Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Ulrich von Lichtenstein
(um 1250)



Mannes Freude

Krieg mit allen Ungemuthen,
Die sich nimmer noch gefreut,
Mit den Feinden alles Guten,
Was das Erdenleben beut!
Krieg für die Freuden und Krieg für die Ehren,
Die uns die Neider wollen verwehren!

Wenn die Frauen froh nicht machen
Einen vielgeliebten Mann,
Dem aus Herzensgrund sie lachen,
Sagt, was den erfreuen kann?
Wenn ihn nicht freuet ihr süßes Kosen,
Wird er sich freuen der Maienrosen?

Ich bin froh ob meiner Rosen,
Die viel süße Worte spricht
Und mit Scherzen und mit Kosen
Jedes Herzeleid zerbricht.
Mit dem kleinen rosigen Munde
Zieht sie den Schmerz aus des Herzens Grunde.

Wie die Bienen ihre Süße
Aus den Blumenkelchen ziehn,
Also ziehen ihre Grüße
Auch den Schmerz aus meinem Sinn:
Seit sie den ersten Gruß mir gegeben,
Ward mir zum Himmel das irdische Leben.

Mit des höchsten Muthes Krone
Hat sie mir das Haupt geschmückt
Und es schwebt mit seinem Lohne
In den Lüften hochentzückt.
Eine ewige Freudenjugend
Schenkte mir ihre Frauentugend.

Nachgedichtet von
Wilhelm Müller (1794-1827)

Aus: Blumenlese aus den Minnesingern
Herausgegeben von Wilhelm Müller
Erste Sammlung Berlin 1816
In der Maurerschen Buchhandlung (S. 94-97)

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