnung im Mai

Das war wohl im Mai, da zum letzten Mal
Wir Beide begegnend uns trafen.
Der knospende Park und der Bergessee
Lag blitzend im Sternlicht entschlafen.

Feldüber verloren die Wege sich
In leuchtend verschlungene Kreise -
Du zogest mich wortlos mit dir dahin
Und athmetest glühend und leise.

Die Träume von Glück sind ja lange todt -
Was kommst du von draußen wieder,
Und hebst vom gestorbenen, dunklen Blick
So geisterhaft weit deine Lider?

Von fern hallt Musik - wie ein banger Ruf
Zurück zu den seligen Zeiten ...
Ach, daß wir uns gluthend dereinst geliebt,
Das liegt nun in dämmernden Weiten.

O küsse mich nicht! denn ich trinke Leid
Vom Munde dir nur, von dem rothen!
Laß ab! denn es ist ja so jammervoll,
Vom Schlafe zu rufen die Todten.

Du sprachest: "Und weißt du nicht, blasse Frau,
Daß Nächtens Begrabne erwachen?
Und daß dann die armen Vergessenen hell
Und selig wie ehemals lachen?"

Mir graut' es - das Sternenlicht zittert fahl
Und flimmernd ringsum an den Büschen -
Der weiße Hollunderbaum duftet schwül -
Die Nachtigall schluchzte dazwischen ...

Lautaufweinend schlug ich den Arm um dich
Und flehte dich jammernd zu gehen.
Du seufztest tief auf - und der Wind begann
Uns schaurig und laut zu umwehen.

Weit vor uns da seh' ich aus Dämmerniß
Zwei mondhelle Waldpfade blinken -
Du gehe zur Rechten und wende dich nicht -
Ich wandere weinend zur Linken ...

Aus: Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Leipzig 1885 (S. 45-46)
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Alberta von Puttkamer
(1849-1923)


Mai des Glücks

Draußen rüttelt an dem starken Riegel,
Rüttelt an der Pforte Früh-Lenzwind,
Als entriß er heimlich gern das Siegel
Von den Wundern, die verschlossen sind.

Spiele mit den Wolken, flieg durch Sterne,
Küsse die erwachenden Syringen,
Strebe in die sehnsuchtoffne Ferne
Jauchzend auf den lieben Maienschwingen;

Rede mit den jungen Nachtigallen, -
Hörst du sie aus Knospenhecken dort?
Juble, klage, sing mit allen, allen,
Aber geh vorbei an diesem Ort!

Denn auf deinen zartbewegten Flügeln
Trägst du den befreiten Lenz zu jenen,
Die vom Garten bis zu fernsten Hügeln
Sich nach seiner reichen Jugend sehnen;

Aber hier und heut, in diesen Räumen
Steht das Leben selbst in hohem Mai.
Machen Glut und Sehnsucht alles Träumen
Aus den knospenengen Hüllen frei.

Glüht dein Mund, mein Lieb, nicht gleich den Rosen?
Duftet nicht dein Atem wie Narzissen?
Ist dein Lieben nicht wie Lenzestosen,
Das dem Winter: Leid, sich warm entrissen?

Zeichnet Leidenschaft dir auf die Stirne
Nicht so junge, wundersame Glut,
Wie sie auf der stolzen Bergesfirne
Nur im Frühelicht des Lenzes ruht?

Und die Knospen aufgehn, wenn ein lauer
Maienregen über Nacht geflossen,
Hat mein Herz sich nicht im Thränenschauer,
Wie die Märchenblume dir erschlossen?

Aus: Offenbarungen. Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Stuttgart 1894 (S. 68-69)
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Karl Reinhard
(1769-1840)


Im Mai

Kühler wehn die Abendlüfte,
Von dem Hauch der Wiesendüfte
Und der Äpfelblüten schwer.
Leise Zephyrschwärme kräuseln
Diese Wellen. Linden säuseln
Schaurig über mir daher.

Einsam lausch' ich, Philomele,
Deiner Klage; meine Seele
Spricht die Klagelieder nach.
Seufzest du nach der Geliebten?
Fliehe! Wecke dem Betrübten
Nicht die eignen Schmerzen wach!

Aus: Gedichte von Karl Reinhard
Neue Ausgabe Altona
Bei Johann Friedrich Hammerich 1819 (S. 9)
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Karl Reinhard
(1769-1840)


Mailied

Lämmer springen
Um den Quell.
Vögel singen
Süss und hell.

Durch die Auen
Spielt der Bach
Kleinen blauen
Blümchen nach.

Flöten schallen
Silberrein,
Und verhallen
Durch den Hain.

Alle Wesen
Athmen frei,
Sind genesen
Durch den Mai.

Und erheben
Amor's Zeit
Durch ein Leben,
Ihm geweiht.

Herzen tauschen
Ihre Qual.
Küsse rauschen
Ohne Zahl.

Unter Rosen
Tief versteckt,
Wird das Kosen
Nicht entdeckt.


Aus: Gedichte von Karl Reinhard
Neue Ausgabe Altona
Bei Johann Friedrich Hammerich 1819 (S. 22-23)

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Karl Reinhard
(1769-1840)


Der Traum der Mainacht

Des Maimonds Fülle
Umfing so rein
In hehrer Stille
Den Blüthenhain.

Von Nachtigallen
Wurd' allgemach
Ein Chor in allen
Gebüschen wach.

Es schwamm so milde,
So licht und blau
Das Lenzgefilde
Im Abendthau.

Und jeder Hügel,
Und jeder Strauch
Stand in dem Spiegel
Des Baches auch.

Die Sterne schienen
So klar am Hag,
Wo ich im Grünen
Voll Kummer lag.

Mit meinem Kummer
Allein, allein. -
Da wiegt' in Schlummer
Die Nacht mich ein.

Und hauchte Frieden
Und süsse Ruh'
Dem Lebensmüden
Mitleidig zu.

Der Schlummer drückte
Mein Auge kaum,
Ach! da entzückte
Mich hold ein Traum.

Ich ging am hellen
Verschwiegnen Bach
Den Silberwellen
Durch Blumen nach.

Ein Meer von Düften
Und Blüthenthau
Umfloss die Triften,
Die Frühlingsau.

Bei'm wonnelauten
Naturgesang
Wallt' ich im trauten
Gebüsch entlang,

Das unsre Spiele
So oft belauscht,
Und Duft und Kühle
Uns zugerauscht.

