Das Liebes-Poetische Manuskript N° 1

Liebesgedichte von der Schönheit der Geliebten




 


 

Ihre Schönheit

Sie naht in Schönheit wie die Nacht,
Gewölklos, rein und sternenlicht;
Des Dunkels wie des Schimmers Pracht
Eint sich in Aug' und Angesicht
Mit jenes Lichtes sanfter Macht,
Das dem geschmückten Tag gebricht.

Ein Schatten mehr, ein Stral nicht - seht!
Und halb entweicht die Anmuth bald,
Die durch die Rabenlocken weht,
Und mild im Angesichte stralt,
Wo heiter süß der Geist verräth,
Wie rein, wie lieb sein Aufenthalt!

Und wie auf Stirn' und Wange ruht -
So still und doch so sprachgeübt -
Des Lächelns Reiz, der Farben Glut,
Ein Leben kündend, ungetrübt,
Ein Herz, für jeden friedlich gut,
Ein Herz, das nur mit Unschuld liebt.


George Gordon Lord Byron (1788-1824)

(Übersetzung Joseph Emanuel Hilscher)




 

Bild: Domenico Veneziano (ca 1410-1461)
Madonna mit Kind (1435-37) (Detail)

Gedicht aus:
Gedichte von Joseph Emanuel Hilscher
Originale und Uebersetzungen
Redigirt von Ludwig August Frankl
Herausgegeben vom Comité zur Errichtung eines Hilscher-Denkmals
und einer Hilscher-Stiftung in Leitmeritz
Zweite vermehrte Auflage
Prag Druck von Heinrich Mercy 1863

 

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