Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Herzog Heinrich von Breslau
(1266 – 1290)
 

 

Der Minnehof

Dir klag ich, Mai, dir klag ich, Sommerwonne,
Dir klag ich, Heide licht und breit,
Dir klag ich, blendendweißer Klee,
Dir klag ich, grüner Wald, dir klag ich, Sonne,
Dir klag ich, Venus, sehnend Leid,
Daß mir die Liebste tut so weh.
Wollt ihr die Sache schlichten,
So glaub ich, müsse sich die Liebe richten
Wohl auf ein Weib, so minniglich;
Nun laßt um Gott euch meinen Kummer melden,
Und steht mir bei und tröstet mich.

"Was tut sie dir? laß hören ihr Verschulden,
Daß ohne Grund ihr nichts gescheh
Von uns; so forderts weiser Sinn." –
Ich wähne zwar, ich stünd bei ihr in Hulden,
Doch wenn ich wünschend weiter geh,
Sagt sie: ich stürbe, eh Gewinn
Von ihr mir würd zuteile!
Das ist ein Tod dem minniglichen Heile!
O weh, daß ich sie je ersah,
Von der mir für herzliebe treue Minne
So bittres Ungemach geschah. –

"So will als Mai den Blumen ich befehlen,
Den Rosen rot, den Lilien weiß,
Daß jede sich vor ihr verschließt." –
"Und ich als Sommerwonne will ihr hehlen
Der kleinen Vöglein süßen Fleiß,
Daß deren Schweigen sie verdrießt." –
"Ich Heide will sie fangen,
Wenn sie nach lichten Blumen kommt gegangen,
Und will sie halten fest bei mir.
So sei denn Fehde angesagt der Guten:
Vielleicht wird dann sie gnädig dir." –

"Ich leuchtender Klee will rächen dich mit Gleißen,
Daß wenn ihr Blick auf mir verweilt,
Vor meinem Glanz sie zwinkern muß." –
"Ich grüner Wald will alles Laub zerreißen,
Wenn sie in meinen Schatten eilt,
Sie biete dir denn holden Gruß." –
"Ich Sonne will durchhitzen
Ihr Herz und Sinn; kein Schattenhut soll schützen
Sie mehr vor meinem glühenden Strahl,
Sie wolle denn mit herzenslieber Minne
Dir lindern alle Sehnsuchtsqual!" –

"Ich Venus will ihr alles das verleiden,
Was minniglich geschaffen ist,
Wenn sie an dir nicht Gnade übt." –
Ach soll sie sich von diesen Wonnen scheiden,
So stürb ich lieber dieser Frist,
Wie bitter sie mich auch betrübt. –
"Willst du dich rächen lassen,
So mach ich, daß zu allen Freudengassen
Sich ihr der Zugang öffne nie." –
O nein! nicht könnt ihr zarter Leib dies tragen!
Laßt sterben mich, laß leben sie!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 201-202)

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Der gutmüthige Kläger

Dir klag' ich, Mai, dir klag' ich, Sommerwonne,
Dir klag' ich, Haide, licht und breit,
Dir klag' ich, augenholder Klee,
Dir klag' ich, grüner Wald, dir klag' ich, Sonne,
Dir, Venus, klag' ich sehnend Leid,
Daß mir die Liebe thut so weh.
Wollt ihr euch mir verpflichten,
So glaub' ich, müsse sich die Liebe richten
Bald auf ein minnigliches Weib.
Nun nehmt um Gott zu Herzen euch den Kummer
Und rettet Leben mir und Leib.

"Was thut sie dir? Laß hören ihr Verschulden,
Daß ohne Grund ihr nichts gescheh'
Von uns; so will es weiser Sinn."
In holdem Wahn genieß' ich ihrer Hulden;
Doch wenn ich irgend weiter geh',
Sagt sie, ich stürb', eh der Gewinn
Mir werd' an ihr zu Theile.
Das ist ein Tod an minniglichem Heile.
Ach, daß ich je ihr strebte nach,
Die mir erbeut für herzliebe Minne
So bitterliches Ungemach.

