Nadeshda Dmitrijewna Chwostschinskaja
(1825-1889)
Wir haben längst mit dem Verstand
geprüft das Herz – warum es leidet.
Wir wissen, daß uns alles schwand
und daß das Glück uns übel kleidet.
Wir wissen's: außer Seelenpein
erwartet nichts uns mehr hienieden,
und sehen kühl vernünftig ein:
das Beste ist – der Wehmut Frieden.
Und dennoch hüten wir vor Raub
den Traum im Herzensheiligtume …
So pflanzen Kinder in den Staub
voll Hoffnung eine welke Blume.
_____
Biographie:
wurde am 1. Juni / 20. Mai 1825 in Rjasanj als Tochter eines
unbemittelten Beamten geboren. Die ersten Lebensjahre verliefen unter
dem Druck materieller Not. Ihre Bildung erhielt die Dichterin zu Hause.
1860 verliebte sich der Lyriker Stscherbina in sie und machte ihr einen
Heiratsantrag. Doch vermählte sie sich fünf Jahre später mit dem Arzt
Saiontschkowskij; die Ehe war unglücklich. -
Sie starb am 20. / 8. Juni 1889 ganz mittellos in Alt-Peterhof bei
Petersburg. – Unter dem Pseudonym "W. Krestowskij" veröffentlichte
Nadeshda Dmitrijewna eine lange Reihe mit Beifall aufgenommener Romane
und Novellen, die 1892 gesammelt erschienen.
_____
Gedichte
und Biographie aus: Russische Dichterinnen. Ausgewählte Dichtungen übertragen und mit
biographischen Notizen versehen von Friedrich Fiedler.
Leipzig Verlag von Philipp Reclam jun. 1907
|