Das Liebes-Poetische Manuskript
N° 4
Frauen - Liebe und - Leid Liebesgedichte von Frauen
Rachel Ruysch (1664-1750) Blumenstrauß |
Ada Christen (1839-1901) Eine Nacht Ich hab' einen schönen Traum geträumt In einer langen Nacht; Da warst du gut und freundlich mit mir, Doch hat's mich traurig gemacht. Du hieltest mich an die Brust gedrückt, Unser Athem hat sich vereint; Ich habe dir leise die Hände geküßt Und leise dabei geweint. Du legtest die Hände mir auf's Haupt Und sahst mich forschend an; Ich aber weinte immer fort: Du hast mir Leides gethan. »Und hab' ich dir auch Leides gethan, Vergiß es nur geschwind Und weine nicht« - so sagtest du, »Mein armes verlorenes Kind!« »Du sollst nicht mehr verlassen sein, Ich will dich hegen und pflegen, Und weil du bald stirbst, so will ich Dich selber zur Ruhe legen.« - Ich aber weinte immer fort In der langen bangen Nacht - Und bin wieder einsam, verlassen Am Morgen aufgewacht. |
Gedicht aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869