Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Meister Raumsland (Rumeland)
(um 1254 - 1273)




Minnelohn

Des lieben Maimonds Wunderkraft
Zeigt wieder sich geschäftig;
Drob freut sich was sich freuen kann
Und Freude je gewann.
Der Vöglein Zunft mit Meisterschaft
Übt ihre Zungen kräftig,
Und herrlich kleidet sich der Tann,
Drum fröhlich, Weib und Mann!
Was auch an Lust der Sommer tut
Und was der Mai an Blüte,
Sind gute Frauen doch so gut,
Daß sich all andre Güte
Mit guten Frauen nie vergleicht:
Das sieht man leicht!

Und hätt ich aller Meister Sinn,
Die je als klug gegolten,
So könnte doch bis auf den Grund
Mir niemals werden kund
Der guten Frauen Hochgewinn;
Was man als gut gescholten:
Ihr Lob singt nimmer aus der Mund
Auf diesem Erdenrund!
Ja keiner wirds vollkommen hier
Zu singen sich getrauen;
Denn aller Schöpfung höchste Zier
Sind stets die reinen Frauen.
So freut denn, Frauen schön und gut,
Des Mannes Mut!

Wer ist von Adel, wer ist reich,
Freigiebig durch die Minne?
Nur wer erstrebt in reiner Zucht
Der Frauen Minnefrucht!
Dem kommt an Minne niemand gleich,
Daß er sich Lob gewinne
Und aller Sünde böse Sucht
Entflieh in schneller Flucht.
Sei Segen, Heil und Glück verliehn
Jedwedem würdigen Minner;
Die um die Minne Schande fliehn,
Das sind die Heilsgewinner.
Drum prüfe, Minne, ungescheut,
Wen Minne freut!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 171-172)

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Frauengüte

Des lieben Maien Glanz und Kraft
Erzeigt auf's Neu' sich künftig;
Drob freut sich, was sich freuen kann
Und Freude je gewann.
Die Vögel üben Meisterschaft,
Sowie es jedem zünftig;
Wie schön sich kleiden will der Tann!
Seid fröhlich, Weib und Mann;
Was auch an Lust der Sommer hat
und der Mai an Blüthe:
Die guten Frauen sind so gut,
daß sich alle Güte
Mit guten Frauen nicht vergleicht;
Das sieht man leicht.

Und hätt' ich aller Meister Sinn,
Die man erfahren nennet,
So könnte doch bis auf den Grund
Mir nimmer werden kund
Der guten Frauen Heilsgewinn;
Was Gutes man auch kennet:
Der Frauen Lob, ganz voll und rund,
Beendet nie ein Mund.
Ja, voll und rund, so muß es sein,
unverletzt zu schauen;
Ob aller Welt die höchste Zier
sind die reinen Frauen.
So freut denn, Frauen, schön und gut,
Des Mannes Muth.

Wer ist von Adel, wer ist reich,
Freigebig durch die Minne?
Nur wer da minnet reine Zucht,
Der Frauenminne Frucht.
Dem komm' an Minne Keiner gleich,
So daß er Lob gewinne
Und alle Sünd' und böse Sucht
Entweich' in wilder Flucht.
Ich wünsche Segen, Glück und Heil
für die werthen Männer;
Die um die Minne Schande flieh'n,
sind die Heilsgewinner.
Seht, minn'ge Minne, jederzeit,
Wem Minn' ihr weiht.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 16-17)

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