Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Kabili, d.i. der Tüchtige
 

Öffnen sich Knospen der Lippen wie Rosen,
Wird durch den Frühling verjünget die Welt,
Ist es die Zeit, in dem Garten zu kosen,
Wann darin Klage der Nachtigall gellt!

Tage des Frühlings sind wieder gekommen,
Wieder vergnügt sich die Zeit und die Welt.
Um uns in Gärten der Schönheit zu freuen,
Rosenbewangetes Liebchen nur fehlt.

Flaschen und Liebchen, sie würden, o Ssofi!
Wahrlich von mir nicht zum Umgang gewählt,
Wäre, ich schwör es bey Gott, bey dem Höchsten!
Wahl mir, die freye, zu Händen gestellt.

Siehe! dem Gegner, dem Hund war's bescheert,
Dich zu begleiten in Garten und Feld,
Ich bin zufrieden als Hund nur des Gaues,
Bin es in dieser und anderen Welt.

Mondgesicht! nimmermehr geht aus dem Kopfe
Deine Begier, die sich d'rinnen gefällt,
Wenn auch der Leib, der entkräftete, nächstens
Dir zu gefallen in Asche zerfällt!

Nimmer gewähren Verliebten die Treue,
Kabili! Mondgesichter der Welt.
Kabili, wenn er ein Liebchen gefunden,
Treu und beständig an selbes sich hält!
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Ein Ssofi aus dem Viertel Kurani zu Constantinopel, der viel gereist, auf seinen Reisen Bücher sammelte.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 505-506)