Marie von Najmájer (1844-1904) - Liebesgedichte

Marie von Najmajer

 


Marie von Najmájer
(1844-1904)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

Als Wand'rer naht zu flücht'ger Rast

Als Wand'rer naht zu flücht'ger Rast
- So meldet die Legende -
Der Herr als ungeahnter Gast,
Auf das er Segen spende.

Die Stunde wird auch dir zu Theil,
- Laß kalt sie nicht verrinnen! -
Da ungeahnt dir naht das Heil
Und Einlaß heischt nach Innen.

Es bleibt gar leicht dir unerkannt
In wechselnden Gestalten -
Drum sorge, daß nicht abgewandt
Du seist bei seinem Walten.

Laß Frühlingsluft und Frühlingslicht
Zu dir in vollen Zügen,
Verscheuch' die holde Schwalbe nicht
Auf ihren Wanderzügen.

Sie will vielleicht an deinem Haus
Ihr warmes Nest erbauen,
Und Glück und Friede sollen draus
Auf dich herniederschauen.

Pocht dir an's Herz ein scheuer Gast,
Der starr im Froste bliebe,
So laß ihn ein zu trauter Rast -
Es ist vielleicht die Liebe.
(S. 154-155)
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Ein Osterfest

Der starre Winter wich dem Sonnenkuß,
Im Hauch des Lenzes knospte Blüth' um Blüthe,
Da sandtest du mir einer Ostergruß
Aus mild versöhntem, freundlichen Gemüthe.

"Wie alles blühend jetzt entsproßt dem Grund,
Was stumm die Erde tief in sich getragen,
So werde meine Liebe neu dir kund
Im Frühling, in den hellen Ostertagen.

In deinem Sinne will ich auferstehn,
Denn immer schlägt mein Herz dir warm entgegen,
Und bis wir einst uns freudig wiedersehn,
Sei Gott mit dir auf allen deinen Wegen!"

- Und an des Osterfestes Morgenroth,
Als feierlich die ersten Glocken klangen,
Und deine Botschaft kam - - - da warst du todt!
Ich hatte deinen letzten Gruß empfangen.
(S. 43)
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In's dunkle Land

Du sinkst mit bleichem Angesicht
Geschloß'nen Aug's zurück in's Kissen,
Die Hand nur hält mit halbem Wissen
Die meine noch – o laß sie nicht!

Laß uns gemeinsam, Hand in Hand
Dem dunkeln Loos entgegen wallen,
Dem unerbittlich wir verfallen -
Gemeinsam nah'n dem dunkeln Land.

Du gehst – wie bald schon! – feierlich
Dahin, wo unser Wissen endet,
Von wo kein Pfad zurück sich wendet -
Und ich – in's Leben ohne dich.
(S. 68)
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Unverloren

Ein Ahnen geht durch Herbstesklagen: Aufersteh'n!
Es muß, was diese Welt getragen, auferstehn,
Und wär's begraben noch so tief im Erdengrunde.
Wie Geister, einst im Kampf geschlagen, auferstehn,
Wenn ihre Zeit erscheint und ihre große Stunde,
Wie Gläubige in wenig Tagen auferstehn
Den Herrn der Liebe sahn mit seiner Seitenwunde,
Wie tausend Frühlingsstimmen sagen: "Auferstehn!"
Zu Baum und Strauch und Halmen in der Runde -
So fühlst auch du mit Lust und Zagen: auferstehn,
Mein Herz! wird auch dein Lieben, deine Frühlingskunde,
Was je du tief in dir getragen – auferstehn!
(S. 42)
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Die blaue Blume

Gleich einer Jungfrau, die, den Nonnenschleier
Erwartend, sich von allem Schmuck befreit,
Ihr langes Haar hinopfert vor der Feier
Und doch in wehmuthvoller Lieblichkeit
So schön bleibt wie zuvor – so liegt vom Schauer
Des Herbstes schon gestreift, im Sonnenstrahl
Doch lächelnd in der allgemeinen Trauer,
Das unverwüstlich holde Alpenthal.

Sie ist verstummt, des Waldes traute Sprache:
Der süße Vogelsang ist ihm geraubt;
Dicht rauscht die Fluth im klein geword'nen Bache,
Dicht säuselt's durch die Kronen, halb entlaubt;
Wer ginge durch die Flur, die lange verblühte,
Und dächte nicht an manch' begrab'nes Glück?
Wer riefe sich im eigenen Gemüthe
Entschwund'nes Hoffen trauernd nicht zurück?

