Das Liebes-Poetische Manuskript N° 2

Erotische Gedichte

(c) Klaus Ender



Johann Peter Uz
(1720-1796)

Ein Traum

O Traum, der mich entzücket!
Was hab ich nicht erblicket!
Ich warf die müden Glieder
In einem Thale nieder,
Wo einen Teich, der silbern floß,
Ein schattigtes Gebüsch umschloß.

Da sah ich durch die Sträuche
Mein Mädchen bey dem Teiche.
Das hatte sich, zum Baden,
Der Kleider meist entladen,
Bis auf ein untreu weiß Gewand,
Das keinem Lüftgen widerstand.

Der freye Busen lachte,
Den Jugend reizend machte.
Mein Blick blieb sehnend stehen
Bey diesen regen Höhen,
Wo Zephyr unter Lilien blies
Und sich die Wollust greifen ließ.

Sie fieng nun an, o Freuden!
Sich vollends auszukleiden;
Doch, ach! indems geschiehet,
Erwach ich und sie fliehet.
O schlief ich doch von neuem ein!
Nun wird sie wohl im Wasser seyn.




Gedicht aus: Johann Peter Uz, Sämtliche Poetische Werke,
Hrsg. von August Sauer, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1964
(Unveränderter reprografischer Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1890;
Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts Nr 33-38)

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