Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Der Marner
(um 1246 – 1267)




Drohung

Sommer, deine Ankunft hat die Heide
Froh gemacht!
Wer den Winter traurig war wie ich,
Freut sich deiner prächtigen Augenweide,
Habt nur acht,
Wie der Wald ein Laubdach wölbt ob sich,
Wie die Vögel süß darunter singen,
Die bald manchem Herzen Freude bringen,
Herz, und was erfreuet dich?
Die du liebst, ist minniglich,
Also sprich!

Wie der Mai nun bunt macht alle Blümchen:
Rosen rot,
Veilchen blau und Lilien weiß und rein!
Doch gefällt mir mehr mein liebes Mühmchen,
Zwar sie bot,
Als ein Jawort ich erhofft, ein Nein!
Ach, und soll ich mich dabei begnügen?
Männer, sprach sie lachend, Männer trügen.
Fragt ich, wo denn das geschah?
Sprach sie: hier und da,
Fern und nah!

Darf den treuen Freund ein Mädchen hassen?
Minne, sprich;
Wie geziemt das meinem Lieb und dir?
Nicht zulang soll man ihn schmachten lassen.
Will sie mich,
Nun wohlan, die Zeit wär passend mir:
Muß sonst für die zarte Blüte bangen,
Wenn der Herbstwind kommt ins Land gegangen!
Leicht verändert sich Begier:
Noch von Herzen dien ich ihr -
Lohn sies mir!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 125)

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