Das Liebes-Poetische Manuskript N° 6

Amor persönlich
Gedichte über Amor

Denis-Antoine Chaudet (1763-1810) - Cupido

 


Wilhelm Müller
(1794-1827)

Amors Feder

Jüngst sah ich einen Knaben
Mit rosenrothen Flügeln
An einem Rohre schnitzen.
Dacht' ich: 'S ist eine Feder:
Und bat darum den kleinen.
Er warf sie mir entgegen
Grad' auf die Brust, und lachte.
Was hat er denn zu lachen?
Fragt' ich mich selbst und setzte
Mich nieder, um zu schreiben
An meine gute Mutter.
Doch, ach, die arge Feder!
Ich kann kein andres Wörtchen
Damit, als Liebe, schreiben,
Und immer, wenn ich schreibe,
Denk' ich an schmucke Mädchen.



Gedicht aus: Gedichte von Wilhelm Müller. Vollständige kritische Ausgabe
bearbeitet von James Taft Hatfield. Berlin W. 35 B. Behr's Verlag 1906.
(Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts
No. 137 Kraus Reprint Nendeln / Liechtenstein 1968)

 

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