Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Oswald von Wolkenstein
(um 1377 – 1445)



Maimorgen

1.
Des Morgens Schwingen
Entfalten sich
Im Tagesdrang.
Die Vöglein singen
Und wecken mich
Mit süßem Klang.
Verschwunden ist der Schnee.
Laub, Gras und Klee
Sind neu entsprungen!
Drum sei von Herzen,
Befreit von Schmerzen,
Ihr Lob gesungen!
Denn Sehnsucht wenden,
Betrübniß enden
Und Freude spenden
Kann sie mit Händen,
Der "Minne" gleich.
An Freuden reich
Macht mich die Reine.
Alle meine
Bedrängniß ist dahin.
Wenn ich bedenke
Wie ohne Ränke
Die Armgelenke
Sie um mich schränke,
Wie gut sie's kann!
Ganz unterthan
Dem zarten Weib
Ist drum mein Leib,
Wo ich auch bin.

2.
Spielt auf zum Reihen!
Die Lind' ist grün,
Es steht in Sprossen
Der Wald von Meien.
Herzlieb sei kühn
Und unverdrossen!
Sieh auf dem Plan
Die Blümlein an,
Das Ziergepflänze
O sieh es prangen!
Empfangen
Hat es die Glänze
In allen Farben.
Die Au'n erwarben
Schon Gräsergarben.
Der Würzlein Darben
Trinkt den Saft
Zu neuer Kraft,
Vom Trieb durchsüßt.
Gegrüßt
Sei all dies Blühn und Blinken!
Gezweit, in Vieren,
Schaaren von Thieren
Gehn in Revieren
Mit lautem Gieren
Der Liebe nach.
O Weib, mein Ach
Bedenk' und mich,
Komm' ich,
Um dir zum Tanz zu winken.

3.
Flieht, scharfe Winde,
Auf mein Gebot!
Ich bin erbittert,
Daß meinem Kinde
Sein Mündlein roth
Ihr habt umwittert.
Antlitz und Hand so weiß
Soll nun mit Fleiß
Von euch gesichert sein,
Wenn durch die Aue
Im Thaue
Ihr Schühlein sie benetzt, so klein.
Wir wollen lassen
Nun auf die Gassen,
Die vorhin saßen
Als wie die Blassen
Auf träger Bank,
Wie blöd und krank.
Kommt, euch zu sonnen,
Zum kühlen Bronnen,
Er fließt so klar!
Mai, du kannst machen
Gar allen Sachen
Ein Auferwachen,
So daß wir lachen.
Wer weiter fragt,
Dem sei gesagt:
Gott ist es nur
In der Natur,
Der uns schenkt solches Gnadenjahr.
(S. 73-76)
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Der Wonnemond

O wonniglicher, wohlgezierter Mai,
Dein Lustgeschrei
Bringt Freude mancherlei,
Besonders aber, wenn dabei
Ein Tanz sich reihet und sich zwei
Mit Händen schön erlangen.
Grün ist der Wald, Berg, Au und Thal.
Die Nachtigall
Und aller Vögel Schall,
Zahllos im Wiederschall,
Erklingen überall!
Die frohe Zeit bannt Ungemach,
Erwach',
Zu lieben Ach!
Sei hurtig und nicht schwach,
In Eile geh' und hang' ihr nach!
Du sahst sie lange nicht - nun mach',
Daß weiße Aermlein dich umfangen!
(S. 77)
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Brautwerbung

1.
Ein gut geborner Edelmann
Warb um ein Fräulein wohlgethan,
Und sprach zu ihr mit tugendlichen Sitten:
"Mein Fräulein gnädig zeige sich
Und wollt ein wenig hören mich,
Um was ich unterthänig Euch will bitten.
Des Leids und Elends bin ich voll,
An Freuden muß ich armen,
Weiß nicht, wohin ich kehren soll -
Das laßt Euch, Frau, erbarmen."

2.
"Ihr zielet gegen mich mit Spott,
Seid Ihr so krank, so helf' Euch Gott.
Der mag Euch alles Trauerns leicht entbinden.
Bei mir ist Eure Hülfe klein,
Erlöst könnt Ihr von mir nicht sein.
Sucht anderwärts, wo Ihr mögt Freude finden.
Als Helferin bin ich nicht da,
Das kann ein jeder schauen,
Ein kleines Fräulein bin ich ja,
Was wollt Ihr auf mich bauen?"

