Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Der von Sachsendorf
(um 1250)



Die Feuerprobe

Minne, lenkst du, wie man sagt, der guten Frauen Herzen,
Hilf bei Zeiten mir, ich leide Noth;
Bitte doch die Gute, daß sie scheuche meine Schmerzen,
Sonst verschuldest du es, lieg' ich todt;
Bitten will die Gut' ich selbst, so gut ich's immer kann;
Doch ich weiß nur dies: Kein Weib ward lieber einem Mann.

Meinen Freunden will ich's künden, daß mir Leid gegeben
Eine, die mir lieber ist, als ich.
Manchen Tag hat ihrer Huld gegolten all mein Streben,
Aber ach! gar wenig fördert's mich.
Wie gesonnen bin ich, daß von ihr ich nimmer kann
Seel' und Sinne scheiden? Ach, was sprech' ich thör'ger Mann!

Hat sie meine Treue noch erprobt nicht zur Genüge,
Wie ein Freund es mit dem Freunde thut:
So erlaub' ich gern ihr, wenn sie das bedünkt gefüge,
Mich zu rösten recht in Liebesglut.
Aller Makel werd' an mir geläutert ganz und gar;
Und geschah's, so nehm' als Freundes mein sie lieber wahr.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 52-53)

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