Und nun die Töne
Der Klage hört,
Seit Jenny's Schöne
Der Tod zerstört.

Ich fand die Stelle,
Wo ich so oft
Bei Mondenhelle
Auf sie gehofft.

Hier lag im Golde
Des Abends, tief
Im Hain, die Holde
Am Quell, und schlief.

Ich eilte näher,
Beschämt, herbei,
Dass ich nicht eher,
Als sie, hier sey.

Die Weste spielten
Um das Gewand
Der Unschuld, kühlten
Der Wange Brand.

Ihr Busen strahlte,
Nur halb verhüllt,
Hervor und mahlte
Der Jugend Bild.

In langen Zügen
Trank ich die Lust,
Berauscht zu liegen
An ihrer Brust.

"O, welch Entzücken,
Wann nun die Pracht
Von ihren Blicken
Mir wieder lacht!"

Doch, ach! noch immer
Hielt tiefe Ruh'
Voll Neid den Schimmer
Der Augen zu.

Ich ging verstohlen
Den Bach hinan,
Zerriss Violen
Und Majoran.

Und warf sie zagend
Ihr in's Gesicht.
Sie seufzte klagend,
Und merkt' es nicht.

Nun drückt' ich bange
Zum Morgengruss
Auf ihre Wange
Den Liebeskuss.

Da blickte wieder
So hell und klar
Auf mich hernieder
Ihr Augenpaar.

Die Huldinn lachte
So freundlich nie.
Und ich - erwachte
zu früh, zu früh!

Warum, o Liebe,
Warum zerrann
Der Traum? Er hübe
Ein Daseyn an.

Aus: Gedichte von Karl Reinhard
Neue Ausgabe Altona
Bei Johann Friedrich Hammerich 1819 (S. 31-36)

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Robert Reinick
(1805-1852)


Zwiegesang

Im Fliederbusch ein Vöglein saß
In der stillen schönen Maiennacht,
Darunter ein Mägdlein im hohen Gras
In der stillen schönen Maiennacht.
Sang Mägdlein, hielt das Vöglein Ruh',
Sang' Vöglein, hört' das Mägdlein zu,
Und weithin klang
Der Zwiegesang
Das mondbeglänzte Thal entlang.

Was sang das Vöglein im Gezweig
Durch die stille schöne Maiennacht?
Was sang doch wohl das Mägdlein gleich
Durch die stille schöne Maiennacht?
Von Frühlingssonne das Vögelein,
Von Liebeswonne das Mägdelein.
Wie der Gesang
Zum Herzen klang,
Vergess' ich nimmer mein Leben lang!

Aus: Lieder von R. Reinick (Maler)
Berlin Verlag von Carl Reimarus
Gropius'sche Buch- und Kunsthandlung 1844 (S. 24)

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Robert Reinick
(1805-1852)


Der letzte Mai

"Heute will der Mai von hinnen schweben,
Ohne Küsse darf er nicht entschwinden!
Liebchen, sei's auch nur ein Stündchen eben,
Laß heut' Nacht dich in der Laube finden."

Also schrieb ich, und nicht durft' ich warten;
Einer Elfe gleich sah ich behende
Nachts dich schweben durch den dunkeln Garten,
Und bald hielt ich deine lieben Hände.

Und mit dir trat über ferne Höhen
Hell der Mond empor, die blanken Sterne;
Durch die Blüthen ging ein lieblich Wehen,
Eine Nachtigall schlug in der Ferne.

Und die Nachtigall hat sich geschwungen
Dicht vor uns auf eine Rose nieder,
Und die vollen, süßen Töne klungen
Wundervoll, wie lauter Liebeslieder.

Und wir wagten kaum, das Haupt zu wenden,
Kaum, die stillen Lüfte einzuziehen,
Daß die Liebeslust nicht möchte enden,
Nicht der kleine Sänger möcht' entfliehen.

Da ertönten plötzlich in der Nähe
Fremde Stimmen, und mit scheuem Beben
Sprangst du auf, gleich einem flücht'gen Rehe,
Konntest fliehend kaum die Hand mir geben.

Mit dir hat des Maien letzte Stunde,
Hat die Nachtigall sich fortgeschwungen,
Ohne daß von deinem lieben Munde
Einen einz'gen Kuß ich hätt' errungen.

Und doch sind mir jene Augenblicke
Wie ein reicher Liebestraum vergangen,
Und mir ist, gedenk' ich dran zurücke,
Als ob tausend Küsse ich empfangen.

War doch Beider Herz in Eins verklungen,
Da wir lauschten jenem Gruß der Liebe;
War doch Erd' und Himmel rings verschlungen
Als ein einz'ger schöner Kuß der Liebe.

Aus: Lieder von R. Reinick (Maler)
Berlin Verlag von Carl Reimarus
Gropius'sche Buch- und Kunsthandlung 1844 (S. 56-57)

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Ludwig Rellstab
(1799-1860)


Mailied

Tirili, tirili, eia,
Der Mai ist da;
Paaren sich Vöglein im dunkeln Gebüsch?
Bangt Euch?
Verlangt Euch?
Blühende Mägdlein, wie Rosen so frisch?

Tirili, tirili, eia,
Nachtigallen sind da;
Locken bezaubernde Töne der Lust.
Sie schweben,
Beben,
Schwellen mit Sehnsucht die wallende Brust.

Tirili, tirili, eia,
Der Jüngling ist nah;
Mädchen, ei sieh, wie die Wange Dir glüht!
Kose,
Du Rose,
Ehe die liebliche Jugend verblüht.

Aus: Gedichte von Ludwig Rellstab
Leipzig F. A. Brockhaus 1844 (S. 85)

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Anton Renk
(1871-1906)


Du Blondkind, gib mir deine Hand!
Warum? – Es ist der Mai im Land.

Im Mai ist Kirschenblütenschnei'n,
Und junge Menschen gehen zu zwei'n.

Ich führ' dich zu der alten Bruck,
Dort steht ein holzerner Nepomuk.

Ein Kirschbaum ist drüber her,
Als ob er ganz von Silber wär'.

Das Silber einer Maiennacht
Sinkt in die Blütenkelche sacht.

Das Silber wird dem Baum zu schwer,
Der Blüten werden immer mehr.