3.
"O Frau, behandelt mich mit Glimpf,
Ich mache weder Scherz noch Schimpf.
Schon manches Jahr muß ich viel Kummer tragen
In Eurem Dienst mit stillem Fleiß.
Der Herr vom Himmelreich das weiß:
Umsonst war meiner Sehnsucht tiefes Klagen.
Kein gotterschaffenes schönes Weib
Gefiel mir so von Herzen.
Drum bin ich krank an Seel' und Leib
Und leide große Schmerzen."

4.
"Sagt immer, was Ihr wollt, heraus,
Die Euch gefällt, ist nicht zu Haus.
Das weiß ich wohl, mich trögen denn die Sinne.
Denn ich bin grausig von Gestalt
Und vierundzwanzig Jahr' schon alt.
Ihr wärt nicht klug, begehrt ihr meine Minne.
Ich kann auch weder Weis' noch Wort,
Was irgend möcht' erfreuen.
Wär' heut ich Euer liebster Hort,
Es würd' Euch morgen reuen."

5.
"Wie sprecht Ihr doch so klug und fein!
Es macht mir Eure Schönheit Pein,
Auch Euer Wandel hat mein Herz bezwungen.
So hör' mich, stolze, schöne Maid,
Es that mir immer herzlich leid,
Wenn irgend dich betrübten falsche Zungen.
Wenn dir von Thränen, selig Weib,
Die klaren Aeuglein thauen,
Das macht mich krank am ganzen Leib,
Und macht das Haar mir grauen."

6.
"Das dank' ich Euch mit ganzem Fleiß,
Davon gebührt Euch Lob und Preis,
Daß Euch der Fräulein Schmähungen mißfallen.
Das Leid, das mich beschwert, ist klein:
Ich tröste selbst mich ganz allein.
So kann kein schädliches Geschrei erschallen.
Wer schmäht ein Fräulein ohne Grund
Und dessen sich noch rühmet,
Der erntet, was gesät sein Mund:
Sein Lob wird ihm entblümet."

7.
"O glaubt mir, Weib von edler Art,
Bei Eurer Ehre, weiblich zart,
Nichts will ich, was Euch schaden könnte, bringen.
Was hilft's Euch, leid' ich kläglich Pein?
Ich möchte Euer Diener sein.
Und werde traurig, soll mir dies mißlingen."
"Doch einen Diener brauch' ich nicht,
Zu vornehm wär' mir Euer Dienen."
"Was Ihr auch sagt, die Gnade spricht,
Ich seh's aus Euren Mienen."
(S. 78-81)
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Die Schöne aus Schwaben

1.
Gar mancher seine Freude hat
An seiner hochgebornen Frau.
Aus welchem Land, Schloß oder Stadt
Sie sei gebürtig, frag' ich lau.
Zurück aus meines Herzens Grund
Werf' weit ich aller Länder Fund.
Denn mir gefällt ein rother Mund
Drüben in Schwaben:
Sein Laut so traut!
Gehaben,
Person, Gestalt
Ganz ungemein!

2.
Das eine stolze Schwäbin macht,
An der ich keinen Tadel fand.
Sie hab' ich mir zum Weib erdacht,
Von allen, die ich je gekannt.
Mund, Auge, Nase, Hals und Kinn
Sind schön geformt nach meinem Sinn,
Die Haut so weiß mit Noth darin,
Aermlein und Hände,
Die Brust, o Lust
Ohn' Ende!
So weiß gemalt,
So rund und rein!

3.
In Mitte schmal, da wo sie sitzt,
Ist sie gewölbt, schön unterbaut,
Das Lendenpaar von Kraft erhitzt.
Am hübschen Bein nach unten schaut
Man auch zwei Füßchen schmal und klein.
Sie wandelt so gesetzt und rein,
Ganz ohne Tadel allgemein.
Sie weiß zu fassen
Mit Sitte die Mitte,
Thun, Lassen.
Sie hat Gewalt
Ueber mich allein.
(S. 82-83)
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Pilgerwunsch

1.
Ach Gott, wär' ich ein Pilgerlein,
Wie ich vor Zeiten eines war,
Ich wallte zu den Schwestern mein,
Echt brüderlich so ganz und gar.
Manch abenteuerlich Mär'
Raunt' ihnen ich im Düstern
In ihre Oehrlein ungefähr,
Mit Kosen und mit Flüstern.

