|  Teodor Axentowicz
 (1859-1938)
 Frauen-Porträt
 
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 Polyxena Sergejewna 
      Solowjowa
 (1867-1924)
 
 
 
 
 
 Ich harrte dein in Hoffen und in Bangen,
 wie nach dem Frühlicht sich der Kranke sehnt …
 Es losch der Tag; der Abendsonne Prangen
 hielt fern und nah der Berge Grat umkrönt.
 
 Ich harrte dein … Ich sah die Dämmrung fluten,
 rings Frieden streuend, allgemach talein.
 In meinem Busen flammten Liebesgluten,
 in meinem Herzen lebtest du allein.
 
 Schon ragten auf die Kuppen schroff und schwärzlich …
 Schon schlief der See, in schwarzer Nacht erstarrt …
 Ich harrte dein so sehnsuchtheiß, so schmerzlich,
 so flehentlich … wie man des Glücks nur harrt!
 
 
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 Ein blühender Zweig neigte tief sich herab zu den Fluten,
 die durchsichtig rein und verklärt vom Abendglanz ruhten.
 Er streute Blüten hernieder und sprach: "Wie ich sehne
 mich liebevoll nur nach deiner goldstrahlenden Schöne!"
 Da scholl die Antwort: "Schön bin ich in strahlendem Golde,
 seitdem ich liebevoll spiegle dein Bildnis, das holde!"
 
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 Gleich dem goldenen Abendstern blickst du so rein,
 so unnahbar, so hold, so voll Segen!
 Gleich der Meerflut erbraus ich im Abendrotschein
 und schwell auf, deinen Strahlen entgegen.
 
 O vergiß deine Ruh und blick mitleidvoll mild
 auf das Weh meines Herzens, das schwere -
 und es wird als ein Abendstern strahlen dein Bild
 in der Brust mir, dem tiefstillen Meere …
 
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 O schweige von der Zeit, die spurlos längst verflossen!
 Aus der Erinnerung sei ewig sie gebannt!
 Der Leichnam ist verbrannt, die Urne ist geschlossen -
 und öffnen soll sie keine Hand!
 
 Je lichter uns gestrahlt das Einst, verklärt durch Liebe,
 um desto finstrer scheint die Gegenwart zu sein.
 Wo hell wir einst gelacht, da lächeln heut wir trübe,
 und Qualm ersetzt den Kerzenschein.
 
 Doch ob dein Herz auch glüht in seligem Erbeben -
 ruf die Vergangenheit nicht aus dem Grab zurück!
 Laß in die Zukunft uns, die ferne, rastlos streben:
 vielleicht verbirgt sich dort das Glück!
 
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 Einst am Fluß, voll Dranges nach dem Schönen,
 schritten wir auf unbetretner Bahn:
 ich – mit meinem rosenroten Sehnen,
 du – mit deinem lilienweißen Wahn.
 Und wohin den Blick ich mochte wenden,
 und wohin dein Auge immer sah -
 da erblühten Rosen allerenden
 und erblühten Lilien zahllos da.
 Und Geschlechter kamen und vergingen,
 ihre Wege lagen uns entrückt.
 Märchen hörten wir den Fluß uns singen,
 und den Märchen lauschten wir verzückt.
 Sahen wir von fern das Dunkel gähnen -
 kämpften wir mit ihm bei seinem Nahn:
 ich – mit meinem rosenroten Sehnen,
 du – mit deinem lilienweißen Wahn.
 Und derselbe Weg ist's – ob vergangen
 Jahre sind – der uns gen Westen zieht,
 wo uns leuchtet ewges Sonnenprangen,
 wo uns singt die Ewigkeit ihr Lied.
 Hand in Hand noch streben wir zum Schönen,
 keiner Menschensatzung untertan:
 ich – mit meinem rosenroten Sehnen,
 du – mit deinem Lilienweißen Wahn.
 
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        Biographie:Tochter des Historikers Sergej Michajlowitsch Solowjew, sowie Schwester 
        des Philosophen Wladimir und des Romanschriftstellers Wsowold S. 
        Solowjew. – wurde am 1. April / 20. März 1867 in Moskau geboren, wo sie 
        eine häusliche Erziehung erhielt und eine hervorragende Zeichenschule 
        besuchte; einige ihrer Bilder figurierten auf Gemäldeausstellungen. 1885 
        betrat sie die literarische Laufbahn. Ihre Gedichte veröffentlichte sie 
        unter dem Pseudonym "Allegro"; sie erschienen gesammelt in zwei Bänden, 
        beide mit Vignetten der Dichterin geschmückt.
 
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        Gedichte 
        und Biographie aus: Russische Dichterinnen. Ausgewählte Dichtungen übertragen und mit 
        biographischen Notizen versehen von Friedrich Fiedler.Leipzig Verlag von Philipp Reclam jun. 1907
 
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