Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Wolfram von Eschenbach
(um 1170 - 1220)

 


Trotz Winter

Laubessprießen, Knospenspringen
Und die Mailuft giebt den Vöglein all den alten Ton;
Aber ich kann Neues singen,
Wenn der Reif liegt, gutes Weib, ganz ohne deinen Lohn;
Um des Sommers Mitt' erklang
In Keines Ohr der Waldessinger ihr Gesang.

Lichtgemalter Blumen Scheinen,
Wo sie blüh'n auch, soll das Thaugeperle noch erhöh'n;
All die Maizeit ihre Kleinen
Wiegen süß die hellsten, besten Vögel mit Getön.
Nimmer schlief die Nachtigall:
Nun wach' und sing' ich über Berg und Thal mit Schall.

Dich zur Gnade will erweichen,
Güt'ges Weib, mein Lied; so hilf, es thut jetzt Hülfe Noth;
Deinen Lohn will Dienst erreichen,
Den ich immer biet' und biete bis an meinen Tod
Laß mich Trost von dir empfah'n:
Aus langem Gram soll' endlich mir Erlösung nah'n.

Gutes Weib, kann Dienst erkunden,
Ob mir einst dein hülfereich Erbieten Lust verleiht,
Daß die Trauer bald verschwunden
Und ein liebes End' erzielt sei meinem langen Leid?
Dein bezaubernd Wesen zwang,
Daß dir zu Wunsch ich Lieder singe, kurz und lang.

Werthes Weib, mit süßer Güte
Und mit minn'gem Zorn hast Freuden viel du mir verwehrt;
Kannst du trösten mein Gemüthe,
Weil ein huldvoll Wort von dir mir Wonn' und Lust bescheert:
Wende doch mir Klag' und Schmerz,
Auf daß hienieden mein noch werd' ein frohes Herz.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 155-156)

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Blumen-ursprung, laub-ausdringen
Und der luft des maien lautbart vogel den alten ton:
Manchmal kann ich neues singen,
Wenn der reif liegt, gute, alles ohne deinen lohn.
Die waldsänger und ihr sang
Nach halben sommers zeit in niemands ohr erklang.

Der lieblichen blumen glästen
Soll der tautropfen feuchte hellen, wo sie sind,
Vögel, die lauten und die besten,
Wiegen all die zeit des maien mit gesang ihr kind,
Da schlief nicht die nachtigall:
Nun wach aber ich und sing auf bergen und im tal.

Mein sang will nur gnade suchen
Bei dir, gütige frau, nun hilf, seit hilfe ist worden not:
Den dienst soll dein lohn mir buchen,
Dass ich nimmer müde und müde bis an meinen tod.
Lass mich von dir nehmen den trost,
Dass ich aus meinen langen klagen werde erlost.

Gütige, kann mein dienst erfinden,
Ob dein hilfliches gebot mit freuden mich belehn,
Dass mein trauern müsse schwinden,
Und ein liebes end von dir erjagen mein langes flehn?
Deine schöne zucht mich zwang,
Dass ich dir beides sing: kurz oder, willst, lang.

Würdige, deine süsse güte
Und dein minniglicher zorn hat mir viel lust vergällt.
Hast du trost meinem gemüte?
Nur ein hülfreiches wort von dir mich sanft erhält:
Gib nun wende meinem klagen,
So dass ich werde grossgemut in meinen tagen.

Nachgedichtet von
Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 106-107)

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Lebenslanger Gesang

Junges Laub und Blumen springen,
Es erwacht der Vögel Ton:
Ach, wie kann ich lenzig singen?
Reif bedeckt den Minnelohn.
Schweigt nicht auch der Waldgesang,
Bis die volle Frühlingswonne
Bringt den süßen Minnedank?

Wann die bunte Blumenheide
Glänzt im hellen Morgenthau
Und des Maien Liebesfreude
Schallet durch die grüne Au',
Dann erst schlägt die Nachtigall:
Aber ich muß ewig singen
Auf dem Fels und in dem Thal.

Denn mein Lied will Gnad' erflehen
In der heißen Herzensnoth:
Drum darf ich nie schweigend stehen,
Sei's auch bis an meinen Tod;
An des finstern Grabes Fuß
Will ich fest den Trost noch halten,
Daß sie einst mich minnen muß.

Nachgedichtet von
Wilhelm Müller (1794-1827)

Aus: Blumenlese aus den Minnesingern
Herausgegeben von Wilhelm Müller
Erste Sammlung Berlin 1816
In der Maurerschen Buchhandlung (S. 82-83)

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