Das Liebes-Poetische Manuskript N° 2

Erotische Gedichte

(c) Klaus Ender



Johann von Besser
(1654-1729)

Ruhestatt der Liebe /
oder
Die Schooß der Geliebten

Bey diesen brennenden und schwülen sommer-tagen
Ließ Chloris sich einmahl in ihren garten tragen /
Und suchte für den brand der sonnen eine klufft /
Von kühler witterung und schattenreicher lufft.
 

Sie setzte sich erhizt bey einem baume nieder /
Und streckte bald darauff die perlen-volle glieder
In das noch frische gras / geruhiger zu seyn /
Und schlieff auch / wie sie lag / halb von der seiten ein.

Ihr alabaster-leib war nur mit flor bekleidet /
Und weilen man den zwang nicht bey der hitze leidet /
Ward ihre blosse brust im grünen klee gespürt /
Die zur gemächlichkeit sie eben auffgeschnürt.

Der sanffte westen-wind / bereit sie abzukühlen /
Ließ seinen othem gleich auff diese wellen spielen /
Und bließ mit stillem hauch bey ihrer süssen ruh
Ihr aus der Floren hand die weichsten blumen zu.

Es wiegte gleichsam sie sein angenehmes weben;
Doch als er sich bemüht den leichten rock zu heben /
Riß endlich unversehens von der gestreckten schooß
Der vorgeschürzte flor mit seinem gürtel loß.

Hilff himmel / welcher schmuck! was süsse wunderwercke /
Der schönheit gröste pracht mit aller ihrer stärcke /
Der liebe paradieß ward hier uns auffgedeckt /
So Chloris uns bißher zur sicherheit versteckt.

Das liebste / das man kennt / und doch sich scheut zu nennen/
Weil auch das blosse wort uns schon vermag zu brennen /
War hier insonderheit ganz ungewöhnlich schön /
Und ließ sich auch / vor stolz / hoch auffgebrüstet sehn.

Es lag wie ein castell von marmor auffgeführet /
In einem liljen-thal / den seine gegend zieret /
Des eingang von rubin / und ganze lager-statt
Nichts als ein schatten-werck von myrthen um sich hat.

Es sah von forne zu (hier fehlt der beste pinsel )
Als wie ein grotten-haus / wie jene morgen-insel /
Wo die glückseligkeit den tag zu erst beschaut /
Und wo die nachtigall in lauter rosen baut.

Die zwo von helffen-bein so rund gewölbten hüffte
Verdeckten diesen sitz als ein paar gleiche klüffte /
Durch deren schutz kein sturm auff das gestade streicht /
Und dieses lust-revier dem steten sommer gleicht.

Kein apffel kan so frisch an den stengel halten /
Kein purpur-pfirsig ist so sanfft und zart gespalten /
Kein kleiner raum der welt hat so viel überfluß /
Als in der Chloris schooß der weisse nabel-schluß.

Die sonne selbst verliebt in so viel zierlichkeiten
Vergaß / dem ansehn nach / im lauffe fortzuschreiten /
Und drung sich durch das laub / mit hülffe von dem west.
Die vogel hielten es für ein geblümtes nest.

Die brunnen wolten sich durch diesen garten winden /
Die blumen glaubten hier ihr blumen-feld zu finden /
Die Nymphen waren selbst wie halb darein vernarrt /
Und Zephyr küst es kaum / so fand er sich erstarrt.

Der treue Celadon / dem sie zuvor entwichen /
War ihr ganz unvermerckt von ferne nachgeschlichen /
Und ward des schönen blicks so zeitig nicht gewahr /
Als er zugleich empfand die schlüpffrige gefahr.

Die liebe hieß ihn erst zwar seine Chloris ehren;
Doch wolte sie ihm auch / als liebe / nichts verwehren;
Und wie sie uns entzückt zu dem geliebten trägt /
Hat selbst sie seine hand an Chloris leib gelegt.

Er zuckt und bebete / wie leichte feder-flocken /
So sehr er es verlangt / so war er doch erschrocken.
Er tappte wie ein mensch bey dicker finsterniß /
Und wagte nicht die hand / wohin sie doch sich riß.

Was halff ihm alle furcht vor dem geliebten weibe?
Die finger glitten aus auff dem polirten leibe /
Und rollten mit gewalt vor das gelobte land /
Das eine hole faust in allem überspannt.

Du armer Celadon / wie wurdest du betrogen!
Du wärest fast von glut und flammen auffgeflogen /
Wo du der finger brand zu kühlen hingesetzt /
Und was du / aus der form / für einen spring geschätzt.

Du fühltest zwar nur sammt und lauter weiche seide /
Du hattest in der hand den brunnnqvell aller freude;
Wo die ergötzlichkeit von milch und honig rinnt;
Doch dessen sanffte flut mehr als der schwefel zündt.

Es war der kleine brunn die funcken-reiche stelle /
Wo Aetna feuer holt: die wunder-volle qvelle /
Wo Heclens flammen-fluß aus schnee-gebirgen qvillt /
Und der dem Celadon die adern angefüllt.

