Wilhelmine Müller geb. Maisch (1767-1807) - Liebesgedichte



Wilhelmine Müller geb. Maisch
(1767-1807)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Mein Thälchen
an Edgar

Edgar auf! Ich hab' ein Thal gefunden!
Wie mein suchend Auge keins noch sah!
Nur für unsrer Liebe Wonnestunden
Liegt es so voll Reiz und Anmuth da! -

Ennas stilles Thal! Petrarks Vauklüsse
Geßners liebliches Arkadien
Eldorado - Tempe - Paradiese
O! kein Eden lag so himmlisch schön!

Berge! die ihr Haupt durch Wolken recken,
Zäumen ringsum seine Grenzen ein,
Ihre Brombeer- und Hollunder-Hecken
Laßen keinen Feind zu uns herein.

Durch Gesträuch und Felsenklüfte windet
Sich ein Pfad so heimlich, still und schmal,
Rauh und dornicht - O! kein Städter findet
Diesen rauhen Pfad in unser Thal!

Und was wollten auch die Lärmgewohnten
Hier? Des Thälchens Friede quälte sie -
Wo nie Karten ihrem Gähnen lohnten,
Und kein Nachbars-Fehl Gespräche lieh. -

Kerzenschein, nicht Abendsonnenschimmer
Saitenschall, nicht Vögel-Melodie,
Schmeichler, feile Knechte, bunte Zimmer,
Gold und Auslands Güter brauchen sie.

Halleluja! daß von diesen Dingen
Unser armes Thälchen nichts enthält -
Sieh, drum wird kein Lüstling zu uns dringen,
Wir sind sicher dort vor aller Welt!

Dort sind Quellen, unserm Durst zu wehren
Raum genug für Hirse, Korn und Kraut,
Für den Nachtisch Nüsse, Obst und Beeren,
Blumen für die Feste Deiner Braut;

Eichen-Nacht, des Denkers Geist zu wiegen;
Tannen-Dunkel für die Schwärmerin -
Ulmen, in der Liebe Arm zu liegen,
Grotten, Blitz und Regen zu entfliehn!

O! so komm geschwind! Was soll das Säumen?
Komm! Dort küssen wir uns ungestört -
Meine Hand soll hurtig alles räumen,
Dorn und Stein und was den Eingang wehrt.

In der Wölbung einer alten Eiche
Bau'n wir uns ein niedlich Hüttchen hin,
Seine Wände wilde Rosensträuche,
Und sein Boden Veil' und Immergrün.

Und wo Fichten dunkle Kühlung breiten,
Sey der Mutter unsrer Seligkeit,
Sey der Segens-Göttin aller Zeiten,
Holder Liebe ein Altar geweiht. -

Gieb die Harfe mir, ihr Lob zu singen,
Schön wie Sappho und Petrarka sang!
Rosen, ihre Blüte zu umschlingen,
Innig, wie Dein Arm mich oft umschlang.

Reiner, freyer wallen dort die Triebe,
Wo wir nimmer Zwang und Feinde scheu'n -
Bald, bald singt die Sängerin der Liebe
Mich in Deinem Arm zum Schlummer ein! -
(S. 78-81)
_____



An die Liebe

Betrüglichste der Dirnen,
An deren Joch wir zieh'n,
Vernimm das laute Zürnen
Der ernsten Sängerin!
Wenn Deiner Sklaven Menge
Dir Blumenkränze flicht,
Wenn alle Welt Dir sänge,
Ich sänge doch Dir nicht!

Kein Moloch hält Altäre,
Wie sie Dein Tempel faßt;
Dir rollt der Freude Zähre,
Dir dröhnt des Kummers Last -
Hier siehst Du Paare krönen,
Umringt von frohen Reih'n,
Dort Bräute die mit Thränen
Sich ew'gem Kummer weihn.

Du trägst in weichen Händen
Zwey Kelche gleichgewählt,
Hier Necktar, Glück zu spenden,
Dort Gift das langsam quält;
Dein Bruder Zufall lenket
Die Durstigen herbey,
Ob Tod, ob Lust sie tränket,
Das ist Dir einerley.