Dort sitzen wortlos ich und du
Und alles Silber deckt uns zu.

Wie selig wir im Silberlicht -
Sankt Nepomuk verrät es nicht.

Im Stillen aber denkt er sich:
Die zwei sind seliger als ich.

Aus: Anton Renk Über den Firnen.
Unter den Sternen Der Gedichte erster und zweiter Band
Georg Müller Verlag München und Leipzig 1907 (Band 1 S. 28-29)
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Rainer Maria Rilke
(1875-1926)


Das war im Mai....

Wir gingen selig, still selband';
die Welt so feierlich
lag vor uns da; - und Hand in Hand
wir gingen, sie und - ich.
Wir schwuren Liebe uns und Treu
mit Hoffen im Gemüt .......
Das war im schönen, goldnen Mai,
als alles rings erblüht! -

Und wieder lachte die Natur
in hellem Sonnenschein,
doch ich, ich wallte durch die Flur
verlassen und allein; .....
weil dort in stiller, heilger Weih'
ein Grab herübersieht .......
Das war im schönen, goldnen Mai,
als alles rings erblüht!

Aus: Rainer Maria Rilke Sämtliche Werke.
Herausgegeben vom Rilke-Archiv.
In Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke
Besorgt durch Ernst Zinn
Insel Verlag Frankfurt a. Main 1955 (Band 3 S. 11)
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Anna Ritter
(1865-1921)


Ein Schrei

Einst, als du mich küßtest im lachenden Mai,
Da blühten die Linden, die Nachtigall sang,
Vom Felde her kam ein verlorener Klang
Wie Glockengeläut – o wir seligen Zwei.

Der Sommer zog blühend und glühend vorbei.
Nun ist es so schaurig, so öde im Wald,
Der Himmel so blaß und die Nächte so kalt,
Und durch die Versunkenheit gellt's wie ein Schrei.

Aus: Gedichte von Anna Ritter
Leipzig Verlag von A. G. Liebeskind 1898 (S. 45)
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Emil Rittershaus
(1834-1897)


Im Mai

Im schönen Mai, im schönen Mai
Der Vöglein Lieder schallen.
O Zeit der Lust und Blüthenpracht!
Es klingt die Nacht, die ganze Nacht,
Das Lied der Nachtigallen!

Im Liebesmai, im Liebesmai
Durchzieht die Brust ein Klingen,
Ein Frühling licht im Herzen lacht.
Ich möcht' die Nacht, die ganze Nacht,
Von sel'ger Liebe singen!

Doch, wär ich wie die Nachtigall
In grünen Waldesräumen,
Ich hätt' kein einzig' Lied erdacht!
Ich wollt' die Nacht, die ganze Nacht
Im Arm der Liebe träumen!


Aus: Gedichte von Emil Rittershaus
Sechste Auflage Breslau 1880
(S. 403)
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Alexander Rydenius
(1800-1823)


Der Mai

O lichter Mai, du Bote süßer Liebe,
Der hold die Erd' umhüllt mit Lenzesprangen,
Den ihr der Himmel schickt in glühndem Triebe,
Daß bräutlich sie den Bräut'gam mög' umfangen,
Wie lächelst du nach Winters langer Trübe!
Du spielst so freundlich mir um Brust und Wangen,
Und weck'st mir, die so lang gefesselt schliefen,
Geheime Kräfte in des Busens Tiefen.

Denn wie, wenn du dich nahst auf goldnen Schwingen,
Rings Hain und Flur erglüht in heller Pracht,
Und alles lebt, und tausend Vögel singen,
Aus tausend Blumen deine Milde lacht:
So ist in meiner Brust ein Blühn und Klingen,
Ein neues Leben sonnenhell erwacht.
Die Ahnung schwebt herab aus Sternenräumen,
Sehnsucht, Wehmuth und Liebe spielt in Träumen.

Und sieh', das weite Reich der Phantasien
Ist aufgethan in heller Festlichkeit,
Das bunte Leben wogt, die Farben glühen,
Und alles webt in holden Wechsels Streit;
Und tausend Sterne blitzen auf und fliehen,
Wie Bild an Bild, wie Klang an Klang sich reiht -
Der Himmel öffnet sich, in heitrer Feier
Schwebt hoch des Liedes Göttin mit der Leier.

Drum sei gesegnet mir in Lieb' und Treue,
Sei mir gegrüßt, du holde Maienpracht!
Nimm meinen Dank für all' das schöne Neue,
Das du im Busen hell mir angefacht,
Durch Licht und Wärme, Grün und Himmelsbläue
Durch deinen Tag, durch deine Zaubernacht!
O laß mich in viel tausend süßen Weisen
Dein wunderholdes Bild nach Würden preisen!

Aus: Auswahl aus Alexander Rydenius
poetischem Nachlaß und Bruchstücke
aus seinem Reise-Tagebuche
Herausgegeben von einem seiner Freunde
Reval 1826 Gedruckt bei Carl Dullo (S. 59-60)

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Johann Gaudenz von Salis-Seewis
(1762-1834)


Maireigen

Singt der Wonn' und Blütenzeit,
Pflanzt die grünen Maien!
Selig, wer des Mais sich freut,
Wie uns die Natur gebeut,
Zu Zweien! Zu Zweien! Zu Zweien!

Zu der Tänze Melodei
Wirbelt das Gestäude;
Waldgesang und Dorfschalmei
Jubeln: Pflicht und Weisheit sei
Die Freude! Die Freude! Die Freude!

Kränzt, Verlobte, kränzt das Haar
Froh mit Myrtenzweigen!
So, wie bald am Brautaltar,
Steht hier alles Paar um Paar
Im Reigen! Im Reigen! Im Reigen!

Amor läßt am Maienfest
Jede Spröde büßen!
Philomele baut ihr Nest!
Alles Holde liebt und läßt
Sich küssen! Sich küssen! Sich küssen!

Aus: Gedichte von Joh. Gaudenz von Salis-Seewis
Neueste vermehrte Auflage
Zürich bei Orell, Füßli und Compagnie 1829 (S. 69-70)
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Adolf Friedrich von Schack
(1815-1894)


Maiwonne

Denkst du der Stunde, als zu Zweien
Wir saßen unter duft'gen Maien
Im Brautgemache der Natur?
Als Lippe wir an Lippe drückten,
Indessen über den Beglückten
Der Frühling im Triumphzug fuhr?

