Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Latifi
gest. i. J. 990 (1582)
 

Kann ich Handvoll Staub wohl trüben den Geist des Geliebten,
Eine Handvoll Staub kann sie wohl trüben das Meer?
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Das Ambrahaar schlecht zum Gesichte steht;
Entfern' es von den Wangen;
Denn in des Paradieses Rosenbeet
Weiß man von keinen Schlangen.
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Glaube nicht, es sey die Nacht, die finst're am Himmel;
Seufzerwind löscht aus Lampe der Sonne, des Mond's.
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Das blutige Herz Fontain von Schmerz und Unglück ist,
Und jedes Aug' ein Quell, der immer fließet, ist;

Wenn die Fontaine voll von Thränenperlen ist,
Was Wunder, wenn das Aug' des Meeres Ufer ist!

Mein närr'sches Haupt, dem weißes Haar in Füll entsprießt,
Ist Schmerzensberg, auf dem der Schnee des Unglücks ist,

Ungläub'ger Flaum das Kinn gleich einem Wall umschließt,
Denn Engelsburg* zu Rom des Freundes Wange ist.

Weißt du, warum Latifi's Vers anmuthig fließt?
Weil sein Ghasel durch's Bild des Freundes glänzend ist.

* Ruchsari jar ßan kisil elma hißaridür,
wörtlich: Des Freundes Wange ist gleichsam
das Schloß von Rom, kisil elma, d.i.
der rothe Apfel ist bekanntermaßen
im Türkischen der Nahmen von Rom.
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Aus Kastemuni; indem er einige Zeit lang das Gesetz studieret, trat er in das Rechnungswesen als Schreiber ein, und schrieb gleich fertig zierliche Prose und Verse. Er verfaßte zwölf Werke, darunter eine Beschreibung Constantinopels, eine Erzählung des Schicksals Ibrahimpascha's, Frühlings- und Blumengedichte. Für ein dem Defterdar Iskender-Tschelebi überreichtes Frühlingsgedicht erhielt er eine Secretärsstelle zu Belgrad, von wo er ums Jahr 950 (1543) nach Constantinopel kam und sich dort ansiedelte; zu dieser Zeit hatte Sehibeg der erste die Denkwürdigkeiten osmanischer Dichter herausgegeben, und Latifi trat als solcher in seine Fußstapfen.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Dritter Band (von der Regierung Sultan Murad's III.
bis zu Ende der Regierung Sultan Mohammed's IV. 1574 - 1687)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 29-30)