So klagt es auch in mir: "Vorbei auf immer
Die Zeit, wo uns die Lust vom Himmel fällt,
Wo uns das Sein verklärt mit holdem Schimmer,
Ein schöner Wahn, der uns die Seele schwellt!
Vorbei! der stummen Öde jetzt entgegen,
Die holdes Werden vom Vergehen trennt;
Denn nimmer blüh'n mir Blumen auf den Wegen,
So wie die Herbstflur nimmermehr sie kennt."

So sinnend, schaut' ich nieder auf die Scholle;
Und sieh! was sproßte aus dem Gras empor?
Der Berge holdes Kind, die wundervolle
Tiefblaue Genziane, noch im Flor.
Entzückt, als hätt' aus einem Zaubergrunde
Mein Seufzer plötzlich sie hervorgebannt,
Als brächte sie mir rätheshafte Kunde,
Blieb ihrem zarten Kelch ich zugewandt.

"O bist du", - sprach's in mir – "die 'blaue Blume',
Die holde Botin einer schöner'n Welt,
Dem Alltag fern in ihrem Heiligthume,
Die Lust, die uns im Traum vom Himmel fällt?
Das Glück, das nicht an Raum und Zeit gebunden,
Als Göttergabe durch die Herzen flammt,
Die Wärme, mit dem Sommer nicht entschwunden,
Der Frühlings, der dem Geistesschwung entstammt?

O blaue Blume, wunderbar entsproßen,
Verkünde meinem Herzen, was du bist!"
- Da war's, als hätt' sie leise mir erschlossen:
"Ich bin dir das, was du in mir ersiehst.
Vermag mein Anblick Freude dir zu geben,
Erschließt er dir noch eine Zauberwelt -
Was klagst du dann, daß nimmer dir im Leben
Mehr unverhoffte Lust vom Himmel fällt?!"
(S. 145-147)
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Nachruf

Gramvoll, tief verdüsterten Herzens wandl' ich
Trauernd hin; es blüht mir umsonst die Erde,
Die sich jüngst als Grab über Theures, ach! für
Immer geschlossen.

Ein Empfinden bleib mir zurück, nur eines:
Daß du spurlos gingst, daß die Flamme jählings
Dich dem Sein entriß, daß ich nie mehr, nie mehr
Nie mehr dich sehe!

Ach! nicht Worte spiegeln von dir, nicht Thaten
Wieder, was dein Eigenstes war! kein Sommer,
Reich an Frucht, ein ewiger Frühling warst du,
Ewig verloren!

Leise wiegt belebender Hauch des Morgens
Rings um mich die blühenden Fliedersträucher;
Und mir ist, als schwebtest du aus den Büschen
Hold mir entgegen.

Lächelnd nahst du, Blumen in deinen Händen,
Wie ich einst auf Bergen dich sah; dann fassest
Du mein Haupt und richtest es auf und blickst mir
Ernst in die Augen.

"Also denkst du," sprichst du mit sanftem Vorwurf,
"Meiner Wünsche, wie ich für dich sie hegte?
Freude, sagst du, gab ich dir einst! ich will sie
Immer dir geben.

Nicht in dumpfer Trauer gedenke meiner!
Wie! daß, ungebeugt von der Last des Alters
Noch das Haupt, ich schwand aus des Lebens Mitte,
Willst du beklagen?!

Nachempfunden, was ich gelitten willst du?
Klagt' ich denn? und hab' ich nicht überwunden?
Nicht so klein gedenke des Sinns, der endlich
Frieden gefunden!

Was da blüht, es künde dir meine Liebe
Immer neu, so lange du lebst! denn siehe,
Liebesgrüße sendend an dich, im Frühling
Bin ich geschieden!"

Mich ermahnend, blick' ich empor; der Flieder
Rauscht nur leise rings um mich her und schmerzlich
Fühl' ich mich allein – ach! dem Geist nur warst du
Mahnend erschienen.

Doch ein Lichtstrahl bleibt mir zurück: erstarken
Soll durch dich die leidende Seele! anders
Soll mein Herz dein theures Gedächtniß künftig,
Würdiger feiern!

Wenn der Freude wieder mein Sinn sich aufschließt,
Mögen deine Züge aus ihr mir lächeln!
Deine Stimme klinge aus jedem holden
Ton mir entgegen!

Was da schön ist, rufe mir vor das Auge
Deines Wesens königlich freie Anmuth,
Daß durchs Leben wandelnd ich immer, immer,
Immer dich schaue!
(S. 44-46)
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Komm zu mir!

O wende nicht dich ab von mir
Mit Augen thränenschwer!
Zog schöne Freude mich zu dir,
So thut's das Leid noch mehr.

Nicht frag' ich, was die süße Lust,
Der Stimme Klang dir nimmt:
Es ist die reiche Menschenbrust
Am leichtesten verstimmt.