Die Wipfel bog er uns zu Häupten,
Hernieder von den Zweigen stäubten
Die Blüthen unter seinem Hauch;
Ihm tönte in den Laubenhallen
Das Feierlied der Nachtigallen,
Ihm quoll der Düfte Opferrauch.

Der Himmel jauchzte in Gewittern,
Durch alle Räume ging ein Zittern
Der Liebe und der Werdelust;
Allein die große Jubelfeier
Verstummte vor der Wonne Zweier,
Die selig ruhten Brust an Brust.

O Stunde, ewig unvergessen
Das weite Weltall mögt ihr messen,
Bis wo in Schwindel zagt der Blick,
Doch wenn zwei Wesen ihre Seelen
Im ersten heil'gen Kuß vermählen,
Wo ist ein Maß für solches Glück?

Sie beben stumm und freudetrunken,
Die Erde scheint um sie versunken,
Hinweggeschwunden Raum und Zeit,
Und von der Welt ist nichts geblieben,
Als nur zwei Herzen, die sich lieben,
Allein in der Unendlichkeit.

Aus: Gedichte von Adolf Friedrich von Schack
Berlin 1867 (S. 161-162)
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Max Schaffrath
(1813-1877)


Deine Lieb' ist wie die Maiennacht,
Die mild und heimlich mich umfängt
Und eine reiche Sternenpracht
Geheimnißvoll ins Herz mir senkt.

Die Lüfte kosen leichtbeschwingt,
Begeistrung rauscht der Wasserfall,
Und in dem eignen Herzen klingt
Das Hohelied der Nachtigall.

Aus: Dichtungen von Max Schaffrath
Düsseldorf Verlag von Breidenbach & Comp. 1875 (S. 68)

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Richard von Schaukal
(1873-1942)


Aus: Pierrot und Colombine
oder
Das Lied von der Ehe
1902
Dem Geiste des Watteaus in Andacht

Mai

Bist du endlich gekommen,
rosenfingriger Mai?
Töne deiner Schalmei
sind in Lüften geschwommen.

Leise sind an den Bäumen
in einer seligen Nacht
aus verschlafenen Träumen
weiße Blüten erwacht.

Hoch vom Himmel hernieder
spannt sich leuchtendes Blau,
und in glänzendem Tau
funkeln die Gräser wieder.

Schauernd gleitet der Bach
unter den Küssen der Winde,
stärker schon rauschen der Linde
Wimpel über dem Dach.

Über Wald und Wiesen
liegt der Mondenschein,
zögert an den Fliesen
in das Haus hinein.

Rings an Zaun und Bäumen
Käferfunkelpracht,
stummes Tagesträumen
atmet durch die Nacht.

Pierrot mit leiser Mandoline
flötet klagend in der Maiennacht
unterm Fenstersims von Colombine,
die vom schmeichelnd-süßen Klang erwacht.

Alle Apfelbäume stehn in Blüte
silberzart und mondscheinschleierweiß.
Nach der großen Schokoladentüte
tastet sie verschlafen, träumeheiß.

Aus: Richard von Schaukal Gedichte
Pierrot und Colombine oder das Lied von der Ehe
Junge Sehnsucht / Einkehr/ Herbsthöhe / An der Schwelle
Albert Langen Georg Müller München Wien 1967 (S. 11-12)

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Leopold Schefer
(1784-1862)


Erwachen im Mai

Erste Sonne im Mai,
Wie eine goldne Spinne
Spannst du dich flimmernd im Eck,
Sichtbar-wachsend umwebst
Mit deinem Morgenstrahlengespinnst
Du wonnig mir Aug' und Brust:
Du befühlest leis, wie die Schnecke
Mit langem Auge, die Zither,
Die dem Glück meiner Jugend
Melodieen rauscht;
Du schattest mit Rosenschatten
Mir hin auf die leuchtende Wand
Durch die hellen Scheiben,
Die brechenden Hyazinthen,
Nicht umsonst so gepflegt;
Du hörest die Nachtigall,
Unter deren Schlag
Ich gestern im Glanz des Mondes
In sanftquellenden Thränen entschlief,
Ja trinkst du Selige auch
Wie der Morgenblume Duft
Meiner ersten Geliebten
Heiligen Morgengesang.


Aus: Leopold Schefer's ausgewählte Werke
Zehnter Theil: Gedichte
Berlin Verlag von Veit und Comp. 1846 (S. 20)

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Hans Schiebelhuth
(1895-1944)


Maiwind

Wie Maiwind wird nun das Leben
Schmeichelndes streichelndes Wehn
Duftiges luftiges Schweben
Sonnig und wonnig Geschehn
Streifende schweifende Klarheit
Funkelnder dunkelnder Trug
Zwingende klingende Wahrheit
Tätiger stätiger Zug
Schauliches trauliches Träumen
Flimmerndes glimmerndes Glück
Schaukelndes gaukelndes Säumen
Liebhaft und triebhaft Gerück
Spreites bereits Entfalten
Jubelndes trubelndes Blühn
Prächtiges mächtiges Walten
Helles und schnelles Gestalten
Weitbreit ein tollvoll Erglühn:

Du haschst nicht den Wind doch er fängt dich
Und macht dich zum Untertan
Noch haschst du den Mai doch er drängt dich
Und sein tödlich Betören hebt an:
Drum verschenk dich kühn daß du Teil seist
Und erschließe dich tief und gewillt
Der seligen Regung die Heil heißt
Die in Hülle und Fülle dir gilt;
O! werd wie der Wind es bewahrend
Daß dein Dasein im Ganzen ihm gleicht
Und sei wie der Mai offenbarend
Daß dein Glaube zum Wunder gereicht;
Dann lernst du's im Schweben schweben
Im Bewegten gedeihn und geschehn
Wie Maiwind wird dann dein Leben
Ein berauschendes Nehmen und Geben
Schmeichelndes streichelndes Wehn.

Aus: Hans Schiebelhuth Gedichte 1916-1936 / Übertragungen
Agora Darmstadt Zürich
Diese Ausgabe wurde aufgrund der Originalhandschriften
herausgegeben von Manfred Schlösser
Mit Unterstützung des Magistrats der Stadt Darmstadt gedruckt
1966 (S. 139)

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Alexander Julius Schindler
(Julius von der Traun)
(1819-1885)


Bitte

Ich bat mit erhobenen Händen
Den schlimmen Winter um Trost,
Er konnte mein Leiden nicht wenden,
Ist halt vorüber getost.
Jetzt schmettern in jubelnden Chören
Die Nachtigallen! - Herbei!
Du wirst mein Bitten erhören,
O Mai, du lieblicher Mai!

