Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Sinan Efendi, d.i. Jusuf oder der Speer
gest. i. J. 980 (1572)
 

O! wie vom blutdürst'gen Auge
Krank die arme Seele ist!
Und mein Herz durch's Lockenende
An das Netz gebunden ist!

Vor den Seufzern Liebender
Wahre deinen zarten Wuchs,
Daß der Morgenwind nicht wisse,
Daß ein zarter Zweig
* er ist.

Wehe! daß mein Weheklagen
Nicht die hohe Pfort' erreicht,
Dennoch sagt man, daß der Seufzer
Himmeln angebunden ist;

Deiner lichten Schönheit Vers ist
Nachtigall im Rosenhain,
Rosen öffnen weit das Ohr,
Stumm der Mund der Knospen ist.

Wie der Hund, der an der Schwelle
Deines Thores weint und heult,
Klagt Jusuf
**
mit krankem Herzen,
Bis es wieder Morgen ist.

* Nareste, noch nicht zur vollen Reife gelangt
** Sinan ist das persische Synonym für Jusuf,
weil Sinan d.i. die Lanze der Schönheit,
des ägyptischen Joseph angeeignet ward,
dessen Schönheit allen wie Lanzen
in die Augen stach.
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Der berühmte Rechtsgelehrte, Glossenschreiber zur Exegese Beidhari's, auch Dichter. Sein Geburtsort das Dorf Ssonso bey Amasia, erst Jünger des Scheichs Hosam, dann Schüler Chaireddins des Chodscha Suleiman's des Gesetzgebers, ward zuerst Muderris an der Moschee Ssaridschepascha's. Schlug nach Suud's Tod ob seines hohen Alters die Muftiwürde aus, und lebte bis zu seinem Tode von einer Pension.

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 345)