Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Ulrich von Singenberg Truchsässe von St. Gallen
(um 1209 - 1228)

 

Zwiegespräch

Frau, ich wäre gerne froh,
Ohne euch nicht kann ichs werden!
"Weh, das wäre! irgendwo,
Nicht bei mir, sucht Trost auf Erden!"
Außer Gott kann trösten nichts,
Nichts als ihr alleine!
"Laßt den Spott, ich achte doch
Eurer Reden keine!"
Wollt ihr, liebe Frau - kanns sein? -
Einem treuen Freund entsagen?
"Kam mit euch ich überein,
Euern Gram mit euch zu tragen?"
Nun, so sterb ich dran, wird er
Nicht durch euch geringer!
"Wißt, ich gäb um solche Not
Nicht den kleinen Finger!"
So verspottet ihr mich nun,
Wo mir Ernst den Spaß benommen?
"Nun, was soll man für euch tun,
Euerm Grame beizukommen?"
Das kann ich euch weisen, folgt
Meinem Rat ihr immer!
"Ach wenn ich mirs recht bedenk,
Folg ich diesem nimmer!"
Daß mein Rat wie meine Klagen
Euch nichts gelten, tut mir weh!
"Zürnt ihr, müßt ich mirs versagen,
Daß ich je euch wiederseh."
Zürnt ihr, büß an eurer Huld
Gern ich, mir zum Glücke!
"Geht! ich schwurs: mir tut nichts an
Loser Männer Tücke!"
Tücke ist mir niemals kund,
War euch dienstbar ohne Wanken!
"Wär es wahr, was euer Mund
Zu mir spricht, wollt ich euch danken!"
Hülf mirs, schwür ich euch: daß ich
Geh auf graden Wegen!
"Dann sollt ihr verzweifeln nicht
Und hübsch Hoffnung hegen!"

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 62-63)

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