Du konntest auf sonnigem Hügel
Erwecken der Rose Pracht,
Du konntest mit duftendem Flügel
Verscheuchen des Winters Macht.
Du konntest die Bahn mir bereiten
Vom Schnee dem feindlichen frei,
Du wirst zur Geliebten mich leiten
O Mai, o lieblicher Mai!

Doch sende, bevor ich sie schaue,
Die süsse Botin voraus,
Entsende durch Lüfte, durch blaue,
Die Nachtigall vor ihr Haus.
Nie trugen willkommnere Töne
Erwünschtere Kunde herbei:
"Bald naht deinem Herzen, du Schöne,
Sein Mai, sein lieblichster Mai!"


Aus: Gedichte von Julius von der Traun
Erster Band. Wien 1871 Verlag von Faesn & Frick (S. 26-27)

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Karl Julius Schröer
(1825-1900)


Mai

1.
Das ist der Mai, der Maienmond,
Die Winde kommen von Westen,
Die Blumen schießen hervor so bunt,
Der Flieder weht mit den Aesten.

Den Maimond hab ich vor Allen lieb,
Den luftigen, duftigen, freien!
Was senkst du dich, mein Aug, so trüb?
Mein Herz, sieh an den Maien!

Der Mai ist da, wach auf, mein Herz,
Wach auf, wach auf zu singen!
Die Lerchen jubeln himmelwärts
Und die Knospen im Walde springen.

Die Knospen im Walde springen leis'
Und die Veilchen düften beklommen,
Sie stehn wie erwartend still im Kreis:
Weil bald nun die Rosen kommen.

2.
Das ist der Mai, der Maienmond,
Die Winde kommen von Westen,
Die Blumen schießen hervor so bunt,
Der Flieder weht mit den Aesten.

Da wall ich auf den Giebichenstein,
Die alte Burgruin',
Wo unendlich wuchernd aus Felsgestein
Die Fliederbüsche blühn.

Dort schau ich hinunter in's grüne Land,
Die Saale fließet vorbei,
Die Segelschifflein fließen hinab,
Der Lenzwind weht so frei.

Verschollen jeder Menschenruf,
Versunken Welt und Zeit;
Es dehnt sich mehr, als all das Land,
Das Herz so weit, so weit!

3.
Mitten in dem Blütenschnee
Saß ich unterm Baume,
Flocken fielen immerzu
Wie von Federflaume.

Noch nicht lang daß aus der Höh
Andre Flocken fielen:
O Natur, wie weißt du schön,
Wie so schön zu spielen!

Damals täuscht' ich mich so gern,
Daß es Blüten streute:
Jetzt im Frühling, jetzt im Mai
Ist's als ob es schneite!


Aus: Gedichte von Karl Julius Schröer
Zweite vermehrte Auflage
Wien 1862
Wilhelm Braumüller k. k. Hofbuchhändler (S. 26-28)

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Adolf Schults
(1820-1858)


Ein Maimorgen

1.
O schau! wir setzten kaum den Fuß
Noch über des Hauses Schwelle,
Da beut uns schon seinen Morgengruß
Der Wind, der muntre Geselle.

Der kecke Gesell, der Morgenwind
Besinnt sich gar nicht lange:
Er springt aus seinem Versteck geschwind
Und küßt Dich frisch auf die Wange!
(S. 90)

2.
Mit Murmeln bittet das Bächlein Dich,
Das Dir zu Füßen quillt:
O bücke Dich, beglücke mich
Mit Deinem lieben Bild!

Schon gab der Mond das seine mir,
Die Sonne das ihre - doch
So lange fehlt das Deine mir,
Entbehr ich das schönste noch!
(S. 90-91)

3.
Mein Lieb, Du bist die Sonne nicht,
Und nicht der Mondenschein:
Am Tag nur strahlt das Sonnenlicht,
Der Mond bei Nacht allein.

Doch Du, mein Lieb', beglückest mich
Mit immer neuer Pracht,
Denn Du, mein Lieb', entzückest mich
Am Tage, wie bei Nacht!
(S. 91)

4.
Die Blätter und Blüthen flüstern
Und lispeln einander zu;
Die Vöglein blicken so lüstern -
Ein Wunder allen bist Du.

Sie hüpfen, springen und singen
In Näh' und Ferne schon:
Sie wollen sich all' erringen
Von Dir einen Blick zum Lohn.
(S. 91)

5.
O schau, wie verfolgt uns der Morgenwind!
Er stieg auf des Baumes Gipfel;
Auf neckische Schelmenstreiche sinnt
Der Lose droben im Wipfel.

Blick auf, mein Lieb, da wirft er schnell
Eine Handvoll Blüthen herunter!
Und hurtig eilt der wilde Gesell
Von dannen frisch und munter.
(S. 92)

6.
Die Blumen alle Dich grüßen:
Willkommen, o schöne Frau!
Sie legen Dir zu Füßen
Den Perlenschmuck von Thau.

Ob auch die Perlen müssen
Zerrinnen in eitel Schaum -
Sie sterben willig - sie küssen
Ja Deines Kleides Saum!
(S. 92)

7.
Horch auf! da singt die Nachtigall:
Mein Lieb, mein Lieb, wo weilst Du?
Schon blühn und glühn die Rosen all',
Warum nicht zu mir eilst Du?