Es wären bald genäht zwei Strich
Auf einen Mantel pilgerlich,
Als Klosterbruder dann wär' ich
Verdeckt vom Mantelfutter,
Und suchte meine Schwester lieber als die Mutter.

2.
Wo Herzenlieb' beiander ist,
Währt einen Augenblick die Nacht.
Ich wollte mit so kurzer Frist
Begnügen mich, hätt' ich gedacht.
Und die mein Herz besessen hat,
Es weiterhin behalte!
Ich kann nie ihrer werden satt,
So lang ich leb' und alte.

Es wären bald genäht zwei Strich etc.

3.
Das Scheiden ist so hart und lang,
Ich sehne klagend mich zurück.
An jedem Tage hab' ich bang',
Daß ich mich scheiden soll vom Glück.
Gar selten wohnet sie mir bei,
Die mich allein kann freuen
Vor Erdengütern mancherlei,
Das muß ich sehr bereuen.

Es wären bald genäht zwei Strich etc.
(S. 84-85)
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Rosmairs Rath

1.
"Schweig', guter Freund, und heimlich lache,
Kein Schimpf soll dir zu Herzen gehn,
Verfechte keine krumme Sache,
Weich' aus, wo du nicht kannst bestehn,"
Schreibt uns Hans Mosmair. Und sodann:
"Wer einem Richter gibt zuvor
Und läßt den Pfarrer ungekränkt,
Der dünkt mich sicher nicht ein Thor.
Wer die zwei Stücke wohl bedenkt,
Den heiß' ich einen klugen Mann."

Wer Nesselkraut
Statt Lilien baut,
Der will das Gärtlein stören gar.
Und wer erlauben
Will seinen Tauben
Mit Geiern und Raben
Umgang zu haben,
Haßt seinen Nutzen sehr, fürwahr.

2.
Das hab' ich ohne Haß erzählt.
Nun sing' den Fräulein ich ein Lied.
Ich habe Fromme nie gequält,
Die schweigend edlen Unterschied
Gemacht in guter Weise.
Geheimer Sünde wird die Buß'
Auch im Geheimen aufgesetzt.
Lieb Fräulein das bedenken muß,
Daß Ehr' und Ruf bleib' unverletzt,
In Freundschaft bleib' es leise.

Wer Nesselkraut etc.

3.
Seit ich nun heiß die Nachtigall,
Preis' ich die Fräulein alle sehr.
Doch lob' ich mehr mit hellem Schall
Ein zartes Weib, bewahrt mit Ehr',
Vor allen starken Leuen.
Ich bin auch Gott von Herzen hold,
Daß er ein Weib so tadelsfrei
Geschaffen, deren Lob wie Gold
Erglänzt, so ehrenhaft dabei,
Nie etwas auszustreuen.

Wer Nesselkraut etc.
(S. 86-87)
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Tagelied

1.
Laß die Sorgen!
Dich verborgen
Hält mein Schutz.
Schließe nur die Aeuglein zu,
Wenig ist der Tag uns nutz,
Ihm zum Trutz!
Liebes Herz, noch ist es fruh.

All dein Trauern,
Und dein Lauern
Laß!
Muthiges Vertrauen faß!
Thust du das,
Bist du immer mein,
Liebes Mädchen, das soll sein.

2.
Sollst mich strafen,
Da verschlafen
Ich die Stund'!
Fort schon ist der Morgenstern.
Komm, du rosenrother Mund,
Mach' gesund
Alle meine Sehnsucht gern!

Köpfchen fromm,
Komm
An mein pochend Herz gesenkt!
Aermlein seien lieb verschränkt,
Scherzgelenkt
Ueben wir der Liebe Brauch.
"Liebster Mann, das wünsch' ich auch!"

3.
Schon das Graue
Hat der blaue
Tag entwandt,
Vogeltöne hör' ich viel:
Tag, wer hat nach dir gesandt?
Dein Gewand
Kleidet nicht der Liebe Spiel.

Deinen Preis
Rühm' ich leis,
Keckes Licht!
"Guten Tag, lieb Angesicht,
Weine nicht!
Meine Worte haben Eil',
Lebe wohl, dir wünsch' ich Heil."
(S. 88-89)
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Das Sklävelein

1.
Mich tröstet eine edle Maid.
Sie will fürwahr,
Lichtklar,
An keinem Schatten kranken!
So breit ist ihrer Ehre Kleid,
Daß sie verdeckt
Und schreckt
Strafwürdige Gedanken
Mit ihrer Würde Schranken.
Sie hat den Preis
In meinem Herzen Tag und Nacht
Vor allen, die ich sah und sprach.
Ihr Wandel weiß
Mit kluger Macht
Zu wenden bittres Ungemach
In süßes Weh, in süßes Ach.

