Das Liebes-Poetische Manuskript N° 14

Winterliche Liebesgedichte
Bilder von  Rolf Eichelmann
 

(c) Bild Rolf Eichelmann - Kleiner Akt
(c) Rolf Eichelmann
Kleiner Akt

 

 Heinrich Heine
(1797-1856)

Unterm weißen Baume sitzend,
Hörst du fern die Winde schrillen,
Siehst, wie oben stumme Wolken
Sich in Nebeldecken hüllen;

Siehst, wie unten ausgestorben
Wald und Flur, wie kahl geschoren;
Um dich Winter, in dir Winter,
Und dein Herz ist eingefroren.

Plötzlich fallen auf dich nieder
Weiße Flocken, und verdrossen
Meinst du schon, mit Schneegestöber
Hab der Baum dich übergossen.

Doch es ist kein Schneegestöber,
Merkst es bald mit freudgem Schrecken;
Duftge Frühlingsblüten sind es,
Die dich necken und bedecken.

Welch ein schauersüßer Zauber!
Winter wandelt sich in Maie,
Schnee verwandelt sich in Blüten,
Und dein Herz es liebt aufs neue.

 

Gedicht aus: Heinrich Heine. Sämtliche Gedichte in zeitlicher
Folge. Hrsg. von Klaus Briegleb. Insel Taschenbuch Verlag 1997

Zum Künstler Rolf Eichelmann siehe
www.hall-of-art.com
 



 

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