So sang auch ich manches Jahr,
Doch nimmer, nimmer kamst Du!
Da holt' ich Dich - und wunderbar:
Warum die Flucht nicht nahmst Du?
(S. 93)

8.
Liebchen, sieh' die junge Rose!
Gestern war sie Knospe noch;
Endlich hat sie ihrem Loose
Willig sich ergeben doch.

Spröde widerstand sie lange,
Lange Zeit dem Sonnenstrahl -
Liebchen, ei, was färbt die Wange
Dir so roth mit einem Mal?
(S. 93)

9.
Es läuten die Maienglocken:
Die Königin ist da!
Die Rose ist erschrocken,
Als sie Dich kommen sah.

Die Rose hatte bis heute
Sich unüberwindlich geglaubt;
Du schönste aller Bräute!
Nun neigt sie Dir das Haupt.
(S. 94)

10.
Der Sonnenstrahl erhellt uns
So freundlich Flur und Hain,
Als früg' er, wie die Welt uns
Gefiel in seinem Schein?

"O Liebster, laß uns schweigen
Und ruhn im Moose hier;
Sieh drüben die Lerche steigen!
Die sagts ja besser, als wir!"
(S. 94)

Aus: Gedichte von Adolf Schults
Dritte vermehrte Auflage
Iserlohn Julius Bädeker 1857

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Elise Sommer
(1761-1836)


Maigesang

Er naht, der Freuden - Schöpfer Lenz
Auf sonnenrothem Wagen,
Liebkosend bringen Weste mir
Dies Himmelskind getragen;
Aus seinen goldnen Locken sinkt
Ein Blüthenregen nieder,
Im jungen Laube tönen schon
Der Nachtigallen Lieder.

Des Maies kräft'ger Hauch verweht
Der Veilchen süsse Düfte:
Des Pfirsichs Kronen tauchen sich
In's Bad der Abendlüfte.
Der Kirschbaum neiget seinen Kranz
Herüber zu der Quelle,
Und nicket seinem Bilde zu
Im Tanz der Silberwelle.

Der Liebe süsser Athem weht
Vom goldnen Himmel nieder,
Er regt sich leis' im Blumenkelch,
Und wecket Wehmuthslieder.
Der Sylphe hüpft zum Blumenschooss,
Sanft flötet Philomele,
Und zaubert in die kalte Brust
Das Echo ihrer Seele;

Und Alles fühlt und Alles schwimmt
In Liebe, Lust und Wonne,
Und spiegelt sich im Morgenthau,
Bei'm ersten Stral der Sonne.
Ihm, der die Welt so schön erschuf,
Soll unser Lied ertönen,
Es steig' empor zum Sternenplan,
Zum Vaterland des Schönen!

Aus: Elise Sommer Gedichte
Frankfurt am Main: Herrmannsche
Buchhandlung 1813 (S. 211-212)
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Friedrich Spielhagen
(1829-1911)


Des Lebens Mai

"Des Mai blüht einmal und nicht wieder",
So sprachst auch du in thränenreicher Stunde,
Doch heilt von selbst des Hirsches tiefe Wunde
Nach langer Dürre träuft der Regen nieder.

In jedem Lenz erschallen neue Lieder,
Es lauschen froh der wonnevollen Kunde
Die Felder und die Wälder in der Runde,
Die Veilchen sprießen, köstlich prangt der Flieder.

Und wenn in der Natur ein ewig Streben,
Zu überwinden Noth und Tod und Schmerzen,
Wähnst du, daß es mit dir ein andres sei?

O nimmermehr! Ein tausendfältig Leben
Regt glühend sich in deinem edlen Herzen,
Und jede Liebe ist "des Lebens Mai".

Aus: Fünfzig Jahre Deutscher Dichtung
Mit biographisch-kritischen Einleitungen
herausgegeben von Adolf Stern
Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ed. Wartig 1877 (S. 923)

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Franz Stelzhamer
(1802-1874)


Maiwandel

I.
Geh', Liebste, geh',
's Ist nicht verfrüht,
Sieh, Alles blüht -
Die Kirsch und Schleh',
Der Mohn und Klee,
Und Duft versprüht
Die Kress' am See!
Spazier'
Mit mir
Zu Thal und Höh',
Zu Höh' und Thal,
Weil Alles glüht
Im Farbenstrahl,
Weil nichts mehr fahl
Und lebensmüd! -
Du blühst ja auch
Nach Frühlingsbrauch:
Bist roth und blau
Wie Feld und Au;
Strahlst weiß und golden
Wie Blumendolden!

Das Vöglein singt
Im Hag so sehr,
Der Falter schwingt
Sich nebenher;
Das Käferlein,
Die Biene auch
Umsummt im Hain
Den Blüthenstrauch;
Die Winde weh'n
So mild und lau,
Die Blumen steh'n
Im Morgenthau -
Horch - flöten und geigen
Zum Wesenreigen!

Drum, Liebste, geh'
Nicht säum', nicht säum',
Mich drängt es sehr,
Zu Thal und Höh',
Ich kann daheim
Nicht weilen mehr!
(S. 141-142)

II.
Und wie wir durch die Felder gingen,
Da war um uns ein Lieberingen,
Dazu ein Singen und ein Klingen,
Dabei ein Klettern und ein Springen,
Ein Senken, Schwenken, Wirbeln, Schwingen,
Ach, ein unendliches!

Und wie wir durch die Auen zogen,
Da war um uns ein Blumenwogen,
Und über uns ein Blüthenbogen,
Da ward gerastet und geflogen,
Geliebkos't ward da und gesogen
Ach, so unendlich süß! -

(Arie I.)
Laß dich lieben, o Holde!
Und liebe mich auch,
Es ist ja im Maien
So Weltenbrauch.

Laß dich küssen, o Traute!
Und küsse auch mich,
Liebkoset ja Alles
In Maien sich.

Laß dich umarmen, o Herz!
Und umarme mich fest,
Weil ja Keines vom Andern
Im Maien läßt.

Laßet uns lieben, lieben,
Ja lieben mit Kraft,
Weil der milde Gebieter,
Der Mai es schafft! -


Und wie wir dann den Wald betraten,
Da gab's in seinem braunen Schatten
Nur Freier rings und sel'ge Gatten;
Und Jeglich ging so gut von statten:
Die Väter fanden Kinderpathen,
Die Mütter weiches Moos und Matten,
Und all die Waldgeschöpfe thaten
Ach, so unendlich lieb! -

Und wie wir bald am See ankamen,
Da war ein Blitzen und ein Flammen,
Süß liebgepaart und eng beisammen,
Um Angel unbesorgt und Hamen,
Die tausend Fisch' und Fischlein schwammen,
Es spielten ihre Liebesdramen
Die Bräute hold mit Bräutigamen -
Ach, so unendlich schön! -

(Arie II.)
Dir in den Armen,
Du mir am Herzen,
Dem liebenden, warmen,
Wo gäb' es da Schmerzen!

Die Seelen sind Bronnen,
Nur muß da für Wellen
Ein Meer von Wonnen
Den Tiefen entquellen.

