Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Konrad der Schenke von Landeck zu St. Gallen
(1271 – 1306)
 

Gruß aus Wien

Daß verändert sind die Tage,
Mehrte manchem wohl die Klage,
Wald und Au sind welk und fahl;
Auch der Anger und die Heide,
Die man sah in lichtem Kleide,
Sind allorten leer und kahl.
Und die Vöglein tun mir leid;
Die sonst sangen süße Töne
In des blühenden Maien Schöne,
Seht, die trauern ob der Zeit!

Wie uns mag der Winter zwingen,
Will ich doch der Liebsten singen,
Die doch nie vergaß mein Herz;
Denn sie ist ein Weib voll Güte,
Guter Trost für schwer Gemüte,
Die mir schnell verscheucht den Schmerz,
Wenn mich Sehnsucht überschleicht;
Denn gedenk ich, daß die Reine
Mich im Herzen lieb und meine,
Macht mirs alle Sorgen leicht!

Ich will dir, Frau Minne, danken
Immerdar und ohne Wanken
Für den freudenreichen Fund,
Daß du mir die Frau gefunden,
Der zu Dienst ich stets verbunden,
Die mir ruht in Herzensgrund.
Minne, tu so wohl an mir:
Hilf und zwing der Reinen Sinne
Daß sie mich, wie ich sie minne,
Sieh, dann dien ich gern auch dir!

Die Viel-Süße, die Viel-Reine
Ohne Falsch und gut wie keine,
Der ich diene ohne Ziel,
Ist so minniglicher Schöne,
Daß ich ihre Tugend kröne,
Deren hat kein Weib so viel!
Ihr Gebaren ist so gut:
Stete Treue liebt und übt sie,
Und kein böser Schein betrübt sie,
Sittsam ist sie, wohlgemut.

Könnt ich ihr nur würdig singen,
Müßt es ihr zu Lob erklingen,
Ihr, der Schönsten in der Welt! -
Der viel Süßen, der ich dien,
Sing ich diesen Sang aus Wien,
Wo der König liegt zu Feld.
Er bedenkt des Reiches Not,
Ich bedenk, wie hold mir Grüße
Einst die Liebe gab, die Süße
Mit dem Mündlein rosenrot!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 216-217)

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Im Feldlager vor Wien

Seht, verändert sind die Tage;
Das vermehrt gar Manches Klage.
Wald und Flur sind öd' und leer,
Wie der Anger und die Haide,
Die man sah in lichtem Kleide
In den Landen rings umher.
Auch die Vöglein thun mir leid;
Die erhoben süß Getöne
In des blüh'nden Maien Schöne;
Ach, sie trauern weit und breit.

Mag der Winter auch uns zwingen,
Doch der Liebsten will ich singen,
Deren nie mein Herz vergißt.
's ist ein Weib voll Weibesgüte,
Tröstlich für ein trüb Gemüthe;
Nichts verscheucht zu keiner Frist
Meine Sehnsucht, wie sie thut.
Wenn ich denke, daß die Reine
Mich im Herzen lieblich meine,
Das benimmt den trüben Muth.

Hehre Minn', ich will dir danken
Immerdar und ohne Wanken
Für den freudereichen Fund,
Daß du mir die Frau gefunden,
Der zu Dienst ich stets verbunden,
Die mir liegt im Herzensgrund.
Minne, sei mir zugethan,
Hilf und zwing der Reinen Sinne,
Daß sie mich wie ich sie minne;
Sieh, so sollst du Dienst empfah'n.

Meine Süße, meine Reine,
Ohne Falsch und lieb wie Keine,
Der ich diene sonder Ziel,
Sie verdient's, die Minnigschöne,
Daß ich ihre Tugend kröne;
Deren hat kein Weib so viel.
Frei von jedem bösen Schein
Ist ihr Wesen, hold und innig
Ihre Red', ihr Leben sinnig,
Frohgemuth und sittenrein.

Könnt' ich Minnigliches singen,
Müßt' es ihr zu Lob erklingen,
Die vor Allem mir gefällt;
Der ich meinen Dienst vermelde,
Sing' ich dies vor Wien im Felde,
Wo der König Lager hält;
Der bedenkt des Reiches Noth;
So gedenk' ich ihrer Grüße,
Die so minniglich und süße
Giebt ihr Mündchen rosenroth.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 90-92)

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