Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Oswald von Wolkenstein
(um 1377 – 1445)
 


Die Eidgenossen

Er:

Hör Margaret,
Mein Gretelein,
Herzliebste Maid
Und zarte Buhl,
In Ehren achte Zucht zuerst!

Sie:

Ich will, wies geht,
Mein Oselein,
Treustetigkeit
In deiner Schul
Erlernen gern, wie du begehrst.

Er:

Dies Wort
Will ich behalten mir
Aus deinem rosenroten Mund
Und schreiben tief in Herzensgrund.

Sie:

Mein Hort,
Mir ist es so wie dir,
Und nimmer will ich wanken,
Nicht einmal in Gedanken!
Gedenk, lieb Oselein, an mich:
Dein Gretlein soll erfreuen dich!

Er:

Du kannst mich nicht
Erfreuen mehr,
Als daß ich läg
In deinem Arm,
Verschlossen einem Klausner gleich.

Sie:

So liebe Pflicht
Wird mir nicht schwer,
Und niemals träg
Halt ich dich warm:
Das ist mir wenig mühereich.

Er:

Nimm Dank,
O Eidgesellin, hin,
Das soll dir unvergessen sein,
Du bists, die lieb mir ist allein!
Nicht Wank
Noch wankelmütigen Sinn,
Herzlieb, von mir erwarte,
Drum habe Dank, du Zarte!

Sie:

Zartliebster Mann, mir ist so froh,
Darf ich ans Herz dich drücken so!

Er:

Wie freut mich schön
Dein liebend Herz,
Wenn mir dein so
Holdseliger Leib
Dabei ist traulich nahgerückt!

Sie:

Mein Liebling, krön
Mit Lust den Scherz,
Denn stets machts froh
Dein einzig Weib,
Wenn deine Hand mein Brüstlein drückt.

Er:

Ach, Frau, kann Zucker süßer sein,
Wenn du mir alle Glieder labst,
Und ganz dich mir zu eigen gabst,
Und deinen Mann vertraust allein?

Sie:

Oslein, bis an das Ende!

Er:

Gretlein, dich nimmer wende!

Sie:

Kein Wenden zwischen mir und dir,
Zum Heile sei es dir und mir!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 280-282)

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Liebesgespräch

1.

Oswald

Ei, Gretlein, Gret,
Mein Gretelein,
Mein' zarte Buhl',
Herzlieb, gemait,*
Dein' züchtig' Ehr bei mir nicht weich'.

Margarethe

Halt', wie es geht,
Mein Oselein,**
In deiner Schul'
Treustätigkeit,
Da will ich lernen ewigleich. -

Oswald

Die Wort' will ich behalten mir,
Und schreiben in des Herzens Grund,
Von deinem rosenroten Mund.

Margarethe

Mein Hort dasselbe sehn' ich mir,
Getreulich, ohne Wanken,
In meinen Gedanken.
Gedenk', lieb' Oselein, an mich,
Dein Gretlein wird erfreuen dich.

2.

Oswald

Du kannst mich nicht
Erfreuen baß,
Als daß ich läg'
In deinem Arm,
Verschlossen als ein Klausener.***


Margarethe

In deiner Pflicht
Werd' ich nicht laß,
Bin nimmer träg'
Und mach' dir warm,
Und ist mir das ein' klein Beschwer.

Oswald

 Hab Dank, mein trauter Eidgesell,
Das soll dir unvergessen sein,
Du bist die einz'ge, die ich mein'.****
Gewiß, von mir kein Ungevell,*****
Herzliebste, je erwarte;
Für alles Dank, du zarte.

Margarethe

Ach, liebster Mann, mir ist so wohl,
Wenn ich dein' Brust umschließen soll.

3.

Oswald

Vor jeder Freud'
Tröst't mich dein Herz,
Dazu dein woh-
liglicher Leib,
Wenn er sich freundlich zu mir schmiegt.

Margarethe

Gesell, so geud'
Ich voll den Scherz,
Und hebt sich froh
Dein einig****** Weib,
Wenn mir dein' Hand am Brüstlein liegt.

Oswald

Ach, Frau, das ist mein' Zuckernar
Und süßt mir alle meine Glied',
Solang' mir freundlich dein Gemüt;
Trau' mir, das schwör' ich dir fürwahr.

Margarethe

Oselein, ohne Ende -

Oswald

Gretelein, das nicht wende -

Beide

Kein Wenden zwischen mir und dir
Sei uns mit Heil beschaffen hier.

* Voll Mai
** Oswaldlein
*** Ein bei den Minnesängern häufiges Bild
**** Meinen, liebhaben, ersehnen. "Freiheit die ich meine":
***** Mißgeschick
****** Einzig, alleinig.

Nachgedichtet von Ludwig Passarge
(1825-1912)

Aus: Dichtungen von Oswald von Wolkenstein (1367-1445)
Übersetzt, eingeleitet und erklärt von Ludwig Passarge
Leipzig Reclam 1891 (S. 165-166)

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