Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Friedrich von Hausen
(1150/60 - 1190)

 

Lieber Neid als keine Liebe

Auf ihrer Gunst beruht mein Glück allein,
Dran hindert mich kein Hüter, wie ers treib.
Kein Dienst, kein Freundesrat kann nutz mir sein,
Noch daß sie lieb mir wie mein eigner Leib.
Sie selbst nur kann Huld mir und Gnade entziehn,
Sie selbst nur zufügen ein Herzeleid mir;
Was klagt ich denn über die Späher bei ihr,
Braucht solche Bewachung ich nimmer zu fliehn?

Ja manches Herz kränkt solches Hüten schwer,
Man hört sie klagen wie um große Not;
Mein Herz jedoch verlangt nichts heißer mehr,
Als solche Hut zu dulden bis zum Tod.
Wer hat wohl ein Glück ohne Leid je erzielt?
Drum trachtete stets ich nach solcher Art Leid,
Doch leider erwarb ich noch niemals mir Neid,
Das Glück hat mir da gar seltsam gespielt.

Wahr ists, von jenem Kummer bin ich frei,
Den sonst befürchtet manch verliebter Mann;
Und frei vor Wächtern ist mein Herz dabei,
Mich kränkts, daß ich vor ihnen Ruh gewann.
Ach gerne erlitt ich wohl immer die Pein,
Verdient ich mit Recht ihren Haß mir nur noch;
Denn Minneleid wäre lieber mir doch,
Als daß ich der beiden ganz ledig sollt sein.

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 32-33)

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Lieber Neid als ohne Liebe


Auf ihrer Gnade ruht mein Glück allein,
Dran hindern keine Hüter mich und auch kein Neid.
Mir hilft kein Dienst, kein Rat der Freunde mein,
Noch daß sie lieb mir ist so wie mein eig'ner Leib.
Sie allein nur, sie kann ihre Huld mir entziehen,
Sie allein nur, sie thut mir mein Herzeleid an.
Wie sollt' über Späher ich klagen noch dann,
Wenn ich solcherlei Hut nimmer brauche zu fliehen?

Manches Herz betrübt solch' Hüten schwer,
Man klagt gar sehr darum wie über bittre Not;
Mein Herz jedoch begehrt nichts heißer mehr,
Als solche Hut zu leiden bis zu meinem Tod.
Wer hat Freude wohl je ohne Kummer gefühlet?
Drum strebte ich immer nach solcherlei Leid.
Doch leider erwarb ich noch niemals mir Neid.
Das Glück hat da wunderlich mit mir gespielet.

Von jenem Leide bin ich leider frei,
Das sonst befürchten muß manch liebesel'ger Mann,
Und frei vor Wächtern ist das Herze mein,
Mich schmerzt es, daß ich Ruh' vor ihnen haben kann.
Gerne wollt' immer die Not ich wohl leiden,
Wenn ich mit Recht ihren Haß nur erführ'.
Minneneid wäre stets lieber doch mir,
Als daß ich nun ganz ohne beides muß bleiben.

Nachgedichtet von Bruno Obermann


Aus: Deutscher Minnesang Lieder aus dem
zwölften bis vierzehnten Jahrhundert
Übertragen von Bruno Obermann
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. o. J. (1890) (S. 50-51)

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