Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Johannes von Rinkenberg
(um 1330)

 

Der höchste Hort

Wer hat der Freuden höchsten Hort
Auf dieser Welt, daß Menschenwort
Aus tiefster Brust ihn loben soll
Mit würdiglichem Preise?
Den hat ein minnigliches Weib,
Die rein und keusch bewahrt den Leib,
Und Herz und Sinne vorsichtsvoll
Verschließt vor falscher Weise.

Solch Weib soll man auf Erden gar
Vor allen andern ehren,
Weil sie dereinst die Himmelsschar
Zum Ruhme wird vermehren.
Für ihren Wandel, treu und rein,
Wird Gott ihr Würde hier verleihn
Und ihre Seele dort fürwahr
Nach dieser Zeit
In Ewigkeit
Vollkommene Lust bescheren!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 266)

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Der reichste Schatz

Was hat den reichsten Schatz der Lust
Auf dieser Welt, daß man ihm recht aus voller Brust
Die besten Worte sagen soll zu Lob und Ehr'
und würdiglichem Preise?
Den hat ein minnigliches Weib,
Die sich bewahrt hat gar so säuberlich den Leib,
Indem sie Herz, Gemüth und Sinn vor falschem
Thun verschloß bedächt'ger Weise.
Die soll man hier auf Erden gar
Vor allen Weisen hoch und herrlich ehren,
Dieweil sie zu der Himmelschaar
Berufen ist, um sie dereinst zu mehren.
Für ihr Leben, treu und rein,
Will ihr Gott hier Ruhm verleih'n
Und ihrer Seele dort und ihrem Leib vollkomm'ne
Wonn' in Ewigkeit bescheeren.

Nachgedichtet von Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 390)

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