Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Kaiser Heinrich VI.
(1165 - 1197)

 

Gruß an die Geliebte

Ich grüße mit Gesang die Süße,
Die ich nicht lassen kann und mag.
Seit ich von Mund zu Mund sie grüße,
Ach leider her ists manchen Tag.
Wer dieses Lied nun singt vor ihr,
Die ich mit Schmerz vermisse hier,
Seis Weib, seis Mann, der grüße sie von mir.

Mein sind die Länder in der Runde,
Wenn ich der Holden nahe bin,
Doch wenn mir schlägt der Trennung Stunde,
Ist all mein Macht und Reichtum hin.
Nur Schmerz und Leid ist dann mein Hab,
In mir steigt Freude auf und ab,
Und diesen Wechsel duld ich bis ans Grab.

Da ich sie nun herzinnig minne
Und sie getreu zu jeder Zeit
Im Herzen trage und im Sinne,
Wenn manchmal auch mit Sehnsuchtsleid;
Was giebt die Liebe mir zum Lohn?
So holder Dank ward mir wohl schon;
Eh ich sie ließ, stieg eher ich vom Thron.

Der sündigt schwer, der mirs nicht glaubte,
Ich sah mit ihr manch frohen Tag
Auch ohne Krone auf dem Haupte;
Nicht anders ja ich leben mag.
Verlör ich sie, was hätt ich dann?
Wär kein Gesell für Weib noch Mann,
Mir läg mein liebster Trost in Acht und Bann.

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 36)

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An die ferne Geliebte

Ich sende diesen Minnesang der Süßen,
Die ich vermeiden nimmer kann und mag;
Wohl möcht' ich lieber mündlich sie begrüßen,
Und seufze drum so manchen lieben Tag!
Wer dieses Lied nun singt vor ihr,
Nach der ich so unsäglich schmachte,
Es sei Weib oder Mann, der grüße sie von mir!

Mir sind die Reich' und Lande unterthan,
So lang ich bei der Minniglichen bin,
Doch wenn ich sie nicht mehr besitzen kann,
So ist Gewalt und Reichthum auch dahin
Und bittrer Schmerz nur meine Habe:
So schwankt mein Herz in Lust und Leid
Und bringt durch ihre Gunst des Glückes Spiel zu Grabe.

Seitdem ich sie von ganzer Seele minne
Und ohne Wanken immerwährend trage
In meinem Herzen wie in meinem Sinne,
Zuweilen auch mit mancher schweren Klage.
Was gab sie mir dafür zu Lohne?
Da beut sie mir so süßen Sold
Und eh' ich ihr entsagt', entsagt' ich ehr der Krone.

Der sündigt wohl, wer meinem Wort nicht glaubt:
Ich könnte leben manchen lieben Tag,
Wo keine Krone käme auf mein Haupt,
Was ohne sie ich wahrlich nicht vermag.
Verlör' ich sie, was hätt' ich dann?
Ich wär' für jede Lust verdorben
Und all mein bester Trost der wär' in Acht und Bann.

Nachgedichtet von
Wilhelm Müller (1794-1827)

Aus: Blumenlese aus den Minnesingern
Herausgegeben von Wilhelm Müller
Erste Sammlung Berlin 1816
In der Maurerschen Buchhandlung (S. 2-5)

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Gruß an die Geliebte

Ich grüße mit Gesange die Süße,
Der ich entsagen nicht will, noch vermag.
Seit ich sie nicht mit dem Munde grüße,
Leider verging da gar mancher Tag.
Wer dieses Lied darum singet von ihr,
Die ich so schmerzlich vermisse nun hier,
Es sei Weib oder Mann, der grüße sie hiermit von mir!

Länder und Reiche sind unterthan mir,
Wenn ich nahe der Lieblichen bin;
Doch wenn ich wieder dann scheide von ihr,
Ist all meine Macht und mein Reichtum dahin.
Nur Sehnen und Grämen ist dann meine Hab'.
Ich steige an Freuden bald auf und bald ab
Und dulde den Wechsel aus Liebe zu ihr bis ins Grab.

Da ich von ganzem Herzen sie minne
Und sie getreu zu jeglicher Zeit
Trage im Herzen sowie auch im Sinne,
Wenn auch zuweilen mit mancherlei Leid,
Was giebt mir darum nun die Liebe zu Lohne?
Sie macht, daß das Herz mir in Freuden stets wohne.
Eh' ihr ich entsage, entsage ich eher der Krone.

Der sündigste wahrlich, wer es nicht glaubte:
Ich verlebte mit ihr manch fröhlichen Tag,
Wär' nie eine Krone mir auch auf dem Haupte,
Was ich ohne sie gar nicht verlangen nur mag.
Verlöre ich sie, was hätt' ich noch dann?
Nicht taugt' ich zur Freude für Weib und für Mann,
Mein bester Trost läge mir damit in Acht und Bann.

Nachgedichtet von Bruno Obermann

Aus: Deutscher Minnesang Lieder aus dem
zwölften bis vierzehnten Jahrhundert
Übertragen von Bruno Obermann
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. o. J. (1890) (S. 47-48)

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