Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Walther von der Vogelweide
(um 1170 - 1230)

 

Liebestraum

"Nehmt, Jungfrau, diesen Kranz,"
Also sagt' ich einem Mägdlein, schön und hold,
"Ihr ziert genug den Tanz,
Wenn Ihr nur die schönen Blumen tragen wollt.
Ja, hätt' ich freilich Edelsteine,
Würd' es mich beglücken,
Euer Haupt zu schmücken.
Glaubt mir, daß ich's treulich meine.

Ihr seid so wohlgethan,
Daß ich Euch den kleinen Kranz gern geben will,
Das Beste, was ich kann.
Doch ich weiß der bunten Blumen noch so viel,
Die steh'n dort fern auf jener Heide,
Wo sie schön entspringen
Und die Vöglein singen.
Kommt, wir woll'n sie brechen beide."

Sie nahm, was ich ihr bot,
Wie ein züchtig Mägdlein, das vor Scham erglüht,
Ihr Wänglein wurde rot
Wie die Rose, wenn sie unter Lilien blüht.
Sie schlug die lichten Augen nieder;
Doch ein freundlich Neigen
Ward als Lohn mein eigen.
Ob mehr mir ward, ich sag's nicht wieder.

Mich däuchte, nimmermehr
Hatt' ich größ're Freude, als ich da besaß.
Die Blüten sanken schwer
Von den Bäumen auf uns nieder in das Gras,
Ach seht, vor Freuden mußt' ich lachen,
Als ich traumumsponnen
War so reich an Wonnen,
Da tagt' es - und ich mußt' erwachen.

Drum kann ich's umgeh'n,
Daß ich allen Mägdlein nun zur Sommerzeit
Muß in die Augen seh'n:
Fänd' ich sie vielleicht, vergessen wär' mein Leid
Wie, wenn sie wäre hier beim Tanze
Frau'n, ach, habt die Güte,
Rückt empor die Hüte!
Säh' ich die Meine doch im Kranze!

Nachgedichtet von Bruno Obermann

Aus: Gedichte Walthers von der Vogelweide
Uebersetzt und erläutert von Bruno Obermann
Stuttgart Berlin Leipzig 1886 (S. 29-30)

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Tanzlied

"Nehmt, Herrin, diesen Kranz",
Sprach ich zu einer wunderfeinen Magd,
"So zieret ihr den Tanz
Mit diesem Blumenschmuck, wenn ihr ihn tragt!
Hätt ich viel köstliche Gesteine,
Sie wären all die euern;
Laßt, Herrin, michs beteuern,
Daß ich es treulich mit euch meine!

Ihr seid so wohlgetan.
Daß ich euch gern ein Kränzlein geben will.
So gut ichs winden kann.
Ich weiß viel Blumen stehn in Hüll und Füll,
Wohl weiß und rot, fern in der Heide,
Wo lieblich sie entspringen
Bei muntrer Vöglein Singen:
Da sollten wir sie brechen Beide!"

Sie nahm, was ich ihr bot.
Gleich einem Kind, das ein Geschenk beglückt!
Ihr ward die Wange rot,
Als ob die Lilie Rosenfarbe schmückt.
Den Blick sah ich sie schamhaft neigen.
Da ward mir von der Süßen
Zum Lohn ein holdes Grüßen –
Und bald noch mehr: des laßt mich schweigen!

Ich glaubte niemals mehr
An größre Wonne, als ich da besaß.
Es fielen auf uns her
Viel Blüten von den Bäumen in das Gras.
Ach wie ich da vor Freuden lachte,
Weil mich mit süßen Wonnen
Das Traumbild hielt umsponnen –
Da kam der Tag und ich erwachte!

Mir ist von ihr geschehn,
Daß ich den Mägdlein all zur Sommerszeit
Nun muß ins Auge sehn.
Ob ich sie wiederfänd? o Seligkeit!
Wie? wenn sie wär in diesem Tanze?
Ihr Frauen, habt die Güte,
Rückt aus der Stirn die Hüte:
Ach – fänd ich sie doch unterm Kranze!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Walther von der Vogelweide
aus dem Mittelhochdeutschen übertragen
eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von
Richard Zoozmann
Herausgeber: Jeannot Emil Freiherr von Grotthuss
Druck und Verlag von Greiner und Pfeiffer Stuttgart 1907 (S. 16-17)

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Liebestraum

"Nehmt, Herrin, diesen Kranz,"
Hab' ich einer wunderschönen Maid gesagt,
"So zieret ihr den Tanz
Mit den schönen Blumen, die am Haupt ihr tragt.
Hätt' ich viel Gold und Edelsteine,
Müßt' es auf eur Haupt;
Holde Herrin, glaubt,
Daß ich es treulich mit euch meine.