"Ich Mai, ich will all meinen Blumen sagen,
Den Rosen roth, den Lilien weiß,
Daß sie vor ihr sich schließen zu."
"So will ich Sommerwonne Sorge tragen:
Der kleinen Vögel süßer Fleiß
Soll vor ihr pflegen stummer Ruh'."
"Ich Haide will sie fangen,
Wenn sie nach lichten Blumen kommt gegangen,
Und halten fest sie auf dem Rain.
Von uns sei Fehd' ihr angesagt, der Guten,
So muß sie wohl dir gnädig sein."

"Ich glänz'ger Klee will rächen dich mit Gleißen,
So oft ihr Auge nach mir blickt,
Daß sie vor Glitzern schielen muß."
"Ich grüner Wald will alles Laub zerreißen,
Wenn sie bei mir etwas beschickt,
Sie biete denn dir holden Gruß."
"Ich Sonne will durchhitzen
Ihr Herz und Sinn; kein Schattenhut für Schwitzen
Soll helfen ihr vor meinem Strahl,
Sie wolle denn mit herzelieber Liebe
Benehmen dir der Sehnsucht Qual."

"Ich Venus will ihr alles das verleiden,
Was minniglich geschaffen ist,
Erweist sie nicht dir Gunst und Huld."
Ach, sollte von den Wonnen man sie scheiden,
So stürb' ich lieber ohne Frist,
Wie groß an mir auch ihre Schuld. -
"Willst du dich rächen lassen,
So mach' ich, daß sie alle Freuden hassen
Und eine Lust ihr nahe nie."
Ihr zartes Wesen könnt' es nicht ertragen,
So laßt mich sterben, leben sie.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 138-140)

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Das Minnegericht

Ich klage dir, Mai, ich klage dir, Sommerwonne,
Ich klage dir, bunte Heide breit,
Ich klage dir, augenleuchtender Klee,
Ich klage dir, grüner Wald, ich klage dir, Sonne,
Ich klage dir, Venus, Herzeleid,
Daß mir die Liebe thut so weh.
Wenn ihr mir wolltet eure Hülfe schenken,
So hoff ich, würd' ihr harter Sinn sich lenken
Und enden meine Minnepein.
Drum laßt euch meinen Kummer klagen
Und helft mir wieder fröhlich sein.

"Was thut sie dir? Laß hören ihre Sünden!
Denn also will es weiser Rath,
Damit kein Unrecht ihre geschieht."
Oft wähnt' ich wohl, noch ihre Gunst zu finden,
Doch, als ich sie um Liebe bat
In manchem schweren Klagelied,
Da hätte sie mich eher sterben sehen,
Eh' sie geneigt ihr Ohr dem Minneflehen,
O weh, daß ich sie je erblickt,
Die mich für meine stete Liebe
Mit bittrem Ungemach bedrückt!

"Ich Mai, will allen Blumen mein befehlen,
Den Rosen roth, den Lilien weiß,
Daß sie vor ihr sich schließen zu."
"Ich Sommerwonne, will sie also quälen,
Daß meiner Vöglein süßer Fleiß
Vor ihr im Hain verstummen thu." -
"Ich bunte Heide, will den Fuß ihr fangen,
Wenn sie nach Blumen kömmt gegangen:
Dann will ich fest sie halten hier
Und will nicht eh sie von mir lassen,
Bis daß sie werde gnädig dir."