Du wandelst reine Herzen
In Quellen trüb und kraus;
Theilst Seligkeit und Schmerzen
Nach toller Laune aus!
Wer heilt des Herzens Wunden,
Wenn sie Dein Eisen gab?
Ein Band, das Du gebunden,
Reißt selbst kein Simson ab!

Du leihest Heuchlern Thränen,
Dem Schwächling Allgewalt,
Kannst Satane verschönen
Zu himmlischer Gestalt! -
Gehst mit der Blend-Laterne
Der Wollust still voran,
Borgst ihr Dein Kleid, nährst gerne
Verliebter Unschuld Wahn.

Ob Wahrheit auch den Schleyer
Ihr einst vom Auge zieht,
Sie scheu ein Ungeheuer
Im Heiß-Geliebten sieht.
Umsonst! Im Busen glühen,
Der Liebe Flammen doch,
Sie sieht Ihn lachend fliehen,
Und liebt Ihn weinend noch!

Natur in voller Schöne
Hat keinen Reiz für sie -
Sie hört nicht Saitentöne,
Nicht Vögel-Melodie!
Steht kalt an Berg-Ruinen,
Wie am beblümten Bach,
Und denkt mit finstern Mienen
Nur ihrem Kummer nach.

Sie pflegt nur Grab-Cypressen
Und dunkeln Rosmarin,
Wünscht, von der Welt vergessen,
In Wüsteney'n zu zieh'n;
Fleht knieend um Erlösung,
Um Ruh' in kühler Gruft,
Und weint, wenn Ihr Genesung
Vom Krankenlager ruft.

Dir Liebe tönten Lieder?
Dir gält' der Freude Blick?
Du kämst vom Himmel nieder?
Und wärst der Menschheit Glück?
Ha! nimm erst deine Ruthen,
Wenn Schurken sich Dir nah'n;
Laß Segen nur die Guten,
Nur Unschuld Glück empfah'n. -

Despotin, länger trage
Ich Deine Fesseln nicht!
Sieh'! dieses Aug' voll Klage,
Dies blasse Angesicht -
Sie sind Dein Werk! ich höhne
Furchtbare! Dich forthin,
Nimm mit der letzten Thräne
Mein letztes Feuer hin.
(S. 102-106)
_____



Das Ehpaar, wie es seyn soll
Ein Gedicht

Beglückt wem treue Liebe sich verband
Wem ihre hohe Freuden sie bereitet!
O wohl dem Paare, das der Treue Hand
Durch dieses Lebens finstre Gänge leitet;
Wie Leth'es Trank würkt Aphroditens Wein,
Er flößt Vergessenheit der Sorgen ein!

Des Lebens trübe Ansicht hellt ihr Wahn,
Ihr Täuschen tönt wie süße Melodien,
Durch ihren Flor erblickt man auf der Bahn
Die uns zum Ziele führt, nur Rosen blühen -
Die Zauberin hüllt Dornen, Sümpfe, Stein
In holde magische Gewölke ein.

So jauchzt der Jüngling, der im Morgenglanz
Die Braut zum Weih-Altar geschmückt, erblicket,
So singt das Mädchen, dem der Myrthenkranz
Der Langersehnte jetzt die Stirne schmücket -
So jubeln Paare in der goldnen Zeit
Auf welche Neuheit ihre Flittern streut.

Gewohnheit, Jüngling! lößt den Zauber auf,
Die mächt'ge Feindin aller heißen Triebe! -
Die Myrthe, Mädchen! welkt bei längerm Lauf
Allmählich löscht die wilde Glut der Liebe;
Ihr Trank reicht nicht mehr göttlichen Genuß
Und Himmels-Lust. Ein Kuß ist jetzt - -  ein Kuß.

Gesegnet sey der Mann, der dann noch liebt
Wenn sich der Leidenschaften Stürme brechen,
Der jetzt der Tugend Treue sich ergiebt -
Geduldig, sanft des zarten Weibes Schwächen
Mit Liebe trägt - sein Herz vor Kränkung schont,
Ihm liebend Leiden und Entbehrung lohnt.

In Härte, Herrschsucht, Stolz und Grausamkeit
Wird nie der Edle Männerrechte setzen;
Mit Freude thun, was ihm die Pflicht gebeut,
Und sollte auch die Pflicht sein Glück verletzen -
Nie wird er kalt der Seinen Thränen sehn,
Stets trachten ihren Wohlstand zu erhöh'n.