2.
Freu' dich, liebwerthe Creatur,
Daß gleichermaßen
Dein Lassen
Und Thun dir steht so gut,
Und du in eigener Natur
So löblich zart
Von Art,
Die keusche Hut
Bewahrst ohn' Uebermuth.
Gleichmäßig zugetheilt
Ist jede Schönheit deinem Leib,
Gebildet mit des Schöpfers Fleiß,
Der Blick verweilt
So gern, o Weib,
Auf deinem zarten Roth und Weiß,
Du aller Mädchen Kron' und Preis!

3.
Jungfrau, bei deiner reinen Ehr',
Könnt' ich vor Gott
(Kein Spott!)
Deß würdig sein,
So wollt ich doch nicht wünschen mehr,
Als alle Zeit
Bereit,
Zu harren dein
Als armes Sklävelein.
Wie wollt' ich loben
Mit Lieb und Laute hell und gut
Dich, meine Herrin und mein Glück,
Die mir gehoben
Herz, Leib und Muth,
Und die beseligt mein Geschick
Mit Wort und Miene, Werk und Blick.
(S. 90-92)
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Der Tadellosen zum Neuen Jahr

1.
Von Glück und Heil die größte Schaar
Wünsch' ich dir, Frau, zum Neuen Jahr!
Dir bring' ich meine Treue dar
Zukünftig, wie bis jetzt es war,
Ich will von dir nicht weichen.

Das macht dein Mündlein ganz und gar,
Der rothen Wänglein lieblich Paar,
Beglänzt von lichten Aeuglein klar,
Die Oehrlein unterm gelben Haar,
Dem krausen, ringelreichen,
Durchblitzt von goldnen Flocken.

2.
Kinn, Zähne, Nase, Hals zumal,
Von dem hinab ein lichter Strahl
Führt in der weißen Brüstlein Saal
Und in ein liebereiches Thal,
Wo Alles schön gemessen.

Die Arme lang, die Hände schmal,
Und wo nur hin mein Blick sich stahl,
Ist sie nach Herzens Wunsch und Wahl,
So drall und voll zu lieber Qual,
Mit Ebenmaß umsessen.
Klein sind der Füßlein Socken.

3.
Fehllos ist nicht ihr Leib allein,
Auch ihre Tugend ist so rein,
Sie will in Wahrheit ohne Schein
Ganz adelig und edel sein,
Mit meisterlichen Sitten.

Sie ist ganz tadellos und fein.
Genossin traut, vergiß nicht mein!
Weil ich nun bin geheißen dein,
Sollst du mir auch zur Freude sein.
Laß dich von meinen Bitten
Und meiner Sehnsucht locken!
(S. 93-94)
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Bitte und Erhörung
oder Reim und Gegenreim

1.
"Trostreicher Hort, wer tröstet mich?
Herzlieb, wie lang noch währet dieser Bann?
Warum so fremd? Das macht mir Pein
Und schmerzt mich sehr. Drum ich begehr'
Sammt Gnade Hülf' und Rath
In kurzer Frist.

Gesellin, Freundin, Wonn' und Heil!
Verlangend brenn' ich Tag und Nacht.
Mein Herz in harten Seufzern stöhnt:
Es ist so schwer erkrankt,
Und dennoch denkt
An keinen Zweifel es, fürwahr,
An deiner steten Güte.

Dein Blumenmündchen lockend winkt,
Dein Zähnlein blinkt,
Wer dran hinsinkt,
Den süßen Quell der Lieder trinkt.
Mein Herz, das will und mag
Nicht ohne dich genesen;
Gefallen möcht' ich dir!
Dich hab' ich mir
Erwählt,
Du wonnigliches Weib,
In ehrenhafter Lieb' und Gunst.

Ich hab's versucht, mich zu entschwingen
Den Blicken, die mich ganz durchdringen
Und mir so süße Schrecken bringen
Mit ihren Liebesschlingen.
Frau, mich hat dein Netz
Umfangen und umgarnt
Mit liebem Strick.
Daraus kann Niemand lösen mich
Als du allein,
So tadelfrei."

2.
"Mit Freuden will es ich,
Mein auserwählter Mann;
Macht über mich hast du allein!
Und längst seither nur desto mehr.
Dein bin ich früh und spat,
Weil du der Meine bist.