"Ihr seid so wohlgethan,
Daß ich euch gar gern ein Kränzlein geben will,
So gut ich's geben kann.
Blumen roth und weiß wie Schnee, die weiß ich viel,
Sie stehn so fern in jener Haide,
Wo sie gar hold entspringen
Bei der Vöglein Singen:
Da wollen wir sie brechen beide."

Sie nahm, was ich ihr bot,
Wie voll keuscher Scham ein junges Mägdelein;
Die Wangen wurden roth,
Wie die Rosenknospe sprießt bei Lilien rein.
Sie schlug die hellen Augen nieder
Und verneigt' sich holde.
Das ward mir zum Solde!
Was dann geschah? Sag's Keinem wieder!

Mich däuchte, daß ich nie
Schön're Freud' gewonnen, als ich da besaß:
Die Blüten sanken hie
Von den Bäumen bei uns nieder in das Gras.
Ich war so froh da, daß ich lachte,
Weil so wundermild
War des Traumes Bild:
Da ward es Tag und ich erwachte.

Mir ist von ihr geschehn,
Daß ich diesen Sommer allen Mägdlein mußt'
Stets in die Augen sehn,
Ob vielleicht ich meine fänd', o welche Lust!
Wie, wenn sie wär' bei diesem Tanze?
Frauen, habt die Güte,
Rücket auf die Hüte:
Ach, säh' ich sie doch unterm Kranze!

Nachgedichtet von
Karl Pannier

Aus: Walthers von der Vogelweide
Sämtliche Gedichte
Aus dem Mittelhochdeutschen übertragen
mit Einleitung und Anmerkungen versehen
von Karl Pannier
Zweite Auflage Leipzig 1876 (S. 23-24)

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Tanzweise

"Nehmt, Herrin, diesen Kranz,"
Sprach ich jüngst zu einem Mägdlein wunderhold,
"So zieret ihr den Tanz
Mit den schönen Blumen, die ihr tragen sollt.
Hätt ich viel Gold und Edelsteine,
Sie müßten euch gehören,
Kann ich redlich schwören:
Vertraut mir, daß ichs ernstlich meine."

"Ihr seid so wohlgethan,
Daß ich euch ein Kränzlein gönnte herzlich gern,
So gut ichs winden kann.
Noch viel Blumen stehen, roth und weiße, fern,
Die weiß ich dort in jener Haide,
Wo sie gar hold entspringen
Bei der Vöglein Singen:
Da sollten wir sie brechen beide."

Sie nahm was ich ihr bot,
Einem Kinde gleich, dem Freundliches geschieht;
Ihr Wänglein wurde roth
Wie die Rose, da man sie bei Lilien sieht.
Ihr Auge schämte sich, das lichte:
Ein holdes Gegengrüßen
Ward mir von der Süßen,
Und bald noch, was ich nicht berichte.

Ich glaubte niemals mehr
Freude zu gewinnen, als ich da besaß:
Die Blüthen fielen schwer
Von den Bäumen bei uns nieder in das Gras.
Ich war so fröhlich, daß ich lachte.
Als mich der Traum umsponnen
Hielt mit solchen Wonnen,
Da ward es Tag und ich erwachte.

Mir ist von ihr geschehn,
Daß ich allen Mägdlein jetzt zur Sommerzeit
Muß in die Augen sehn;
Fänd ich meine wieder: o der Seligkeit!
Wär sie bei diesem Ringeltanze?
Ihr Frauen, habt die Güte,
Rücket auf die Hüte:
Säh ich sie wieder unterm Kranze!