O schweig' nur still! doch wenn ein Bann
Dich ungewohnt bezwingt,
Wenn, was dich sonst erfreuen kann
Mit holdem Schein, versinkt,

Wenn unter einer Seelenlast
Dein froher Muth entwich -
So komm zu mir zu stiller Rast
Denn sieh – ich liebe dich.
(S. 38)
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Scheiden

Stille Luft läßt wunderklar
Alle Fernen sehen,
Schöner als es jemals war,
Will das Land erstehen.

Hörbar ist der fernste Laut,
Alle Winde schweigen,
Weit Getrenntes will sich traut
Zu einander neigen.

Wo die Sonne ging zu Thal,
Schwarze Wolken hangen,
Fernhin zuckt ein Blitzestrahl -
Rings Gewitterbangen.

Also sind, wie nie, wir warm
Herz an Herz gedrungen,
Halten uns in stillem Harm
Schweigend lang umschlungen.

Und jedweder Seelenlast
Einigt sich uns Beiden
Süß und bang und schmerzlich traut -
Denn wir müssen scheiden.

Nimmer werd' ich, holdgesinnt,
So dich wiedersehen,
Nimmer wirst du, Elfenkind,
Dieses Herz verstehen,

Wenn sein ungestümer Schlag
Nicht mehr dir erzählet,
Was es selber leiden mag,
Wenn es Andr're quälet.

Wie ins Haar ein Röselein,
Das du hier gefunden,
Flichst Erinnerung du ein
An verfloss'ne Stunden.

Doch in meinem schweren Sinn
Wird sie Wurzel schlagen,
Und ich werd' durchs Leben hin
Dein Gedenken tragen.
(S. 39-40)
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Warum?

Warum du vermagst, mich zu zügeln
Mit leichter, muthwilliger Hand,
Warum deinen gaukelnden Flügeln
Mein träumender Sinn sich verband,

Und wie mir durch dich ist geschehen,
Und was uns're Herzen verflicht -
Ach! könnt' ich es fassen, verstehen,
So wär' es ein Zauber ja nicht!
(S. 37)
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Lieder aus der Rosenzeit

I.
Welcher Gruß kann holder sein,
Wenn ich unverhofft dich sehe,
Als in deinem Aug' der jähe,
Schöne, flücht'ge Freudenschein!
Welcher Gruß kann holder sein?

Welches Wort kann süßer sein,
Wenn ich scheidend von dir gehe,
Als in deinem Aug' das Wehe,
All' die schwerverhehlte Pein -
Welches Wort kann süßer sein!


II.
Ich bring' in stummer, inniger Lust
Die Rose dir entgegen,
Du nimmst sie hin, an deine Brust
Sie schweigend beredt zu legen.

Und als sie dir am Herzen ruht,
Hab' Antwort ich gefunden
Auf jenen Gruß, den ihre Gluth
Dir leise sollte bekunden.

Wie war es, eh' sie uns erblüht?
Ich kann es nicht mehr fassen:
Ich sehe nur vor deinem Gemüth
Die äuß're Welt mir erblassen,

Und ferner rücken mir Leid und Lust,
Des Daseins wechselnde Loose -
Ich sehe nur an deiner Brust
Die Liebehauchende Rose.
(S. 66-67)

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Alle Gedichte aus: Marie von Najmájer Neue Gedichte
Verlag Adolf Bonz Comp. Stuttgart 1891


Biographie:
MARIE VON NAJMÁJER (1844 - 1904): Marie von Najmájer war die einzige Tochter eines ungarischen Hofrats. Nach seinem Tod im Jahre 1854 lebte sie in Wien gemeinsam mit ihrer Mutter, die sich ganz ihrer Erziehung widmete und ihre musikalischen und literarischen Neigungen förderte. Ermuntert von Grillparzer, dem einige Freunde ihre Gedichte gezeigt hatten, gab sie 1868 ihren ersten Gedichtband heraus, dem weitere folgten. Bekannter wurde sie mit ihren Epen, Erzählungen und Dramen. Im Mittelpunkt ihrer Werke stehen häufig Frauengestalten, wie zum Beispiel in ihrem Roman "Die Schwedenkönigin" (1882) oder im Epos "Gürret-ül-Eyn". Ohne sich unmittelbar an der Frauenbewegung zu beteiligen, setzte sie sich mit Wort und Tat für die alleinstehenden, besonders geistig arbeitenden Frauen ein. Sie veranlaßte die erste Stipendiumsstiftung für weibliche Studierende an der Universität Wien und trug mit einer großzügigen Geldspende zur Gründung eines Pensionsfonds für Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien bei. Nach ihrem Tod geriet sie in Vergessenheit.
Aus: http://www.onb.ac.at/ariadne/vfb/bio_najmajer.htm



 

 


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