"Ich leuchtender Klee, will dich mit Scheine rächen,
Daß, wenn ihr Auge auf mich sieht,
Es vor dem Glanze schielen muß."
"Ich grüner Wald, will all mein Laub abbrechen,
Wenn sie in meine Schatten flieht,
Bis sie dir giebt den Minnegruß." -
"Ich Sonne, will das Herz ihr so durchhitzen,
Daß sie vor Schweiß kein Schattenhut soll schützen,
Und nimmer mildr' ich meinen Strahl,
Bis sie im tiefsten Busen brenne
Und ende deine Liebesqual." -

"Ich Venus, will ihr alles das verleiden,
Was minniglich geschaffen ist,
Wenn sie noch länger dich verschmäht."
O weh, ihr wollt von aller Lust sie scheiden!
Nein, lieber stürb' ich sonder Frist,
Eh' ich so großes Leid ihr thät!
"Willst du durch mich ihr Unrecht strafen lassen,
So will ich ihr verschließen alle Straßen
Wo Fröhlichkeit auf Erden wohnt."
Gemach, gemach! sie würd' erliegen,
Laßt sterben mich, doch sie verschont!

Nachgedichtet von
Wilhelm Müller (1794-1827)

Aus: Blumenlese aus den Minnesingern
Herausgegeben von Wilhelm Müller
Erste Sammlung Berlin 1816
In der Maurerschen Buchhandlung (S. 16-21)

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Zurückgenommene Klage

 Ich klage dir, Mai, ich klage dir, Sommerwonne.
Ich klage dir, lichte Haide breit,
Ich klage dir, augenstechender Klee,
Ich klage dir, grüner Wald, ich klage dir, Sonne,
Ich klage dir, Venus, sehnend Leid,
Daß mir die Liebe thut so weh.
Wollt ihr die Unbill schlichten,
So trau ich, daß die Liebe müße richten
Sich auf ein minnigliches Wesen.
Nun laßt euch meinen Kummer sein gekundet
bei Gott, und helfet mir genesen.

"Was thut sie dir? laß uns die Schuld nur wißen,
Daß ohne Grund ihr nichts gescheh
Von uns, denn das ist weiser Sinn."
Sie läßt mich ihre Huld zwar nicht vermissen,
Doch wenn ich mehr von ihr erfleh,
Sie spricht: "Ich sterb, eh der Gewinn
Dir wird von mir zu Theile."
Das ist der Tod dem minniglichen Heile.
O weh, daß ich sie je ersah,
Da mir von ihr in herzelieber Liebe
so bittres Ungemach geschah.

"So will ich Mai den Blumen mein befehlen,
Den Rosen roth, den Lilien weiß,
Daß sie sich vor ihr schließen all."
"So will ich Sommerwonne vor ihr hehlen
Der kleinen Vöglein süßen Fleiß,
Daß vor ihr schweigen soll ihr Schall."
"Ich Haide will sie fangen,
Wenn sie nach lichten Blumen kommt gegangen
Auf Mich, und will sie halten mir.
Nun sei ihr widersagt von uns, der guten:
So muß sie gnädig werden dir."

"Ich frischer Klee will mich mit Schimmer rächen,
Wenn sie die Blicke auf mich lenkt,
Daß sie vor Glänzen schielen muß."
"So will ich Wald die Blätter niederbrechen,
Wenn sie in mir zu wandeln denkt,
Sie gebe dir dann holden Gruß."
"Ich Sonne will durchhitzen
Ihr Herz und Muth; kein Schattenhut vor Schwitzen
Sie gegen mich beschirmen soll,
Sie wolle deine Herzensnoth dann wenden
Mit herzelieber Liebe Zoll."

"Ich Venus will ihr alles das verleiden
Was minniglich geschaffen ist,
Wenn sie an dir nicht Gnade übt."
O weh, soll man sie so von Wonne scheiden!
Eh wollt ich sterben sonder Frist,
So sehr sie mich auch hat betrübt.
"Willst du dich rächen laßen,
Wir schaffen, daß ihr aller Freuden Straßen
Immerdar verschloßen sein."
Ihr zarter Leib, der möcht es nicht ertragen!
Laßt Mich eh sterben, Sie gedeihn.

Nachgedichtet von
Karl Simrock (1802-1876)

Aus: Lieder der Minnesinger von Karl Simrock
R. L. Friedrichs Elberfeld 1857 (S. 23-25)

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