In Weibes-Arm, beym unschuldvollen Spiel
Der Kinder wird er Glück und Freuden finden,
Im Kreis der Seinen, nicht im Weltgewühl,
Nicht unter Fremden wird sein Leben schwinden;
Des Hauses Feste feyert er mit Lust
Nur hier füllt Wonne seine treue Brust.

Verehrung Ihr, die nie, auch wenn die Zeit
Der Liebe Flammen löscht, die Pflicht verletzet -
Die Gattenwohlseyn und Zufriedenheit,
Die Kinderglück vor allen Freuden schätzet;
Die stolz den Flitterstand der Mode höhnt
Und nie der Eitelkeit Gesetzen fröhnt.

Die, wenn ihr Rosen blühn, dem Mann sie pflückt
Den zum Gefährten ihr einst Gott gegeben -
Und wenn ein Schmerz sie quält, ein Gram sie drückt,
Dem Freund es klagt, dem Theil von ihrem Leben,
Die, nagt Ihn Siechthum, sanft und zart ihn pflegt
Und ihre Kindlein stets mit Liebe hegt.

Die, wenn auch Zorn des Gatten Stirne kraußt
(Oft tragen Männer-Stirnen düstre Falten)
Dem Sturm der jetzt am Ehstandshimmel braußt
Mit Stärke sieht und leisem Stillehalten -
Und wann erneut die Friedenssonne blinkt
Versöhnt und froh in seine Arme sinkt.

Ein Paar das so vereint durchs Leben geht
Ist beßrer Menschen Lust, des Himmels Freude,
Wenn auch die Zeit der Liebe Glut verweht,
Die Freundschaft wärmt - Ihr Band verknüpft jetzt Beide
Der Freundschaft Band zertrümmert keine Zeit,
Ihr heil'ges Feuer wärmt in Ewigkeit.
(S. 117-120)
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Lied am Geburtstage des Gatten

Singt der frohen Gattin Wonne
In der Flöte sanften Ton!
Heut gebahr die Morgensonne
Ihres Lebens schönsten Lohn;
Den ihr Gott zum Glück erkohr
Blickte heut zum Licht empor.

Chor
Der der Freundschaft Gott erkohr,
Blickte heut zum Licht empor.

Singt die Wonne, das Entzücken,
Das jetzt ihren Busen füllt,
Und aus ihren heitern Blicken
Mit des Dankes Thräne quillt!
Singt ihr heiliges Gebet,
Das für ihn zum Himmel fleht.

Chor
Mit der frohen Gattin flehn,
Freunde für Sein Wohlergehn!

Eltern - Freundes - Gatten - Liebe
Gab uns Gott zu Gram und Schmerz!
Darum füllen heiße Triebe
Nach Geliebtseyn jedes Herz -
Wehe! Wenn des Schicksals Hand
Uns an harte Menschen band! -

Chor
Preis dem Schicksal, dessen Hand
Gleiche Herzen fest verband!

Heil der schönsten, schöner Stunden
Da das Band der Harmonie
Unsre Seelen fest umwunden
O! Ihr goldnes Band reißt nie! -
Wenn der Parze Faden bricht
Reißt selbst ihre Kette nicht.

Chor
Wem die Liebe Kränze flicht
Scheut der Parze Scheere nicht.

Harm und Wonne gleich zu theilen,
Gleich empfinden Schmerz und Glück
Jubelnd sich entgegen eilen
Nach der Trennung Augenblick -
Und des Theuern Wiedersehn
In der Freunde Kreis begehn.

Chor
O! wie herrlich! o wie schön
Wenn Verbundne sich verstehn!

Halleluja! dieser Segen
Ist mit Dir, o Gatte, mein!
Horch! in meinen Herzensschlägen
Tönt das Echo: Ich bin Dein!
Dein auch über Tod und Grab,
Fällt einst meine Hülle ab!

Chor
Liebe, die ein Gott uns gab,
Dauert über Tod und Grab!
(S. 169-171)
_____


Aus: Gedichte von Wilhelmine Müller gebohrne Maisch
Neue umgearbeitete Auflage
Carlsruhe
im Bureau der deutschen Classiker 1818

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelmine_Müller



 

 


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