Das Liebes-Poetische Manuskript
N° 4
Frauen - Liebe und - Leid Liebesgedichte von Frauen
Jan Fyt (1611-1661) Vase mit Blumen |
Ada Christen (1839-1901) Herzblut I. O könnt' ich Alles geben, Was dieses Herz bewegt, Und all die tausend Gedanken, Die wüst mein Schädel hegt! Es dränget heiß zur Lippe, Was mir das Herz zerbricht; Ich kenn' es, ach, ich fühl es - Doch sagen kann ich's nicht! II. Es fragen mich die Menschen, Was mich so elend gemacht Ich sag' euch, ich habe mein Elend Mit auf die Welt gebracht. Es liegt in meinem Fühlen In dem halbentfesselten Geist, Der aufwärts will und den Alles Zur Erde doch wieder reißt. III. Ich blickte jüngst in mich - So recht in's Herz hinein Und glaubte noch etwas zu finden Von dem, was einstens mein. Ich sah mein verlorenes Eden, Mein versunkenes Paradies, Mich selbst den gefallenen Engel, Den Himmel und Erde verstieß. IV. Ach nur einmal möcht ich sinken Noch in deine Arme hin, Und nur einmal noch vergessen Was ich war und was ich bin! Ach nur einmal so dich sehen Wie du einst gewesen bist; Und dann Alles wieder leiden, Was schon war und was noch ist. V. Nur eine Thräne gebt mir wieder, Nur eine einz'ge will ich haben! Mit dieser Thräne aber will Das todeskranke Herze laben. In diese Thräne will ich senken, Mein ganzes namenloses Weh, Mit dieser Thräne will ich sagen, Was ich stets fühl' und kaum versteh'! VI. Ach, ihr wißt nicht, wie sich's lebt, Athmet in der Trunkenheit Einer Liebe, die befreit, Die begeistert, die erhebt! Ach, ihr wißt nicht, wie sich's lebt, Athmet in Versunkenheit Einer Liebe, die entweiht, An der Schmach und Elend klebt! VII. Von dem, was ich besessen, Ist wenig mir geblieben, Von meinem süßen Träumen, Von Glauben, Hoffen, Lieben! Nur schmerzliches Erinnern Ist's, was das Herz behielt, Verachtung, Haß und Thräne - Und eines Mannes Bild. VIII. »Heut haben wir schönes Wetter.« »O ja, recht schönes, mein Herr!« Das sind so unsre Gespräche, So kalt, so dumm, so leer. Du streichelst mir fragend die Wange, Du kennst das gewisse Roth; Für dich ist's nichts als Schminke - Für mich: in der Brust der Tod. IX. Ich hab' in langen Tagen Gar oft an dich gedacht, Ich hab' in langen Nächten Gehofft, geweint, gewacht. Wie einstmals sitz' ich wieder Beim abgebrannten Licht; Ich wache - aber hoffen Und weinen kann ich nicht. X. Ich weinte um den Frühling - Ich Thörin! Ich weinte um die Blumen, Die alle verblüht und verwelkt - Ich Thörin! Wer weint um meine Jugend? Wer weint um meine Träume? - - XI. Sieh', in dies dein theures Bildniß Möcht ich mich so ganz versenken; Könnt' ich, ach! dem Bilde doch Athem, Leben, Sprache schenken! Könnt' ich in die kalten Formen Gluth und Blut und Liebe gießen, Könnt ich diese lieben Hände Heiß zu heißem Drucke küssen! - Ach, ich kann es nicht. Es bleibet Kalt und stumm in stolzer Ruh'! Aber du bist gut getroffen: Denn es ist so ganz wie du! XII. Wenn ich ihn manchmal sah, Hab' ich gezittert, gebangt; Und dennoch wieder hab' ich Nur ihn zu sehen verlangt. Und wenn er im Vorbeigehen Nur leicht mein Kleid berührt, Hab ich noch lang darüber Mit den Blumen diskurirt. XIII. Da sprach er so lieb und so freundlich, So zärtlich, gütig und mild; Man konnte beinahe glauben, Er hab' auch Alles gefühlt. Doch plötzlich dieser Blick, Dies Lächeln - o mein Gott! Dies höhnische Compliment - Ich wollt', ich wäre todt! XIV. Ach ja, es ist nur allzu wahr, Was nützt dir mein Lieben und Leben, Und würd ich aus den Adern Mein rothes Blut dir geben. Blut ist Blut und bleibt es, Und wird ja nie zu Geld, Und Geld gehört zum Leben: Das ist der Lauf der Welt. Mein Leben nützt dir nichts; Bezahlte man mich für's Sterben, Ich stürbe ja gerne morgen Um alles dir zu vererben. XV. Ich sehne mich nach wilden Küssen, Nach wollustheißen Fieberschauern; Ich will die Nacht am hellen Tag Nicht schon in banger Qual durchtrauern. Noch schlägt mein Herz mit raschem Drang, Noch brennt die Wang' in Jugendgluthen - Steh' still, lösch' aus mit einem Mal! Nur nicht so tropfenweis verbluten. XVI. Wie unglücklich hast du mich gemacht! Und doch, ich kann dich nicht lassen; Ich liebe dich stets mehr und mehr - Und sollte dich endlos hassen. Mein letzter Stern ging unter, Als du dich von mir gewandt: Da bin ich mit vollem Herzen In's leere Leben gerannt. XVII. »Dein Vers hat nicht das rechte Maaß,« So will man mich verweisen, »An Fluß und Glätte fehlt es ihm« - Und wie sie's sonst noch heißen. Sie zählen an den Fingern ab, Verbessern wohl zehnmal wieder; Ich leg' die Hand auf mein blutendes Herz: Was das sagt, schreib' ich nieder. |
Gedicht aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869