Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Heinrich Hetzbold von Weißensee
(um 1310 - 1345)



Schöner Glanz

Muth und Kraft ist gar zerronnen,
Seit mich grüßt' ihr rother Mund;
Freude wär' und Lust gewonnen,
Könnt' ich Rach' aus Herzensgrund
Nehmen und ihn schrecken.
Ach, das wäre wonniglich!
Sieht er doch, als wollt' er necken:
"Wag' es wer und küsse mich!"

Gott beschütze stets und hüte
Mild die Traute doch vor Leid;
Die zu selt'ner Schön' erblühte,
Muß ich loben allezeit.
Nimmer sah so kecken
Mund ich noch so säuberlich;
Steht er doch, als wollt' er necken:
"Wag' es wer und küsse mich!"

Süßes Lieb, so hab' Erbarmen
Und besänft'ge mir die Pein.
Dürft' ich doch mit weißen Armen
Freudiglich umfangen sein
Einst von gutem Weibe!
Wonne wär' es gar und ganz;
Doch wie sehr ich's auch betreibe,
Sie nur ist mein 'Schöner Glanz'.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 243-244)

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