Ganz und nicht zum Theil
Sei meine Gunst dir dargebracht.
Der Freude bar sei wer uns höhnt
Und neidisch kränkt!
Das werde wahr!
Vor Arglist Gott dich hüte.

Nur Dein
Allein
Soll sein
Mein
Ein
Und Alles, groß und klein!
In williger Treue schenk' ich dir
Den Dank dahier
Und vollgezählt!
Tagtäglich sengt auch mich
Getreuer Minne Brunst.

In rechter Gier
Ist mir
Wie dir
Nach großer Freuden Zier.
Gehorsam glaube mir,
Wenn meine Liebe warnt!
Mächtiglich
Dich,
Mich
Mahnt's:
Daß Ehre bei der Liebe sei."
(S. 95-98)
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Die Stunde der Trennung

1.
"Von rechter Liebe Kraft
Lassen mich Gedanken nicht frei.
Ein weiblich Bild
Hat bezwungen mich.
Frau, deine Gnade
Laß über mich ergehn!

Gib mir deine Treue:
Ich sei dein liebster Mann!
Die Perle unsrer Liebe
Aber Niemand wissen soll.

Sag' mir, süße Genossenschaft,
Wie's in deinem Herzen sei?
Geneigt und mild
Erkläre dich,
An Ehre kein Schade
Soll je dir geschehen!"

"Ja, höchster Hort, ohne Reue
Sollst du mich haben dann,
Nur daß es verschwiegen bliebe,
Daran thätest du wohl.

2.
Mein Freudenbereiter,
Meines Herzens süße Kost,
Dein eigenes Weib
Will gern so sein,
Mein Trautgeselle,
Mir lieb und nimmer leid.

Sei allzeit treu
Und zweifle nicht an mir,
Und halte dich ferne
Von falscher Merker Sage!"

"In schlaflosen Nächten, Frau,
Vertreib' ich lange Zeit
Deswegen oft fürwahr,
Du auserwählte Eine!
Das verursacht nur
Der Melder Lügenspiel.

Sie deuten Vieles als arg,
Das macht mir Trauer.
Nun gib mir Urlaub, ich muß scheiden,
Es ist schon eine späte Stund'.

3.
Mein schwerer Sinn ist heiter,
Ich habe neuen Trost.
Dein süßer Leib
Bringt mir Lust und Pein.
In deine Huld ich mich stelle,
Und bin zu Allem bereit.

Keine Müh' ich scheu'
Mit rechter Begier
Mein Herzlieb, gerne
Bei Nacht und Tage."

"Mir aber nicht mißtrau'!
Sag' mir ohne Hehl und Neid,
Warum so ganz und gar
Läßt du mich oft alleine?
Der Aventüre Spur
Zu folgen hat Gefahren viel.

(Im Halse sich die Rede barg.
Doch war's von kurzer Dauer.)
Möge dich Unglück meiden,
Komm bald wieder heim gesund!"
(S. 99-101)
_____



Der Tag der Liebe und sein Werth

1.
Vierhundert Jahr' auf Erden gelten einen Tag,
Wo Lieb' zu Liebe sich heimlich verschließen mag.
Da wär' ich auch nicht zag,
Und drückte die Minnigliche zu mir auf meine Brust
Nach aller Herzenslust.
Des Leides unbewußt,
Um solches Heil liebt' ich das Ungemach.

2.
Ich rühm' den Tag und preis den wonniglichen Scherz,
Da sie erwählte mich und nahm mir allen Schmerz
Und schenkte mir ihr Herz.
Sie sei mir unvergessen ewig auch desgleichen,
Nie will ich von ihr weichen,
Will Hand und Herz ihr reichen,
Wie ich es hoch und theuer ihr versprach.

3.
Kein Urlaub und kein Scheiden, Frau, thut mir so weh
Als dann, wenn deinen stolzen Leib ich nicht mehr seh'
Und trüb von hinnen geh'.
Mich quälet mit Verlangen dein voller Rosenmund,
Der schlug mich krank und wund
Bis in des Todes Grund.
O mörderisches Leid, o immerwährend Ach!
(S. 102-103)
_____



In der Ferne

1.
Herz, Seele, Leib und was ich hab',
Erfreut ein lieblich Angesicht,
Dem ich mich unterthänig gab
Mit meines Dienstes steter Pflicht.

