Das Liebes-Poetische Manuskript N° 41

Das Süße in der Liebe

in Gedichten deutscher Dichterinnen
 

So möcht' ich alles Himmlische durchmessen,
Und alles Erdensüße dieser Liebe,
Und kein Geheimnis ihres Seins vergessen.

Alberta von Puttkamer (1849-1923)
    

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Das ganze Gedicht:

Aus: Herbst- und Liebesterzinen (4.)

So möcht' ich alles Himmlische durchmessen,
Und alles Erdensüße dieser Liebe,
Und kein Geheimnis ihres Seins vergessen.

Daß mir verschleiert nichts mehr in dir bliebe,
Kein Glück, kein Irrtum, keiner Wunde Leid,
Kein zartester und größter deiner Triebe.

Und siehst du, Liebster, unsre Erdenzeit,
Würd' ich mit solchem Ueberreichtum fülle,
Kein Himmel wär' für seine Wonnen weit!

Und ob der Inhalt wechselt in den Hüllen,
Ob Arbeit, ob Genuß, ob Kampf er heißt,
Im Ueberschwang des Glücks, in Traumesstillen

Entwirkte sich derselbe Göttergeist.
Ich wäre toll und weise, fromm und wild,
Wie mir der Stunde Gunst den Weg verheißt!

Bald streiften wir durch goldnes Lenzgefild,
Auf schlankem Roß durchbrächen wir die Hecken,
Du jagtest mir voran, ein Heldenbild.

Dem Wind nach, uns mit Knospenzweigen necken,
Vom Sattel springen, blaue Falter jagen,
Und hinter jungen Schlehen uns verstecken!

Und würden dann in ersten Sommertagen
Durch reife, mohngestickte Felder gehen,
Und uns gar lebensernste Dinge sagen.

Mit großen Augen ins Zukünft'ge spähen,
Und aus Folianten milde Weisheit schlürfen,
In Wettern jauchzend bei einander stehen;

Und wenn uns Donnerschläge niederwürfen,
Und unter uns erzitterte die Scholle,
Dann ruhig Herz an Herzen atmen dürfen,

Uns küssen mitten im Gewittergrolle,
Um alles, was uns beiden ward gegeben,
Das Allerletzte, Tiefgeheimnisvolle.

Den Gott und Menschen in uns auszuleben!

aus: Offenbarungen. Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Stuttgart 1894

 


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