Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Rudolf von Rotenburg
(um 1257)



Botschaft

Vom Liebchen hat mir ungefragt
Ein fremder Pilger jüngst gesagt,
Wie doch so schön sie wäre
Und dabei wohlgemut.
Das ist mir eine Märe,
Die meinem Herzen klinget gut.

Gott geb der Lieben guten Tag,
Da andern Gruß ich nicht vermag;
Und also sprech ich immer,
Wenns geht dem Morgen zu,
Und ich vergeß ihr nimmer
Auch nachts zu wünschen gute Ruh!

Ach, meiner selbst ich fast vergaß,
Als sie beim Abschied vor mir saß
In holdem Wangenglühen
Wie Abendrosenrot;
Wird je mir Lohn erblühen,
Bleibt er gemischt mit Sehnsuchtsnot.

Sie hieß mich, als ich von ihr schied,
Ihr senden jedes süße Lied;
Die wollt ich gern ihr senden,
Wüßt ich nur einen Knecht,
Ders ihren weißen Händen
Als würdiger Bote überbrächt.

Doch könnt ein Bote säumig sein,
Drum schick ich tausend hinterdrein;
Wenn die ihr alle bringen,
Was ich der Süßen sang,
Und schön ihrs wiedersingen,
So wird mir wohl ihr Habedank.

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 178)

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Aus der Ferne

"Guten Tag! - den gebe Gott ihr heut,
Die zu grüßen Trennung mir verbeut!"
Also sprech' ich immer,
Bin ich früh erwacht,
Und vergesse nimmer
Abends ihr zu wünschen: 'Gute Nacht!'

Ach, wie meiner Sinn' ich halb vergaß,
Als sie so beim Abschied vor mir saß!
Ihr Gesicht erglühte
Wie das Abendroth;
Doch erweist sie Güte,
Mischt sich ihre Huld mir stets mit Noth.

So erbat beim Scheiden jüngst sie noch,
Schicken sollt' ich jedes Lied ihr doch;
Gerne wollt' ich's senden,
Wüßt' ich nur mit wem,
Der den weißen Händen
Schön es reicht' und wär' ihr angenehm.

Doch es könnt' ein Bote säumig steh'n,
Darum sollen mehr als tausend geh'n,
Daß sie all' ihr bringen
Dieses süße Lied
Und es schön ihr singen,
Ob vielleicht ein Danken mir geschieht.

Von der lieben Frau hat ungefragt
Mir ein fremder Pilgersmann gesagt,
Hat gesagt, sie wäre
Schön und wohlgemuth;
Ach, wie diese Märe
Mir so innig wohl am Herzen thut!

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 354-355)

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