Frau, unvergessen sollst du sein
In meinem Herzen ewiglich.
Und ist das auch der Wille dein,
An Glück mir nie ein Kaiser glich.

2.
Die Hälfte Liebe, wenn von mir
Du wüßtest, die ich zu dir trag',
Du wolltest gerne mit Begier
Noch mehr erfahren jeden Tag.

Frau, unvergessen sollst du sein etc.

3.
Wie fern ich bin, es ist mir nah
Inbrünstiglich dein holder Leib;
In meiner Sehnsucht ist er da
Als einzige Lust vor jedem Weib.

Frau, unvergessen sollst du sein etc.
(S. 104)
_____



Das auserwählte M.

1.
Roth, weiß, ein fröhlich Angesicht
Aus schwarzer Farbe Kleid sich hebt.
Ein wenig um die Stirne schlicht
Und einfach sich ein Schleier webt,
Durchsichtig, zart vergittert.

Ihr rosenfarbnes Mündlein lacht,
Von weißen Zähnen vollbesteckt.
Der schwarzen Augen lichte Pracht
In meinem Herzen Freude weckt,
Daß in der Brust es zittert
Und Hoffnung wittert.

Ihr Blick, ihr Wort
Nimmt Trauern fort,
Wenn ich es nah und recht beschau'.
Und ihrer Jugend
Anmuthige Tugend,
Mit Sang und Spiel,
Schafft Freuden viel.
Deß freu' dich, allerliebste Frau!

2.
Gedanken lassen mich nicht frei,
Und darf mit ihr doch sprechen nicht!
Es wohnet eine Furcht mir bei,
Daß mir es ganz an Muth gebricht.

Das Duzen soll ich meiden!
Mich hindert meine rauhe Art,
Daß mir von Wonne wird kein Trost.
Von Nöthen greiset mir der Bart,
Mein Herz liegt auf der Sehnsucht Rost
Und brennt in großen Leiden;
Muß mich bescheiden.

Ihr Blick, ihr Wort etc.

3.
Verstohlnes Blicken, leise Sprach',
So deutsch - sie will es nicht verstehn.
Mich bringt die Noth in Ungemach,
Daß ich sie nicht berichten kann;
Das muß ich sehr entgelten.

Mein ehrenauserwähltes M!
Du bist mir lieb in Herzens Grund;
Laß hohes Weib so herbe Klemm'
Und mach' mir liebe Freude kund!
Denn wär' umsonst mein Melden,
Thät' ich es selten.

Ihr Blick, ihr Wort etc.
(S. 107-108)
_____



Die Befreierin

1.
Mein Herz hat sich in Lust verjüngt
Und Seligkeit!
Befreit
Von lieber Hand!
Von keines Tadels Mal bedingt,
Für mich erblüht,
Bemüht
Sie sich mein Band
Mir aufzulösen ohne Schand'.

Ich lob' den Tag,
Stund', Weile, Zeit, Minut' und Quint' -
In meinem Innern fühlt' ich's nach -,
Als meine Klag'
Hinweggenommen ward geschwind.
Mit einem Male da zerbrach
Mir meines Herzens Ungemach.

2.
Mein ehrenreiches, reines G,
Wie freust du mich
Inniglich
In Herzens Grund!
Dabei ein edles R und E
Mich trösten soll
Lustvoll
An deinem Mund,
So bin ich fröhlich alle Stund'.

Das liebe Wort
Beschließt mit einem T die Treu.
Ja, höchster Hort,
Laß dir es täglich klingen neu.
Zu Gleichem bin ich auch bereit
Mit ganzer voller Stetigkeit.

3.
Vergib bei deiner Ehre, Weib,
Wenn deine Zucht
Versucht
Ich und erzürnt' im Wahn.
Um alle Welt mir theuer bleib'
So reiner Sinn.
Ich bin dein Unterthan
Auf deiner Ehre ganzer Bahn.

Nichts soll uns scheiden
Auf Erden hier bis an den Tod.
Und darnach hunderttausend Jahr'
Soll an uns Beiden
Der falschen Zunge Botenbrod
Viel schmäler sein noch als ein Haar.
Herzlieb, der Himmel mach' es wahr.
(S. 109-110)
_____



Wunsch und Erfüllung

1.
"Mit Gunst im Herzen
Wünsch' ich dir
Zum neuen Jahr
Das Gute neu,
Und was auf Erden
Dein Herz begehrt,
Amen! Mein Hort,
So ist es recht.
Gedenk' an mich,
Gesellin mein!