Nachgedichtet von
Karl Simrock (1802-1876)

Aus: Gedichte Walthers von der Vogelweide
übersetzt von Karl Simrock
und erläutert von Karl Simrock und Wilhelm Wackernagel
In der Vereinsbuchhandlung Berlin 1833 Erster Theil (S. 7-8)


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"Nehmt, Herrin, diesen kranz,"
Habe ich zu einer holden frau gesagt,
"So zieret ihr den tanz
Mit den schönen blumen, die ihr schöner tragt.
Hätt ich die edelsten gesteine,
Sie dienten euerem haupte,
Wenn es huld erlaubte,
Seht meine treue, dass ich's meine.

Frau, ihr seid so wohlgestalt,
Dass ich euch den schönsten kranz gern geben will,
Den ich find in feld und wald.
Weisse und auch rote blumen weiss ich viel,
Die stehn nicht fern in jener heide,
Wo sie schön entspringen,
Und die vögel singen,
Da sollten wir sie brechen beide."

Sie nahm, was ich ihr bot,
Einem jungen kinde gleich, dem ehre blüht,
Ihre wangen wurden rot
Wie die rose, wenn sie bei der lilie glüht,
Und es schämten sich die lichten augen,
Doch neigte sie mir dulden,
Und gab mir lohnes hulden,
Die nur verschwiegenem herzen taugen.

Mich deuchte, nie ward mir
Wohler noch, als damals mir zumute was,
Die blumen fielen hier
Von den bäumen zu uns nieder in das gras,
Seht, da musst ich freudig lachen:
Als so grosse wonnen
Mir aus traumes bronnen
Flossen, machte tag mich wachen.

Mir ist von ihr geschehn,
Dass ich diesen sommer allen mädchen muss
Unters auge sehn.
Finde ich die meine: so flieht mich der verdruss.
Schwingt sie vielleicht in diesem tanze?
Fraun um eure güte,
Rucket auf die hüte:
O säh ich sie doch unterm kranze!

Nachgedichtet von
Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 84-85)

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Im Blumenkranze

"Nehmt, Fraue, diesen Kranz,"
Hab' ich einst zu einer schönen Maid gesagt;
"So ziert ihr diesen Tanz
Mit dem Blumenreif, wenn ihr im Haar ihn tragt.
Besäß' ich Gold und Perlgeschmeide,
Das müßt' um eure Schläfen;
Wenn mich Zweifel träfen,
So schwör' ich's, seht, mit heil'gem Eide."

Da nahm sie, was ich bot,
Einem Kinde gleich von sittigem Gemüth;
Die Wangen wurden roth,
Wie die Rose, wo sie bei der Lilie blüht;
Die lichten Augen schlug sie nieder
Und neigte sich so minnig,
Dankend hold und sinnig;
Was weiter ward, sagt Keiner wieder.

Mir ist von ihr gescheh'n,
Daß ich diesen Sommer all und jeder Maid
Muß in die Augen seh'n;
Leichtlich find' ich mein' und schwindet alles Leid.
Ergeht sie wohl sich hier im Tanze?
Ihr Frauen, habt die Güte,
Rückt empor die Hüte!
Ach, säh' ich sie im Blumenkranze!

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 204-205)

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Der Blumenkranz

Fräulein, nehmet diesen Kranz!
So sprach ich zu einer holden Magd:
Und dann führ' ich euch zum Tanz
Mit den schönen Blumen die ihr tragt.
Hätt ich viele Edelsteine,
Ich setzte sie alle auf eur Haupt.
Sprecht, warum ihr mir's nicht glaubt,
Daß ich es treulich mit euch meine?

Frau, ihr seid so wohlgethan,
Daß ich gern dieß Hütchen euch schenken will,
Das beste was ich nun bieten kann:
Auch zeig' ich duftender Blumen euch viel.
Seht, dort stehn sie auf der Heide,
Wo die kleinen Vöglein singen
Und die silbernen Bächlein entspringen.
Wollen wir gehen und pflücken sie beide?

Und sie nahm, was ich ihr bot,
Und versprach mir mitzugehn,
Aber die Wangen wurden so roth,
Wie wenn Rosen bei Lilien stehn:
Und zur Erde sah sie nieder
Mit so süßverschämten Blicken,
Daß ich bebte vor Entzücken:
Mehr erzählt mein Lied nicht wieder.

Nachgedichtet von
Wilhelm Müller (1794-1827)

Aus: Blumenlese aus den Minnesingern
Herausgegeben von Wilhelm Müller
Erste Sammlung Berlin 1816
In der Maurerschen Buchhandlung (S. 78-81)
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