O Leben, o Lieben,
O Lieben, o Leben,
Wer soll dich nicht üben
Gott dankergeben!

Aus: Gedichte von Franz Stelzhamer
Stuttgart und Augsburg
J. G. Cotta'scher Verlag 1855 (S. 142-145)

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Karl Stieler
(1842-1885)


Aus: Aus jungen Tagen
Mainacht

Der Nacht gedenk' ich ew'ge Zeit,
Der Nacht vom ersten Maien:
Da dich der fremde Mann gefreit,
Dich, die ich einst wollt' freien!

Es rauscht der See im Mondenschein
Und lenzgrün sind die Almen;
Doch durch mein Herz rauscht Lust und Pein,
Als sollt's mein Herz zermalmen!

Ich stieg bergan die ganze Nacht,
Durch Blumen, durch Steingerölle …
Ich zog durch die grüne Erde hin,
Ich zog durch Himmel und Hölle!

Aus: Gesammelte Dichtungen (hochdeutsch)
von Karl Stieler Mit einem Titelbild von C. Liebich
und einer biographischen Einleitung von A. Dreyer
Stuttgart Verlag von Adolf Bonz & Comp. 1908 (S. 217-222)

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Adolf Ritter von Tschabuschnigg
(1809-1877)


Im Mairegen

Es war so heiß, es war so schwühl,
Manch Blümchen starb dabei,
Nun aber regnet's lind' und kühl,
Und alles hebt sich neu.

Da trag' ich meine Blumen auch,
An meinem Fenster dort,
Hin in den freien, linden Hauch,
In's kühle Regnen dort.

's thut ihnen wunderbarlich wohl,
Kühl ist es und doch lau,
Halb träumend bebt die Rose, voll
Vom lieben Seegenthau.

Ach! könntest du mich kühlen auch,
Du liebe Maienfluth,
Und könntest stillen, linder Hauch,
Des Herzens heiße Gluth!

Möcht' träumend, wie die Rose steh'n,
Im Freiem frisch und lau,
Möcht' warten auf ein kühles Weh'n,
Auf einen Tropfen Thau!

Aus: Gedichte von Adolph Ritter von Tschabuschnigg
Dresden und Leipzig
in der Arnold'schen Buchhandlung 1833 (S. 19-20)

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Johann Heinrich Voß
(1751-1826)


Der Maiabend

Umweht von Maiduft, unter des Blüthenbaums
Helldunkel sahn wir Abendgewölk verglühn,
Des vollen Monds Aufgang erwartend,
Und Philomelengesäng' im Thalbusch.

Lau war die Dämmrung; traulicher scherzten wir
Mit nachgeahmter Fröhlichkeit. Bald verstummt
In holdem Tiefsinn, saß das Mägdlein,
Stammelte: Wollen wir gehn? und ging nicht.

Die Hand in meiner zitterte. Bleib, o bleib!
Kaum athmend lallt' ich's. Wonne! da fügten wir,
Nach manchem Freundschaftskuß, den Brautkuß,
Nicht Philomela noch Mond bemerkend.


Aus: Sämmtliche poetische Werke
von Johann Heinrich Voss
Herausgegeben von Abraham Voss
Einzig rechtmäßige Original-Ausgabe in einem Bande
Leipzig 1835 Immanuel Müller (S. 121)

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Johann Heinrich Voß
(1751-1826)


Minnelied im Mai

Ei! seht mir, ei!
Wie hold der Mai
Die Luft aus Wolken kläret;
Daß Wald und Au'
Mit bunter Schau
Und Vogelsang sich hehret!

Verklärung schafft
Des Maien Kraft
Auch meiner Kunigunde;
Daß rother Schein
Den Wängelein
Erblüht, und ach! dem Munde.

Aus Kränzen rollt
Der Locken Gold,
Und bläuer glänzt das Äuglein.
Und tönt ihr Schall;
O Nachtigall,
Biß still im grünen Zweiglein.

Ahi! ahi!
Nun lächelt sie
So minniglich, die Hehre
Gar sanft mir's thut;
Bin baßgemuth,
Denn ob ich Kaiser wäre!

Solch Ehrenkleid
Von Lieblichkeit
Ward wenig Fraun gegeben!
Wem nicht behagt
Die reine Magd,
Muß gar von Sinnen leben.

Aus: Sämmtliche poetische Werke
von Johann Heinrich Voss
Herausgegeben von Abraham Voss
Einzig rechtmäßige Original-Ausgabe in einem Bande
Leipzig 1835 Immanuel Müller (S. 154)

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Johann Heinrich Voß
(1751-1826)


Der Bräutigam

Eil', o Mai, mit hellem Brautgesange!
Eil', und röthe meines Mädchens Wange,
Und die Rose für den Hochzeitkranz!
Alles taumelt; mir versiegt der Oden;
Unter meinem Fuße brennt der Boden!
Eil'! ich überfliege deinen Glanz!

Unsre Seelen schuf in Edens Thale
Gott aus Einem morgenrothen Strahle,
Ähnlich sich, wie Wechselmelodie'n;
Wie zwei Küsse, nach einander strebend,
Die auf heißen Lippen, wonnebebend,
Zucken, und zu Einem Kusse glühn!


Aus: Sämmtliche poetische Werke
von Johann Heinrich Voss
Herausgegeben von Abraham Voss
Einzig rechtmäßige Original-Ausgabe in einem Bande
Leipzig 1835 Immanuel Müller (S. 159)

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Beda Weber
(1798-1858)


Die Alllebende
Nach einem bergomaskischen Volksliede

Lisple, Flug der Lenzeslüfte!
Glänz' im Thau, o Maienflur!
Würzt die Auen, Rosendüfte!
Tönt zum Horn, o Bergesklüfte!
Denn ihr fei'rt die Einz'ge nur!

Weizen spitzt aus schwarzer Hülle
Sein Erwachen, kindlich grün:
"Ach! Sie selbst aus heil'ger Stille
Aufgetaucht voll Gottesfülle,
Mich in ihre Fluth zu ziehn!"

Zitterlaub am Wiesensteige
Rauscht mit süßem Flüsterlaut:
"Koseluft der Myrtenzweige,
Liebeslallen, Kussesneige
Meiner Holdin, meiner Braut!"

Weste flattern blüthestäubend
Durch den Flor des Lindenhains:
"O ihr Athmen! grambetäubend,
Herzenstürmend, Kränze treibend
Um das Geistersprühn in Eins!"