Er wust nicht was er vor hitze sollt beginnen;
Er fieng wie weiches wachs vor ohnmacht an zu rinnen /
Und hätt / ich weiß nicht was / vor raserey vollbracht /
Wenn Chloris nicht davon zum unglück auffgewacht.

Sie stieß / noch voller schlaffs / mit ihren beyden händen /
Den frembd- und kühnen gast von ihren weissen lenden /
Der ihre zarte schooß durchwühlet und verheert /
Und sprach / als sie ihn sah: du bist der stranges werth.

Hilff himmel! was ist das? Hast du den witz verlohren?
Ist diß die stete treu / die du mir zugeschworen?
Hast du der Chloris zorn so wenig denn gescheut /
Daß du auch freventlich ihr heiligthum entweyht?

Daß du! welch eine that! - - sie konte nicht mehr sprechen /
Und wolte sich an ihm mit ihren thränen rächen.
Sie sprang mit ungestüm von ihrem lager auff /
Und eylt aus seinem arm / durch einen strengen lauff.

Allein Celadon fiel gleich zu ihren füssen /
Und wuste selbige so fest an sich zu schliessen /
Daß sie / was sie auch that / bey ihm darnieder sanck /
Und er sie zum gehör nach vielen klagen zwang.

Er lag / sie haltende / vor den erzürnten knien /
Und sprach: Mein fehler wird zu groß von dir beschrien.
Ich bitte durch den brand der meine seele plagt /
Durch jene demmerung die um dein auge tagt /

Durch deine tulpen-schooß / durch deine nelcken-brüste /
Durch die von beyden mir noch unbekandten lüste /
Durch deine schöne hand die mich itzt von sich stößt?
Was hab ich denn verwürckt / das zephyr dich entblößt?

Daß ich es mit beschaut / was dessen hauch verübet /
Daß ich es angerührt / was erd und himmel liebet /
Was selbst der Götter mund begierig hat geküst /
Und was der inbegriff von deiner schönheit ist.

Es ist ja deine schooß der auszug aller zierde /
Der enge sammel-platz der schmeichelnden begierde /
Das rund / wo die natur zusammen hat gedrängt /
Was sich nur reizendes den gliedern eingemengt.

Hier ist der kleine schatz der deinen reichthum zeiget /
Der lebendige thron der alle scepter beuget /
Der süsse zauber-kreyß / der unsern geist bestrickt /
Und deß beschwehrungs-wort die felsen auch entzückt.

Ach! Chloris / woltest du / daß ich gewichen wäre!
Bedencke doch die schmach und deiner schönheit ehre.
Ich hätte ja die macht der liebligkeit verhöhnt /
Wenn ich nicht deine schooß mit meiner hand gekröhnt.

Kan Phrynens blosse brust des richters zunge lähmen /
Wie soll nicht deine schooß uns unser herze nehmen?
Wird man durch einen blick der Gorgonen zum stein /
Wer kan unauffgelöst bey deiner allmacht seyn?

Wer ein gefühle hat und hier doch nicht empfindet /
Wen der gedancke nur nicht alsobald entzündet /
Wer diesem schooß-altar zu opffern nicht begehrt /
Der ist viel billiger des engen stranges werth /

O möchtest du einmahl / was wir die liebe nennen/
Mehr nach den würckungen / als nach dem namen / kennen!
Du würdest / für den zorn / mir willig zugestehn /
Man könne sonder raub hier nicht zurücke gehn.

Die Chloris hatte noch bey allen diesen klagen
Noch nicht / vor scham und grimm / die augen aufgeschlagen;
Doch sah sie endlich ihn von einer seiten an /
Wodurch er neuen muth zu ihrer huld gewann.

Er suchte sie darauff mit rechten weißheits-gründen /
Und selbst aus der natur / zum beyfall zu verbinden:
Daß alles was nur lebt / was nur die liebe zwingt /
Nothwendig zu der schooß / als seiner ruhstatt / dringt.

Es hat selbst die natur / sprach er / dafür gestritten /
Nachdem sie es gesetzt recht in des leibes mitten;
Wo dieser mittelpunct der kleinen wunder-welt
Auch den geheimen zug des punctes in sich hält.

Gleichwie ein iedes ding zu seinem circkel eilet /
Der stein nicht in der lufft zu lange sich verweilet /
Das feuer rüstig fleucht / erlassen / in die höh' /
Und ieder fluß verläufft in seine mittel-see:

So wird vielmehr zur schooß / dem mittel-punct im lieben /
Was geist und othem hat / durchdringend angetrieben.
So grimmig ist kein bär / hier hält er keinen stich /
Ihn reist der kleine punct / so wild er ist / zu sich.

Das schuppen-vieh im meer / was hilfft sein schnelles schwimmen?
Es muß durch diesen zug doch an einander klimmen;
Der vogel in der lufft ist schichtern / schlau und leicht /
Doch siehst du wie ihn stets das weibgen nach sich zeucht.