Dein Singen und Scherzen
Ist lieblich mir.
Ich will fürwahr
Dir lohnen treu.
Mein Wunsch soll werden
Erfüllt, vermehrt!
Hier ist mein Wort:
Ich bin dein Knecht!
Deß freue dich,
So soll es sein!

2.
Wie mich entzückt
Dein rother Mund!
Du bist alleinig
Geliebt von mir,
In Zucht und Ehr'
Von mir ersehnt!
Sei dessen froh,
Nicht zweifle gar
Und hör' es gern,
Zartliebe Gret!"

"Dein Wort beglückt,
Macht liebeswund.
Dasselbe, mein' ich,
Bereit' ich dir!
Mein Ruhm so sehr
Die Brust mir dehnt.
Dem ist es so!
Du wirst fürwahr
An mir zum Herrn,
Oss, wie es geht."

3.
"Mein holdes Glück,
Forsch' im Gemüth,
Wer ist mein Heil?
Wer tröstet mich?
Wer spendet mir
Frohsinn von Allen?
Du wendest Weh,
Du wendest Pein,
Du wendest Leid
Und Ungemach.

Dein scharfer Blick
Mein Herz durchglüht,
Wenn mich in Eil'
Ein Fehl beschlich.
Drum will ich Dir
Ganz rein gefallen,
Wie mehr als je
Du mir allein.
Zartliebe Maid,
Dem komm ich nach."
(S. 111-113)
_____



Scheiden und Meiden

1.
Der Sehnsucht Qual und langen Zeitvertreib
Schafft mir ein minnigliches Weib,
Erwach' ich und ich finde nicht,
Die mein gewaltig ist.

Dann überfällt die Trauer mich zumal,
Und mehret meine große Qual,
Da mir an meinem Arm gebricht
Ein Lieb ohn' argen List,

Schmiegsam,
Biegsam,
Fügsam.
Ich hätte frohe Weil,
Würd' ihre Liebe mir zu Theil.

2.
Ach Scheiden, bittre Wurz, verderblich Kraut,
Du fernst mir meine liebste Braut,
Wie noch kein Weib zuvor ich fand,
So schön und tadelfrei!

Ihm, der das leide Scheiden hat erdacht,
Ihm dunkle keine holde Nacht,
Von keiner Frau, in keinem Land,
Ewig allein er sei!

Trauern,
Lauern,
Dauern
Aus muß ich wie ein Kind,
Bis ich die Zarte wiedersind'.

3.
Du meine Freude, Wonne, höchstes G,
Um Gott nimm mir mein sehnend Weh!
Vernünftiglich mit weisem Rath,
Daß ich Dich baldigst wiederschau'!

Ich glaube fest, was deine Lippe spricht,
Daß Lieb' und Treu' Dir nie gebricht,
Daß niemals deines Adels Saat
Gleicht ödem Gartenbau.

Reize!
Geize!
Spreize
Dich immer, wackre Gret!
Vergiß mein nicht, wie es auch geht.
(S. 114-115)
_____



Schlaflos in der Ferne

1.
Vom Westen her
Der Dämmerungsschein
Bringt Sehnsucht mir und Bangen.
Sie fehlt mir sehr,
Ich lieg allein
Zur Nachtzeit unumfangen.

Mit allem Fleiß,
Mit Aermlein heiß,
Und Händlein weiß,
Kann sie so traut sich schmiegen.

Das ist so lang
Schon, daß ich bang
Nicht im Gesang
Die Klage kann besiegen.

Vom Wachen
Krachen
Mir die Gebeine:
Ich seufze nur nach Liebe,
Die mir
Begier
Erweckt, ich meine
Der Ehe rechte Triebe.

2.
Ich wind' und dreh'
Mich hin und her,
Und kann die Nacht nicht schlafen.
Trugbilder seh
Ich, nichtig, leer,
Die mich mit Täuschung strafen.

Denn meinen Hort
Nicht find' ich dort
An seinem Ort,
Wohin so oft ich greife.

So ist mir, ach,
Mit Ungemach
Feu'r in dem Dach,
Als ob's mich sengend streife.

Umwinden,
Binden
Ohne Seil,
Kann sie bei nah'ndem Tage.
Ihr Mund
Zur Stund,
Und manche Weil,
Weckt Sehnsucht mir und Klage.

