Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Herr Neune
(um 1260)



Unerschütterlich

Schüf mir nichts andres Leid noch Weh,
So klagt ich um den grünen Klee,
Den uns des Winters Frost und Schnee
Vernichtet hat: das schafft mir Gram und Schmerzen.
Nun geht mir nah ein neues Leid,
Daß ihre Minne mir nicht weiht
Die Frau, der mit Beständigkeit
Gedient ich hab aus liebevollstem Herzen.

Die von den Frauen allen
Als Beste mir gefallen,
Will die mich nun verderben so?
Wer macht mich fernerhin dann froh?
Ja Sünde wärs, verführ sie so aufs neue.
Ich war getreu ihr immer,
Und werde wanken nimmer.
So wahrhaft wie ein Spiegel strahlt,
Hart wie Demant, den nichts zermahlt,
So steht zu ihr mein Herz in sichrer Treue.

Wohl der Minne!
Meine Sinne
Lehrt sie,
Kehrt sie
Hin zum Besten, die jemals die Welt gekannt.
Wohl der Güte!
Ihr Gemüte
Lachen
Machen
Herz und Sinn mir kann, wenn sie nur wird genannt.
Eh ich scheide,
Eh ich meide
Quälend
Elend,
Eher werde Rom und England doch verbrannt!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 190)

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Unerschütterlich

Thät' andres Leid mir nicht so weh,
So klagt ich um den grünen Klee,
Den uns der kalte Reif und Schnee
Vernichtet hat; das macht mir Gram und Schmerzen.
Nun geht mir nah ein andres Leid,
Daß ihre Huld mir nimmer weiht
Ein holdes Weib, der alle Zeit
Mit ganzer Treu' ich diente recht von Herzen.
Die immer mir vor allen
Als Fraue muß gefallen,
Will mich die verderben so,
Wer wird alsdann mich machen froh?
's ist Sünde, handelt so sie stets auf's Neue.
Ich war getreu ihr immer,
Und wanken werd' ich nimmer.
Schöner als ein Spiegelglas
Und härter als ein Adamas:
So steht zu ihr mein Herz in rechter Treue.
Wohl der Minne!
Die meine Sinne
Lehret
Und sie kehret
Auf der Besten eine hin, die man auf Erden kennet.
Wohl der Güte!
Denn ihr Gemüte
Machet,
Daß mir lachet
Alles, Herz und Sinn zugleich, wenn man sie vor mir nennet.
Eh ich scheide
Von ihr und meide
Schmerzen
Tief im Herzen,
Seh' ich lieber, daß man Rom und Engelland verbrennet.

Nachgedichtet von Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 56-57)

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