Aus der scharfen Rebenwunde
Thaut des Lebens feinster Duft:
"Schmeichelfluth vom Rosenmunde,
Reinster Hauch der Siegesstunde,
Kranken Herzens Lab' und Luft!"

Lisple, Flug der Lenzeslüfte!
Glänz' im Thau, o Maienflur!
Würzt die Auen, Rosendüfte!
Tönt zum Horn, o Bergesklüfte!
Denn ihr feirt die Einz'ge nur!

Spiegelklar der Waldesquelle
Blitzt aus letztem Winterschnee:
"Zärtlichbange Thränenschwelle
Ihrer Aeuglein, silberhelle
Sprudelnd auf mein Herzensweh!"

Stille Schmerzenszähren blicken
Aus dem frischen Birkenschnitt:
"Ach! das bittre Herzensdrücken
Ihres Kummers Glühn und Zücken,
Das sie um den Einz'gen litt!"

Seufzend hallt aus Schäferhainen
Halbverklungner Flötenton:
"Geisterstimme! Süßes Weinen
Ihrer Schmerzen um den Einen,
Der ihr, ach, so bald entflohn!"

Feuer leckt um Felsgeschiebe,
Hirtenfreudig aufgeflammt:
"Zornesblüthen! Flammentriebe
Ihrer kühnsten Seraphs-Liebe,
Welche Raum und Zeit verdammt!"

Lisple, Flug der Lenzeslüfte!
Glänz' im Thau, o Maienflur!
Würzt die Auen, Rosendüfte!
Tönt zum Horn, o Bergesklüfte!
Denn ihr feirt die Einz'ge nur!

Ewig Sie und ewig Eine
In dem wechselvollen Spiel!
Selbst aus todtem Kieselsteine
Strahlt mir licht die Himmelsreine
Mit dem wärmsten Maigefühl!

O so laßt mich lustig weben
In der tiefsten Liebesfluth,
Schwalbenfröhlich ziehn und streben
Um ihr goldnes Frühlingsleben,
Bis mein Leib im Grabe ruht!

Und noch in der dunkeln Tiefe
Stärker mich ihr Labewein!
Ist's ja nur als wenn ich schliefe
Und im Traum die Holde riefe:
"Ewig, Liebling! ewig dein!

Aus: Lieder aus Tirol von Beda Weber
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1842 (S. 145-147)

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Josef Weinheber
(1892-1945)


Mai

Welch leises Glücklichsein mein Innres wiegt! -
Ich lieg im jungen Maigras tief im Wald,
in Halm und Blüten selig eingeschmiegt.

Kaum, daß ein Laut durchs tiefe Schweigen schallt. -
Die Seele träumt und sehnt sich wunderlich
den Wolken nach, die fern ins Blau geballt

und wünscht zu ihrem Glück nichts andres sich
als so ein Fleckchen Blau im stillen Wald,
und träumt den Wolken nach und denkt an dich.

(April 1914)

Aus: Josef Weinheber Sämtliche Werke
1. Band Gedichte Erster Teil
Herausgegeben von Josef Nadler und Hedwig Weinheber
Otto Müller Verlag Salzburg 1953
(S. 30)
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Oskar Wiener
(1873-1944)


Maiandacht

Lisett' hat einen himmelblauen Hut,
Maßliebchen nicken dort in einer Masche;
- Mein keusches Kind, ich weiß, Du bist mir gut -
Rehbraune Augen locken: Komm und nasche!

Ein kleines Lied hab' ich für Dich erdacht,
Das lacht und kichert, lustige Lisette;
Das Lied ist treu wie eine deutsche Nacht,
Das Lied wird Deine schönste Maienmette.

Dann lehnst Du lieb im tiefen Chorgestühl
Und küßt Dein Liederbüchlein in Gedanken
Und liest darin, doch liest Du nicht zu viel,
Und aus dem Buche - wachsen Rosenranken.

Aus: Oskar Wiener
Das hat die liebe Liebe getan
Ein Liederbuch
J. C. C. Brun's Verlag Minden i. W. 1905 (S. 37-38)

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Ernst von Wildenbruch
(1845-1909)


Maiglöckchen

Den Frühling ersehnend, des Winters so satt,
Durchstreif ich die Felder so traurig und matt.
Da tönt es wie Glöckchen mir lieblich zum Ohr,
Da heben sich Köpfchen, da lächelt's empor:

Nach Winter und Trauer, nach Schnee und nach Eis,
Im weißen Gewande, die Kinder des Mai's.
Ei sagt mir, ihr Glöckchen, was plaudert ihr mir?
"Von Hoffnung und Liebe erzählen wir dir.

Die Blumen die sterben auf Erden nicht aus,
Die Lieb' ist auf Erden ja allzeit zu Haus."
Ihr Blumen, was sagt euer schneeweiß Gewand?
"Es sagt, daß uns brach eine schneeweiße Hand."

Seid Boten mir, Blümchen, bestellt es genau:
Vieltausendmal grüßt die holdselige Frau!
Ich kenne sie wohl, die ich lange erkannt,
Die lieblich und rein, wie Maiglöckchens Gewand.

Aus: Ernst von Wildenbruch
Gesammelte Werke
Herausgegeben von Berthold Litzmann
Band 15 (Gedichte und kleine Prosa)
G. Grotesche Verlagsbuchhandlung Berlin 1924 (S. 31-32)

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Kathinka Zitz-Halein
(1801-1877)


Maiblümchen

Wie lieb' ich dich, du Holde, Süße, Kleine,
Du Frühlingskind, erblüht im Waldesschatten;
Wenn ich dich schau, du Liebliche, du Reine,
Seh' ich die Unschuld sich mit Hoffnung gatten.

Das zarte Weiß in grüner Blätter Hülle,
Wie oft ergötzet es des Wandrers Augen;
Und gerne mag ich deines Duftes Fülle,
Der Biene gleich, begierig in mich saugen.

Aus theurer Hand hab' ich dich einst empfangen,
Ein Bild der Hoffnung wardst du mir gegeben,
Drum sollst du mir recht oft am Busen prangen,
Am Herzen mir entströmen still dein Leben.

Aus: Herbstrosen in Poesie und Prosa
von Kathinka Zitz
Mainz 1846 (S. 27)
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