Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)


Sultan Murad II.

Mir's zwar nicht geziemen will,
Einen Kuß zu wagen,
Kund'ge Diener handeln still,
Ohne viel zu fragen;

Schenke, bringe wieder Wein,
Bring' den Wein vom Abend,
Sag' dem Herzen: stimme ein,
Dich mit Flöten labend.

 

Der erste der osmanischen Sultane, welcher die Poesie, die unter ihm zu blühen begann, durch sein eigenes Beyspiel ermunterte. Zweymal die Woche versammelte er Gelehrte und Dichter bey sich, welche wissenschaftliche Streitfragen erörterten oder Verse declamirten. Solche Liebe geistreicher Unterhaltung kann nicht befremden im Herrscher, welcher in der Reife männlichen Alters dem Throne entsagt hatte, um in Magnesia's Rosenfluren in philosophischer Abgeschiedenheit des Lebens zu genießen.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Erster Band
von der Regierung Sultan Osman's I. bis zu der Sultan Suleiman's
1300 - 1521
Pesth, 1836
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 114)