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      Heinrich von Stretelingen 
      (um 1260) 
      
       
       
       
      Erneute Klage 
      
       
      Ach, der ich vor allen Frauen  
      Bis ich einmal sterben sollt  
      Dienen wollt,  
      Hat getäuscht mir mein Vertrauen  
      Und betrübt mich auf den Tod.  
      Ach der Not!  
      Ach, wenn sie mir gnädig tut,  
      Will ich Mut,  
      Gut,  
      Leib und Leben  
      Gern ihr geben! 
       
      Als ich unlängst ihr erkläre  
      Was ich um sie dulde noch,  
      Tat sie doch,  
      Alsob ich ein Heide wäre,  
      Daß der Mut mir niederstieg  
      Und ich schwieg!  
      Ach, wenn sie mir gnädig tut,  
      Will ich Mut,  
      Gut,  
      Leib und Leben  
      Gern ihr geben! 
       
      Seit sie, die ich in mir trage,  
      Zu verschweigen mir gebot  
      Meine Not,  
      Mach ich meines Kummers Klage,  
      Wohin ich des Landes fahr,  
      Offenbar.  
      Ach, wenn sie mir gnädig tut,  
      Will ich Mut,  
      Gut,  
      Leib und Leben  
      Gern ihr geben! 
       
      Ihrer Augen Strahlenschimmer  
      Hat versehrt mich voller Schmerz  
      Bis ins Herz;  
      Lange leben kann ich nimmer,  
      Und mir giebt ihr Mündlein rot  
      Bald den Tod.  
      Ach, wenn sie mir gnädig tut,  
      Will ich Mut,  
      Gut,  
      Leib und Leben  
      Gern ihr geben! 
       
      Wie sie mit Gewalt mich zwinge,  
      Ich muß leiden; kein Gericht  
      Frei mich spricht!  
      Wes ich mich auch unterfinge,  
      Sie betrachtet recht und schlecht  
      Mich als Knecht!  
      Ach, wenn sie mir gnädig tut,  
      Will ich Mut,  
      Gut,  
      Leib und Leben  
      Gern ihr geben!  
       
      
      
      Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934) 
       
      Aus: Der 
      Herrin ein Grüßen 
      Deutsche Minnelieder 
      aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert, 
      ausgewählt und nachgedichtet 
      von Richard Zoozmann 
      Leipzig 1915 (S. 194-195) 
      
       
      
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