Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Hartwig von Raute
(um 1188)

 

Das größte Leid

In Kummer muß die Sorge mich versenken,
Denk ich der Freunde all im Heimatland;
Ob sie wohl mein in Güte dort gedenken,
Wie hier ich ihrer treu und unverwandt?
Die stets mich fest in ihrem Dienst erkannt,
Sollt ihre Gunst um Gottes halb mir schenken,
Weil sie in meinem Sinn nie Falschheit fand.

Wer da noch glaubt, mein Leiden müsse enden,
Der kennt nicht meines Herzens tiefes Leid,
Den Kummer nicht, den keiner mir kann wenden,
Es sei die Holde denn dazu bereit.
Von dieser Qual seh ich mich nie befreit,
Sie wolle denn mir ihren Boten senden,
Dem ich entgegenseh schon lange Zeit.

Mag auf dem Fuße mir der Tod nachjagen
Und Ungemach mir drohen hier und da,
So will ich ihrem Dienst doch nie entsagen!
Und wenn ich allem Unheil noch so nah,
Und manchen seine Schuld bekennen sah,
Am meisten gab mir immer Grund zu klagen,
Daß niemals Gnade mir von ihr geschah!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 38)

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