Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Markgraf Otto von Brandenburg (mit dem Pfeile)
(um 1266–1308)



Minnelied

Räumt den Weg der Schönsten aller Frauen!
Und die Tugendreiche laßt mich sehen!
Selbst ein Kaiser möchte gern sie schauen,
Und die Welt muß ihr es zugestehen.
Hoch vor Freude muß das Herz mir steigen;
Lob und Ruhm kann ich ihr nicht verschweigen,
Wo sie wohnt, dem Land muß ich mich neigen.

Botin seid, Frau Minne, mir alleine,
Und vermeldet, daß ich sie nur minne,
Sie nur, ewig treu im Herzen meine,
Ob sie mir geraubt auch fast die Sinne.
Wollt ihr süßer Mund mir lieblich lachen,
Könnte sie das Herz mir heiß entfachen
Und dem Gram ein ewiges Ende machen.

Ach! die Blümlein falben auf der Heide,
Und sie hat mich tief in Not getrieben.
Ich bin wund von einem Doppelleide,
Daß mir keine Freude mehr verblieben.
Kränken kann sie mich und Heil mir schenken;
Wollt die Gute besser sich bedenken,
Würde Freude sie ins Herz mir senken!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 131)

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Sie kommt

Macht frei den Weg für meine liebe Fraue
Und laßt die reine Huldgestalt mich sehen;
Sie ist es werth, daß sie ein Kaiser schaue,
Die meiste Menge hör' ich das gestehen.
Drob muß in lust'ge Höh'n das Herz mir steigen,
Ihr Lob und Ehre will ich nicht verschweigen,
Dem Lande muß ich, wo sie wohnt, mich neigen.

Frau Minne, sei du Botin mir alleine
Und sprich zur Lieben, die ich herzlich minne:
Sie ist es, die mit ganzer Treu' ich meine,
Wie sehr sie auch entwendet mir die Sinne.
Sie kann zu hoher Lust das Herz entfachen;
Seht, will ihr rother Mund mir lieblich lachen,
So wird sie meinem Gram ein Ende machen.

Ich liege wund an zwiegetheiltem Leide;
Merkt auf, ob das die Freude mir vertreibe:
Die lichten Blumen falben auf der Haide,
Auch leid' ich Noth von einem reinem Weibe.
Die kann mich kränken wohl und Heil mir schenken;
Wollt' es die Liebe besser sich bedenken,
Statt Sorge würd' in's Herz sie Lust mir senken.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 50)

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Räumt den Weg!
 

Räumt den Weg vor meiner lieben Frauen
Und laßt mich ihren reinen Leib ersehen.
    Den möcht ein Kaiser wohl mit Ehren schauen,
Das hör ich ihr die Menge gern gestehen.
    Drum muß mein Herz in hohen Lüften steigen:
Ich will ihr Lob und Ehre nicht verschweigen;
Wo sie wohnt, dem Lande muß ich neigen.
 

    Botin seid, Frau Minne, mir alleine,
Sagt der Lieben, die ich herzlich minne,
    Sie ists, die ich mit ganzer Treue meine,
Ob sie mir oft gar benimmt die Sinne.
    Wohl möchte sie mir hohe Freude machen:
Will ihr rother Mund mir lieblich lachen,
So schläft mein Leid und muß mein Heil erwachen.

    Ich bin beschwert mit einem Doppelleide,
Seht, ob mir das die Freude wohl vertreibe:
    Die lichten Blumen falben auf der Haide,
Auch leid ich Noth von einem reinen Weibe.
    Die mag mich heilen wohl und wohl verwunden:
Bedächte sie sich noch in kurzen Stunden,
So wüst ich, all mein Kummer wär verschwunden.

Nachgedichtet von Karl Simrock (1802-1876)

Aus: Lieder der Minnesinger von Karl Simrock
R. L. Friedrichs Elberfeld 1857 (S. 14-15)

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Gruß der Geliebten

Räumt mir den Weg zu meiner lieben Frauen
Und laßt mich ihren keuschen Leib ansehen:
Ihn könnt' ein Kaiser wohl mit Ehren schauen:
Das muß die ganze Welt ihr zugestehen.
Drum will mein Herz in hohe Lüfte steigen,
Ihr Lob und Ehre mag ich nicht verschweigen
Und, wo sie wohnt, dem Land muß ich mich neigen!

Gesandschaft an die Geliebte

Frau Minne, sei mein Bothe du alleine
Und sag der Lieben, die ich treulich minne:
Sie sei's, die ich mit ganzem Herzen meine
Und die geraubt mir alle meine Sinne;
Sie könne mir wohl hohe Freude machen
Und wenn ihr rother Mund mir wolle lachen,
So müsse alle Traurigkeit erschwachen.

Zwiefaches Leid

Ich bin verwundet von zwiefachem Leide,
Sagt, ob das nicht mir jede Lust vertreibe?
Es welken lichte Blumen auf der Heide:
So leid' ich Noth von einem reinem Weibe.
Sie kann allein mich heilen und mich kränken
Und wollte sie sich besser nur bedenken,
So könnt' ich alle Sorge gleich versenken.

Nachgedichtet von
Wilhelm Müller (1794-1827)

Aus: Blumenlese aus den Minnesingern
Herausgegeben von Wilhelm Müller
Erste Sammlung Berlin 1816
In der Maurerschen Buchhandlung (S. 24-27)
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