Vor allen aber hat der mensch den trieb empfangen /
Und unsere vernufft vermehret das verlangen;
Die auch viel eyfriger nach dieser heymat strebt /
Und sich nicht eh vergnügt / als biß man daran klebt.

Wie der magnet mit macht das eisen an sich ziehet /
Wie nach dem norden-pol die nadel schlägt und siehet /
So ist der liebsten schooß der nord und der magnet /
Wohin der ganze wunsch warhaffter menschen geht.

Man sagt: die Venus sey / ihr wesen zu verstellen /
Nicht nach gemeiner art / besonders aus den wellen
In einer muschel helm empfangen und gezeugt /
Wo sie des meeres schaum gewieget und gesäugt.

Wer glaubet solches nicht / der Venus thun erweget?
Weil aber eine schooß der muschel bildniß träget /
Glaub ich / daß Venus gar / was sie ans licht gebracht /
Hernach zu einer schooß der ganzen welt gemacht.

Daß / als die herrscherin ihr muschel-schiff verlassen /
Sie / aller menschen herz in diesen schrein zu fassen /
Die muschel in die schooß der weiber eingeschrenckt /
Und sich nachgehends selbst / zur wohnung / nachgesenckt.

Wenn diesem also ist / wie wir es glauben müssen /
Kein wunder daß uns denn die schooß zu sich gerissen /
Wo alle reitzungen / wo Venus und ihr kind /
Die liebe / ja wir selbst / mit ihr gebohren sind.

Kein wunder daß man wünscht in dieser muschel-wiegen /
Weil sie darinnen wohnt / der Venus beyzuliegen /
Daß man die liebe sucht / wo ihre lager-statt /
Da / wo diß kleine schild ihr hauß bezeichnet hat.

Die liebe will auch sonst sich nirgends lassen dienen /
In dieser hölen ist sie einzig uns erschienen /
Diß ist der Götter-hayn / wo sie sich offenbahrt /
Und unser herz zugleich erforchet / prüfft und paart.

Weil die natur das herz in uns verdecken wollen /
Wie hätten wir es doch iemahls erkennen sollen /
Wofern die liebe nicht die schooß darzu ersehn /
Das unsichtbare herz durch wercke zu verstehn?

So aber können wir es höchsterwünscht ergründen /
Was nicht das auge sieht / läst uns die schooß empfinden;
An statt sich nur zu sehn / so spührt man das gemüth /
Und siehet durch die that was nicht das auge sieht.

Wenn denn ein treues paar in süsser glut entglommen /
Und deren seelen nun zusammen wollen kommen /
Bescheiden sie sich nur an den bestimmten ort /
Und dieses schifflein setzt sie über an den port.

Da sprechen sie sich denn / da lernen sie sich fühlen /
Da wissen sie im fleisch zu brennen und zu spielen /
Biß der versteckte leim aus allen adern schäumt /
Und den vermischten geist gar aneinander leimt.

Ach Chloris / die du habest mich erwehlt /
Woraus erkenn ich es / wenn du mir das verheelet /
Was die natur uns selbst zur ruhestatt gesetzt /
Und wornach man allein der liebe warheit schätzt?

Ein freund ist nicht ein freund / der uns was kan verhalten /
So lang er uns / mit sich / nicht läst nach willen schalten;
So lange hat gewiß die liebe nichts gethan /
Als sie nicht alles gibt / was sie nur geben kan.

Du aber hast mir gar den besten theil entzogen /
Dein leib weiß nichts davon daß mir dein herz gewogen /
Das herze sieht man nicht / der leib muß zeuge seyn /
Wem glaub ich? du sprichst ja / und deine schooß spricht nein.

Was hab ich zum voraus vor andern die dich kennen?
Liebstu mich nicht genug / mir diß von dir zu gönnen?
Ich bin im eigenthum ein unbekandter gast /
Und für wen sparestu das liebste das du hast?

Du wirst doch diesen schatz nicht für dich selbst vergraben:
Wie / oder soll es gar ein ander als ich haben?
Nein Chloris / höret mir dein herze / wie man spricht /
So wehre mir denn auch des herzens eingang nicht.

Er fuhr voll eyffers auff / um dieses unrechts willen.
Doch Chloris wust bald ihn wieder zu bestillen;
Sie zog / nunmehr erweicht / nach dem bezeugten haß /
Den ausgesöhnten feind mitleidig in das graß.

Man meynt: daß weil er sich bescheiden überwunden /
Der Chloris schooß gesehn / und einmahl bloß gefunden /
Die Götter ihn hieher auch wunderbar gebracht /
Sie endlich seiner treu beständigkeit bedacht;

Sie endlich ihn getröst nach seinem langen leiden /
So daß auch dessen glück die gegend wollen neiden;
Sie aber nach der zeit / wenn ihnen was gefehlt /
Diß süsse sorgen-grab zur linderung gewählt.


Gedicht aus: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen
auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte:
Benjamin Neukirchs Anthologie
Tübingen : Niemeyer, 1961 (Neudrucke deutscher Literaturwerke)

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