3.
Also vertreib
Ich, liebe Gret,
Die Nacht bis an den Morgen.
Dein zarter Leib
Im Sinn mir steht,
Das sing ich unverborgen-

Mein höchster Schatz,
Auch eine Katz
Mit keckem Satz
Schreckt mich beim Auferwachen,

Die keine Ruh
Gibt spat und fruh.
So komme Du
Und hilf mein Bettlein machen.

O Glück!
Zurück
Den Königsstuhl
Weit setz ich ohne Schwanken,
Wenn mich
Zu sich
Mein schönes Buhl
Gen Tag ruft in die Schranken.
(S. 119-121)
_____



Die Eidgenossen

1.
"Hör Margareth,
Mein Gretelein,
Mein zartes Buhl,
Herzmaienzeit,
Nie weiche mir von Zucht und Ehr!"

"Wie es auch geht,
Mein Oselein,
In deiner Schul
Treustetigkeit
Will ich erlernen immer mehr."

"Dies Wort will ich behalten mir,
Und schreiben in des Herzens Grund
Aus deinem rosenrothen Mund."

"Mein Hort! mir ist es so wie Dir
Denn ich will nimmer wanken
Auch nicht mit einem Gedanken!
Gedenk lieb Oselein an mich:
Dein Gretlein soll erfreuen Dich."

2.
"Du kannst mich nicht
Erfreuen mehr,
Als daß ich läg
In deinem Arm,
Verschlossen einem Klausner gleich."

"So schöne Pflicht
Wird mir nicht schwer.
Ich thu's nicht träg,
Mach ich Dir warm,
Das ist gar wenig mühereich."

"Nimm Eidgesellin, meinen Dank!
Das will ich Dir vergessen klein.
Du bist es, die ich mein', allein,

Und keinen Wandel, keinen Wank,
Herzlieb, von mir erwarte,
Dank Dir, du meine Zarte!"

"Zartliebster Mann, mir ist so wohl,
Wenn ich Dich traut umschließen soll."

3.
"Mir labt die Brust
Endlos dein Herz,
Dabei dein so
Holdseliger Leib,
Wenn er so traulich an mich rückt"

"Genoß! mit Lust
Krön' ich den Scherz.
Es macht so froh
Dein einzig Weib,
Wenn deine Hand mein Brüstlein drückt."

"Ach Frau, wie süßes Labsal Du
In alle meine Glieder senkst,
Seit Du mir Gunst und Frieden schenkst,
Vertrauen schenke mir dazu!"

"Oslein, bis an das Ende!"
"Gretlein, Dich nimmer wende!"
"Kein Wenden zwischen mir und Dir!
Zum Heile sei es Dir und mir!"
(S. 122-124)
_____



Komm!

1.
"Komm, liebster Mann,
Mit Herz und Leib Dir zugethan
Bin ich, heran!
Komm Trautgesell,
Mein Stern, o bleibe heil!
Komm Schatz und Schutz,
Mir nutz
Allein, dem Neid zum Trutz!
Komm meines Herzens Leidvertreib
Und tröste mich viel armes Weib!
Mannhafter Leib,
Du gibst mir Muth
Und Glück für aller Länder Gut."

2.
"Dein Blick, dein Wort
Nimmt jeden Kummer fort,
Mein liebster Hort,
Du mein Begehr,
So sanft und stolz, so jung und hehr!
Du hast mein Herz
Aus Schmerz
Verjüngt mit liebem Scherz,
So wonniglich und mannigfalt.
Durch Dich, du minnige Gestalt,
Werd' ich nie alt.
Erfrischt, geletzt
Bin ich, wenn mich dein Aeuglein netzt."

3.
"O Abschiedsnoth,
Das Scheiden ist mein Tod!
Mein Aug ist roth,
Wie es mich drückt,
Die Sinne sind mir ganz entrückt
Sammt Weibeszucht.
Es sucht
Die heiße Fluth des Trostes Bucht.
Wenn Du mir nicht in Bälde schreibst,
Und gar so lange von mir bleibst,
(Wie Du es treibst)
So fürcht ich sehr,
Ich seh zuletzt Dich nimmermehr!"
(S. 125-126)
_____


übersetzt von Johannes Schrott (1824-1900)

Aus: Gedichte Oswald's von Wolkenstein
des letzten Minnesängers
Zum erstenmale in den
Versmaßen des Originals
übersetzt, ausgewählt, mit Einleitung
und Anmerkungen versehen
von Johannes Schrott
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1886

 

 


 

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