Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Reinmar der Alte (von Hagenau)
(um 1194 - 1207)

 

Frohe Aussicht

Ich wähne, Liebes winkt am Ziel:
Mein Herz erhebt sich wie im Spiel,
Zu Freuden schwingt sich auf der Muth,
Gleichwie der Falk' im Fluge thut
Und wie der Aar im Schweben,
Weil dort mir Freunde leben.

Wohl mir, wenn die mein Auge sieht
Gesund wie vordem, als ich schied.
Noch besser ist's, bei ihr zu sein!
Herr Gott, das wolle mir verleih'n,
Daß ich sie wiedersehe
Und sänftig' all ihr Wehe
Und, war ihr Herz bedrückt von Leid,
Daß ihres ich verscheuch' und meines sie zu gleicher Zeit.
So kann uns Freud' erstehen;
O wohl mir, dann wird nie der Tag zu früh mir niedergehen.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 365)

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Ich wähn mir liebe geschehen viel,
Mein herz erhebet sich zum spiel,
Zu freuden schwinget sich mein mut,
Wie der falk im fluge tut
Und der aar im sause.
Ich liess liebes mir zu hause:
Wohl, mir, wenn ich sie grüss
Wohl gesund, wie ich sie liess.
Gut ist alles ding an ihr.
Herr und Gott, gestatte mir,
Dass ich sie sehen dürfe,
Die schwere von ihr würfe,
Und wenn sie noch in sorgen sei,
Dass ich ihr die verringe und sie die meine mir dabei,
Und freude wir geniessen:
O wohl mir dann der langen nacht!
Wie könnt mich die verdriessen?

Nachgedichtet von
Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 71)

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